instruiert werden – XX

20. Zwischenbemerkung zur Debattenkultur in der Kirche

Da auch die Kirche aus Menschen gebildet wird, werden in ihr ähnliche Vorgänge bemerkt, wie es sie auch in der Gesellschaft gibt. „Nichts Menschliches ist uns fremd …“ Daher erlaube ich mir an dieser Stelle ein paar nachdenkliche Gedanken niederzuschreiben, wie ich – unter anderem ob der Instruktion – die innerkirchliche Debattenkultur erlebe. Mir geht nämlich – um es von hinten aufzuzäumen – weitgehend das Ringen miteinander ab.

Wenn ich das so schreibe, muss gleich mal eine weitere Zwischenbemerkung gemacht werden: da ich Mann und auch noch dazu Bischof bin, kann es – jedenfalls kommt es mir mitunter schon so vor – zu einer „Hermeneutik des Verdachts“ kommen. „Kann denn aus Rom – überhaupt – was Gutes kommen?“ Oder: „Kann denn ein Argument eines geweihten Amtsträgers als solches überhaupt ernstgenommen werden, da er es doch aus einer Machtposition heraus vorträgt?“ Oder: wiewohl mitunter in Erinnerung gerufen wird, dass auch Geweihte Menschen sind[1], werden diese in Debatten von vorherein auf den Stuhl des Lehramts gesetzt – und man wundert sich [genüsslich?], dass sie dort oben sitzen, indem alles mit diesen und nicht den Ohren gehört wird, die der Zusammenhang und die Situation nahelegen.[2] Wo sind wir hingekommen – und wie not doch wirklich uns als Glieder des Volkes Gottes das tun würde, was Johannes Paul II. in „Novo millenio ineunte“ 43ff. einfordert (siehe Beitrag 17[3])!

Ähnliches Hickhack – scheinbar ohne wirklich aufeinander zu hören – wird uns medial und verstärkt durch die sogenannten neuen „sozialen Medien“ frei Haus geliefert: da wird in Überschriften was ganz anderes insinuiert als dann in den darunter stehenden Artikeln wirklich steht, einfach deswegen, weil „Klicks“ zählen und nicht Inhalte? Da wird vereinfacht Position gegen Rom oder auch eine Vertreterin der Kirche bezogen, nur weil sie eben so denkt und nicht anders usw. Keine Angst: auch ich ärgere mich immer wieder über so manche Äußerungen, doch hoffe ich auch, dass ich – auch in diesen meinen Beiträgen – nicht über andere „herziehe“, sondern sachlich bleibe und nicht nur jene bzw. jenes zu Wort kommen lasse, die mir meine Meinung stützen. So zu leben bedeutet eben – siehe die Beiträge zu diesem blog – komplexer zu antworten als bloß schwarz-weiß zu malen, zu polarisieren und eine Meinung öffentlich an den Pranger zu stellen. Ich kann mir auch vorstellen, dass mitunter manches – wirklich aus innerer Not geschrieben – den Bogen des distanzierten Reflektierens überspannt, ja überspannen muss, um gehört, um gelesen zu werden, um verkrustete Strukturen aufzubrechen; gerade wenn es um das Thema Missbrauch geht ist dies nur allzu verständlich. Dennoch: auch dort bleibt die Pflicht zur Differenzierung, will man nicht einfach populistisch sein. Und – verzeihen Sie mir meine Zwischenfrage: „Mit welchem Ohr haben Sie nun den letzten Satz gehört?“ In Gesellschaft und Kirche ist wirklich, so nehme ich wahr, das Zuhören abhanden gekommen bis hin zur bitteren Frage meinerseits, ob ich es aushalte, ob wir es überhaupt noch aushalten, dass unter Umständen eine andere Meinung „mein Lehramt“ ergänzt – von Infragestellung rede ich ja gar nicht? Es ist wahrlich ein schwerer Weg, der gemeinsam zu gehen ist und gegangen werden muss, wenn unterschiedliche Blickwinkel und damit auch Standpunkte nicht als sich von vornherein ausgrenzend, sondern ergänzend interpretiert werden wollen/sollen. Dies aber ist, so erfahre ich es, eigentlich alltägliche Arbeit in jedweder Art von Beziehung und Miteinander. Gerade für Glaubende gilt: es gibt so viele Wege zu Gott wie es Menschen gibt[4] und damit gilt auch, dass nicht mein Weg der allein seligmachende ist und der einzige, auf dem alle voranzugehen hätten. Das macht meinen Dienst in der Kirche alles andere als leicht, doch darf, nein muss ich vertrauen, dass wir alle auf unseren je eigenen Wegen unterwegs sind zu Christus, dem eigentlichen Ziel unseres Daseins. Und darum soll und muss es uns gehen! Also: bitte „ent-rüstet Euch“ in Eurer Sprache und damit haltet Euch fern von Angriffigkeit und plumpen Verdächtigungen bzw. Drohungen wie etwa „Laien dürfen zwar alles tun, aber nichts entscheiden“ usw.

[1] Ich beziehe mich mit diesen Zeilen auf Argumentationen im Buch von Wunibald Müller: Verbrechen und kein Ende?: Notwendige Konsequenzen aus der Missbrauchskrise, Würzburg 2020, in dem er unter anderem – sehr positiv – einlädt, sich die Machthaber (der Kirche und wohl auch dieser Welt) „nackt“ vorzustellen – im Anschluss an des Kaisers neue Kleider. Andererseits wird eine Bemerkung von Kardinal Marx zum Thema Frauenbeteiligung an Debatten in der Bischofskonferenz mit dem Hinweis abgetan – ich überzeichne -, dass diese „typisch klerikal“ sei, da sie ja von einem Kardinal vorgetragen werde, der als solcher die derzeitige Lehre der Kirche vorträgt, was im übrigen von seinem Amt ja auch verlangt wird (vgl. Position 1685ff. in der kindle-Version dieses Buches) – und weil er nicht in einem Atemzug das Kirchenrecht infrage stellt ist dies gleich mal eine „Marginalisierung der Rolle der Frauen in der Kirche“. – In ähnlicher Weise erging es mir mit einem im besten Sinn des Wortes Kritiker der „anderen Seite“: am Festtag unseres Diözesanjubiläums gab es in der Stadt Graz unterschiedliche Bühnen zu verschiedenen Zukunfts-Fragen der Gesellschaft. Auf der Bühne, deren Inhalt „Grenzen und die prinzipiellen Möglichkeit sie zu überschreiten“ war, gab es eine halbe Stunde zum Themenbereich „Kirche und Homosexualität“. Auf dem Podium Alfons Haider, ein bekannter TV-Moderator und bekennender Homosexueller und ich. Wie gesagt: es ging dort um die Grenzen. In einem darauf folgenden Kommentar der Wochenzeitung „deutsche Tagespost“ wurde scheinbar der Kontext nicht ganz ernstgenommen, sondern lediglich nachgefragt, wieso es denn heutzutage – ich zitiere aus dem Gedächtnis – nicht einmal mehr Bischöfen der Kirche gelänge die katholische Ehelehre zu verteidigen? Dies wurde angefragt, weil Haider dort eben auch die Sehnsucht deponierte, als Homosexueller eine – kirchliche – Ehe schließen zu wollen.

[2] Weil das Familienreferat der Diözese – um ein Beispiel zu nennen – einen, und das ist in der Konzeption deutlich sichtbar, Informationstag veranstalten will zu Fakten rund um Homosexualität – und diesen noch dazu in einem Raum, der zu unserem Priesterseminar gehört (als einem unserer innerkirchlichen größeren Veranstaltungsräume für Seminare in Graz), wurden große Geschütze der Infragestellung der Rechtgläubigkeit aufgefahren.

[3] https://krautwaschl.info/instruiert-werden-xvii

[4] vgl. ein Interviewbuch von Peter Seewald mit dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger – die genaue Zitation finde ich auf die Schnelle nicht.

Da auch die Kirche aus Menschen gebildet wird, werden in ihr ähnliche Vorgänge bemerkt, wie es sie auch in der Gesellschaft gibt. „Nichts Menschliches ist uns fremd …“ Daher erlaube ich mir an dieser Stelle einiges Nachdenkliche niederzuschreiben, wie ich – unter anderem ob der Instruktion – die innerkirchliche Debattenkultur erlebe. Mir geht nämlich – um es von hinten aufzuzäumen – weitgehend das Ringen miteinander ab.

Wenn ich das so schreibe, muss gleich mal eine weitere Zwischenbemerkung gemacht werden: da ich Mann und noch dazu Bischof bin, kann es – jedenfalls kommt es mir mitunter schon so vor – zu einer „Hermeneutik des Verdachts“ kommen. „Kann denn aus Rom – überhaupt – was Gutes kommen?“ Oder: „Kann denn ein Argument eines geweihten Amtsträgers als solches überhaupt ernstgenommen werden, da er es doch aus einer Machtposition heraus vorträgt?“ Oder: wiewohl mitunter in Erinnerung gerufen wird, dass auch Geweihte Menschen sind, werden diese in Debatten von vorherein auf den Stuhl des Lehramts gesetzt – und man wundert sich [genüsslich?], dass sie dort oben sitzen, indem alles mit diesen und nicht den Ohren gehört wird, die der Zusammenhang und die Situation nahelegen.[1] Wo sind wir hingekommen – und wie not doch wirklich uns als Glieder des Volkes Gottes das tun würde, was Johannes Paul II. in „Novo millenio ineunte“ 43ff. einfordert (siehe Beitrag 17[2])!

Ähnliches Hickhack – scheinbar ohne wirklich aufeinander zu hören – wird uns medial und verstärkt durch die sogenannten neuen „sozialen Medien“ frei Haus geliefert: da wird in Überschriften was ganz anderes insinuiert als dann in den darunter stehenden Artikeln wirklich steht, einfach deswegen, weil „Klicks“ zählen und nicht Inhalte? Da wird vereinfacht Position gegen Rom oder auch eine Vertreterin der Kirche bezogen, nur weil sie eben so denkt und nicht anders usw. Keine Angst: auch ich ärgere mich immer wieder über so manche Äußerungen, doch hoffe ich auch, dass ich – auch in diesen meinen Beiträgen – nicht über andere „herziehe“, sondern sachlich bleibe und nicht nur jene bzw. jenes zu Wort kommen lasse, die mir meine Meinung stützen. So zu leben bedeutet eben – siehe die Beiträge zu diesem blog – komplexer zu antworten als bloß schwarz-weiß zu malen, zu polarisieren und eine Meinung öffentlich an den Pranger zu stellen. Ich kann mir auch vorstellen, dass mitunter manches – wirklich aus innerer Not geschrieben – den Bogen des distanzierten Reflektierens überspannt, ja überspannen muss, um gehört, um gelesen zu werden, um verkrustete Strukturen aufzubrechen; gerade wenn es um das Thema Missbrauch geht ist dies nur allzu verständlich. Dennoch: auch dort bleibt die Pflicht zur Differenzierung, will man nicht einfach populistisch sein. Und – verzeihen Sie mir meine Zwischenfrage: „Mit welchem Ohr haben Sie nun den letzten Satz gehört?“ In Gesellschaft und Kirche ist wirklich, so nehme ich wahr, das Zuhören abhanden gekommen bis hin zur bitteren Frage meinerseits, ob ich es aushalte, ob wir es überhaupt noch aushalten, dass unter Umständen eine andere Meinung „mein Lehramt“ ergänzt – von Infragestellung rede ich ja gar nicht? Es ist wahrlich ein schwerer Weg, der gemeinsam zu gehen ist und gegangen werden muss, wenn unterschiedliche Blickwinkel und damit auch Standpunkte nicht als sich von vornherein ausgrenzend, sondern ergänzend interpretiert werden wollen/sollen. Dies aber ist, so erfahre ich es, eigentlich alltägliche Arbeit in jedweder Art von Beziehung und Miteinander. Gerade für Glaubende gilt: es gibt so viele Wege zu Gott wie es Menschen gibt[3] und damit gilt auch, dass nicht mein Weg der allein seligmachende ist und der einzige, auf dem alle voranzugehen hätten. Das macht meinen Dienst in der Kirche alles andere als leicht, doch darf, nein muss ich vertrauen, dass wir alle auf unseren je eigenen Wegen unterwegs sind zu Christus, dem eigentlichen Ziel unseres Daseins. Und darum soll und muss es uns gehen! Also: bitte „ent-rüstet Euch“ in Eurer Sprache und damit haltet Euch fern von Angriffigkeit und plumpen Verdächtigungen bzw. Drohungen wie etwa „Laien dürfen zwar alles tun, aber nichts entscheiden“ usw.

[1] Weil das Familienreferat der Diözese – um ein Beispiel zu nennen – einen, und das ist in der Konzeption deutlich sichtbar, Informationstag veranstalten will zu Fakten rund um Homosexualität – und diesen noch dazu in einem Raum, der zu unserem Priesterseminar gehört (als einem unserer innerkirchlichen größeren Veranstaltungsräume für Seminare in Graz), werden die großen Geschütze der Infragestellung der Rechtgläubigkeit aufgefahren.

[2] https://krautwaschl.info/instruiert-werden-xvii

[3] vgl. ein Interviewbuch von Peter Seewald mit dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger – die genaue Zitation finde ich auf die Schnelle nicht.