„Das Himmelreich verkünden …“

Um das geht es. So jedenfalls hat mir eine Schwester der „medical mission sisters“ geantwortet, als wir in in einem Lehmhaus bei offenem Feuer mit einer Gruppe von Engagierten zusammensaßen – viele davon Ureinwohner des kleinen Dorfes in Nordosten Indiens im Staat Jharkand. Hier hat Sr. Gemma, die diese Gesundheitsstation vor einigen Jahrzehnten gegründet hat, ihre Berufung gleichsam neu entdeckt: hatte sie vorher in einem gut ausgerüsteten Krankenhaus ihrer Kongregation gearbeitet, wurde sie mit den Schwestern ihrer Ordensgemeinschaft durch das Zweite Vatikanische an ihr ursprüngliches Charisma erinnert, „an den Rand“ zu gehen, um jenen zu helfen, die keine Hilfe erhalten können. Mittlerweile werden hier – unterstützt durch die Aktion „Familienfasttag“ und die „Dreikönigsaktion“ – 3 solcher Gesundheitsstationen unterhalten, an die interessanter Weise immer auch eine Art „Abendschule“ angeschlossen ist, die mittlerweile an insgesamt 15 Orten nahe der Stadt Hazaribag betrieben werden – inmitten eines großen Kohlebergbaugebietes mit den damit zusammenhängenden Fragestellungen. Gesundheit und Bildung: wiederum finde ich auf einer meiner Reisen in die Welt dieselben Sendungsaufträge Jesu Christi verwirklicht.
Einige Tage zuvor sind wir spätabends im Staat Patna dem „Vize-Bezirkshauptmann“ begegnet: ein engagierter Christ, der es wirklich aus der untersten Schicht durch Bildung „ganz nach oben“ gebracht hat: Auch er benannte „Bildung“ als die „Waffe“ gegen Ausbeutung, Armut und viel Übel in Indien und der Welt. Und er meinte, dass bei allem, was in Indien aufbricht – immer wieder hören wir ja von den „wirtschaftlichen Erfolgen“ und Fortschritten dieses „Kontinents“ mit derzeit rund 1,3 Milliarden Menschen – eben auch die Erfahrungen vor Ort notwendig sind: Schulen, die funktionieren – und hier sind die katholischen Privatschulen und Internate mehr als herzeigbar. Wer nämlich nicht Englisch kann, vereinfacht gesagt, ist eigentlich „ausgeschlossen“. Wenn ich mir dann vorstelle, dass ein Gutteil eine solche Ausbildung nicht genießen kann, wird mir hunderte Kilometer weiter deutlich, wie wichtig dann eben Medikamentenverabreichungen mit Zeichnungen sind, damit die Menschen ihre Tabletten in der richtigen Dosierung zum richtigen Zeitpunkt einnehmen: eine der hier arbeitenden Krankenschwestern hat sich mit Hilfe der von Sr. Gemma aufgebauten Gesundheitsstation samt „Schule“ bis hierher gearbeitet.
Was ist also unser Sendungsauftrag? Ich entdecke in solchen Weltgegenden immer wieder, dass unsere im „reichen“ und „alten“ Europa oft und oft geführte Debatte zwischen „Mission“ und „Entwicklungshilfe“ eigentlich Haarspalterei ist: dort wo Menschen Leben ermöglicht wird, wird der Auftrag unseres Herrn erfüllt. Dort wächst auch Kirche, anders vielleicht als wir es uns – mitunter auch noch mit einem alten verkappten „Missions-„Begriff vorstellen -, weil das Kommen des Reiches Gottes erfahrbar ist und wird. Deutlich wird mir das bei Sr. Rose, die als „sister of charity of Nazareth“ vor Jahrzehnten begonnen hat, behinderte und oftmals von Kinderlähmung geplagte Kinder zu unterrichten: seit durch staatliche Impfmaßnahmen diese Krankheit beinahe ausgerottet ist, kamen immer mehr Mädchen in die Internatsschule nahe Biharsharif, denen es an anderem mangelte. Im Gespräch erzählte uns eine junge Dame, dass sie hier – praktisch von zu Hause „weggegeben“ – ihre eigentliche Heimat und Familie gefunden und mit ihrer Hilfe nunmehr hier auch Lehrerin sein kann, nachdem sie vor einiger Zeit die Lehrerausbildung weit weg abgeschlossen hat. Es ist einer Oase zu vergleichen das, was Sr. Rose hier aufgebaut hat: hier wird Hoffnung handgreiflich – und damit zugleich die Frage nach dem hochgehalten, was uns antreibt. Die junge, christliche, Lehrerin wäre wohl die erste, die unter Umständen den Weg in den Orden aus dieser Initiative findet … Ich habe hier den Verdacht in Gedanken gehabt, dass wir angesichts unserer Erfahrung von Kirche, die eine eher nach „unten“ gerichtete ist, dann auch noch versucht sind, das Evangelium zu verkürzen und nur mehr die Zahlen der Katholikenstatistik im Kopf zu haben …
Gott sei Dank also gibt es Dreikönigsaktion, Familienfasttag, „Sei so frei“, Welthaus, missio, Partnerdiözesen und die vielen anderen Organisationen, damit wir gesättigten und mit einer langen Geschichte „belasteten“ Europäer wirkliche Hoffnung und Zukunft vielen schenken, die in der Geschichte auch durch Menschen aus Europa geknechtet wurden. Wir tun eigentlich nur unsere Schuldigkeit, wenn wir auch jene als „Nächste“ sehen und dem entsprechend leben, die weit weg von uns im gemeinsamen Haus der Erde leben. Denn: Klimawandel und anderes mehr, etwa kriegerische Auseinandersetzungen, treiben Menschen an, ihre geliebte Heimat zu verlassen. Wir können uns nicht einfach hinwegsetzen über das, was sich weltweit ereignet: wir müssen gemeinsam vorangehen und unserer christlichen Berufung entsprechen, Wege zu suchen, die in einer immer komplexer werdenden Welt es möglichst vielen – eigentlich allen – Zukunft ermöglicht. Denn: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet allen Geschöpfen das Evangelium!“ ist die Aufforderung des Auferstandenen am Ende des Markus-Evangeliums.