vor dem 15. März

Hinterher ist man meistens gescheiter. Und erst recht, wenn man aus Distanz beobachtet. Das sind zwei Gedanken, die mich dazu veranlasst haben, so manches zu notieren, das sich in den letzten Wochen ereignet hat. Ich tue dies nicht unbedingt in der Art einer zeitlichen Rückschau, sondern eher „aus dem Bauch heraus“, nach verschiedenen Themen strukturiert – und hier in unregelmäßigen Abständen. Und: ich habe kurz vor Ende der strengen Ausgangsbestimmungen meine Gedanken zu schreiben begonnen  …

Da war also kurz vor dem 15. März klar, dass dieser Sonntag wohl der letzte sein wird, an dem – die Größe von Versammlungen in Räumen bzw. im Freien war ja schon beschränkt worden – öffentliche Gottesdienste gefeiert werden durften. Es war auch verlautbart worden, dass ab 16. März der „lockdown“ Österreichs erfolgen wird: Betretungsverbote, Ausgangsbeschränkungen, Home Office, Homeschooling usw.

Eigentlich gab es keine Zeit dafür, über Fragen wie „Religionsfreiheit“, Sinn oder Unsinn der Begrifflichkeit „öffentlicher Gottesdienst“, „social distancing“ – und damit verbunden die Frage der richtigen Übersetzung und des rechten Verständnisses – und vieles andere mehr nachzudenken. Klar war: Abstand halten, so wenige wie nur möglich physische Kontakte, Händewaschen (und was ist mit duschen? :-)) und Desinfizierung – wie aber, wenn es davon nichts zu kaufen gibt? Und dann freilich so manche, die all das infrage gestellt haben: „Wieso? Warum? Ist es wirklich so schlimm?“

Für mich jedenfalls war klar: das gilt es jetzt zu leben. Klar war daher auch – nach einer kurzen Beratung im kleinsten Kreis: in Seggau gibt es eine kleine Gemeinschaft, in der ich mitleben könnte, und wo es möglich sein würde, die persönlichen Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren. Darüber hinaus wurde ich vom Krisenstab unterstützt in der Meinung, dass Generalvikar und Bischof „getrennt“ leben sollten – würde sich einer von uns infizieren, könnten viele Arbeiten vom jeweils anderen mit erledigt werden. So also hieß es für mich von einem Moment auf den anderen, meine „sieben Zwetschgen“ zu packen und gen Süden aufzubrechen. Ich glaube, es war noch an diesem Donnerstag Abend, dass ich die Mitteilung erhalten habe, dass ich gebeten bin, an Stelle des vorgesehenen Zelebranten beim „letzten öffentlichen Sonntagsgottesdienst“ in den Regionalradios des ORF zu feiern. Predigt schreiben. Für diese herausfordernde Situation, von der eigentlich niemand genaueres wusste, wie lange und wie intensiv sie dauern würde, was alles noch auf uns zukommen würde, wie genau ein „zugesperrtes Österreich“ funktionieren würde etc.

„Klar, das muss ich machen, denn wann wenn nicht zu einer solchen Zeit ist ein ‚Hirte‘ vonnöten?“ Über so manche andere Fragestellungen, die ich mir zu früheren Zeiten bei anstehenden Rundfunk- oder Fernsehübertragungen gemacht habe, hatte ich keine Zeit, mir Gedanken zu machen. „Das ist jetzt dein Dienst.“ Gemeinsam mit dem liturgischen Berater- Danke, Bruno Almer! – galt es, binnen kürzester Zeit ein neues Musik- und Gesangsprogramm gleichsam „auf die Beine“ zu stellen und mit dem ORF abzuklären, sodass die Übertragungszeit nicht überschritten und dennoch – in und mit diesen Herausforderungen – schön gefeiert werden kann. Wir wussten nicht, wie viele Personen vor Ort mit feiern werden und dennoch: „Hunderttausende hören zu und feiern am Krankenbett, zu Hause allein oder in der Familie, in Pflegeheimen, und wo auch immer mit. – und sie erwarten sich, mit Recht (!), ein Wort, das uns in diesen Herausforderungen voranbringt. Darüber hinaus stellten sich noch weitere mediale Anfragen angesichts der sich anbahnenden völlig neuen Situation: Streaming der Messfeier, Interview mit dem Fernsehen, „wie geht es den Menschen, den Seelsorgern vor Ort?“ usw. Keine Zeit, sich lange Gedanken zu machen – irgendwie galt es „zu funktionieren“, also zu dienen.