Wage zu träumen XIV

„Globalisierung neu“

Ein kleines unscheinbares Ding, unsichtbar für uns Menschen, hält seit einem knappen fast die ganze Welt in Atem, lässt Gesellschaften und Staaten mehr oder weniger oft „stillstehen“ in „Lockdowns“, damit Ansteckungsketten des zumeist über die Atemluft übertragenen Virus unterbrochen werden; die ganze Welt und viele Menschen in ihr ächzen und stöhnen – aus verschiedensten Gründen, Planbarkeit ist hintanzustellen etc. – Die ganze Welt steht „zusammen“, um möglichst rasch wirksame Medikamente und Impfungen auf den Markt zu bringen, damit der Schutz des Lebens wieder gewährleistet werden kann und die – weltweit betrachtet – unterschiedlichen Gesundheitssysteme nicht zu sehr überlastet sind.

Die Schlagzeilen haben sich in den letzten Monaten überschlagen, wenn es darum ging, über die Ausbreitung des SARS-CoV2 – Virus zu berichten, von dem nunmehr auch schon Mutationen mehr und mehr gefunden werden. – Ohne auf all die damit zusammenhängenden Fragestellungen und die wissenschaftlich unterschiedlich vorgetragenen Meinungen jenseits der „schwarz-weiß-Malerei“, der Angst- oder Panikmache bzw. der lautstark vorgetragenen Leugnung all dessen einzugehen: Mir ist in den letzten Tagen immer wieder der Gedanke gekommen, ob mit diesem Phänomen der letzten Monate nicht auch das, was „Globalisierung“ genannt wird, mit neuem Inhalt gefüllt werden könnte oder gar schon wurde – jenseits der Schreckgespenste, die mit diesem Begriff mitunter auch in die Welt getragen wurden?

Ich meine, dass Papst Franziskus – wohl einer der letzten großen „Erzähler“ unserer Welt – mit seiner Enzyklika „fratelli tutti“[1] und auch in seinem jüngst erschienen Buch „Wage zu träumen“[2] eine großartige Vision vorgelegt hat, die der weltweiten Geschwisterlichkeit. So wie die Menschheit zusammensteht mit ihren besten Wissenschaftlern um der Pandemie einigermaßen Herr zu werden, so könnte doch ein Miteinander der Menschheit auch in anderen Bereichen sinnvoll sein. Ja: es scheint sogar geboten und notwendig. Denn: wir sind eben unterwegs im „gemeinsamen Haus“[3] – und sind auf „Gedeih und Verderb“ aufeinander verwiesen. Wie schnell freilich das gemeinsame Interesse „was weiterzubringen“ für alle und damit die ganze Menschheit da und dort relativ rasch brüchig wird, etwa wenn es darum geht, die Impfungen gerecht auf die ganze Welt zu verteilen … Es hat mich schon in gewisser Weise erschreckt zu hören, dass sich westliche Länder, die EU eingeschlossen, mit den Vorbestellungen mehrfach zu 100% eingedeckt haben und dass viele Länder „des globalen Südens“ wohl noch eine längere Zeit „in der Armut der Erwartung“ einen Impfstoff zu erhalten verharren werden müssen. Die Appelle – von der UNO und vom Papst angefangen verhallen scheinbar ungehört.

Ja: wir gehören zusammen – und gerade deswegen ist meines Erachtens auf allen Ebenen des Miteinanders von Menschen, von den kleinsten Einheiten in der Familie bis hin zur Feststellung, dass wir alle eine Menschheit bilden, es angesagt und verwirklichbar, immer auch mitzudenken: „Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt – das ist es, was das Gesetz und die Propheten fordern.“[4] Diese „Goldene Regel“ ist im übrigen in vielen Religionen der Welt in irgendeiner Art und Weise überliefert …


[1] http://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20201003_enciclica-fratelli-tutti.html

[2] Papst Franziskus: Wage zu träumen! Mit Zuversicht aus der Krise, München: Kösel 2020, 192 Seiten;
ISBN: 978-3466372720, auch als E-Book in mehreren Ausgaben erhältlich. Hier ist eine erste „Rezension“ von mir einzusehen: https://www.katholische-kirche-steiermark.at/portal/glaubenfeiern/unserenglaubenerleben/buecherboard/buecherbordartikel/article/23071.html

[3] In seiner Sozial- und Umweltenzyklika „Laudato si“ wird Papst Franziskus nicht müde, diese Wirklichkeit anzusprechen: https://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html

[4] Mt 7,12.