Säuberung vor dem großen Besuch

Am „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“ hatte ich für das Hausfest im Grazer Priesterseminar folgende Predigt vorbereitet:

  1. Die Vorbereitung auf große Feste bringt mitunter auch große Arbeiten mit sich. Woche für Woche etwa war es uns am Samstagnachmittag auf unserem Bauernhof aufgegeben, das Haus, die Flächen im Freien unseres kleinen Hofes und uns selbst auf die Feier des Sonntags vorzubereiten: Alles sollte gereinigt werden, um daher gleichsam „fähig“ zu werden, den Sonntag entsprechend begehen zu können. Ähnlich ist es uns ergangen, wenn wir um einen hohen und bedeutsamen Besuch wussten: auch in einem solchen Fall galt es, alles entsprechend schön und gut vorzubereiten; von Ostern und Weihnachten soll da gar nicht die Rede sein: der Weihnachts- bzw. der Osterputz genießen bekanntlich sprichwörtliche Qualität.
  2. Ich habe sicher zu wenig Theologie studieret. Mir aber ist dieser Vergleich, der die rein menschliche Erfahrung bei weitem überbietet, von der ich gerade gesprochen habe, einmal in einer Schulstunde gekommen: Gott will bei Maria – gleichsam mit Haut und Haaren – Gast sein – und bereitet selbst dieses ihr Lebens-Haus entsprechend vor, damit Er in ihr und bei ihr Wohnung nehmen kann. Nichts in ihr sollte verhindern, dass das Wort Fleisch werden kann – oder, um es im Bild des Feiertagsputzes auszudrücken: alles soll wirklich sauber sein, damit Sein Kommen entsprechend wahrgenommen wird.
    Viel ist uns in den Schriften des Neuen Bundes nicht von Maria überliefert, doch diese Wirklichkeit schimmert in allem durch: ihre Offenheit für Ihn, der Verweischarakter auf Gott, den sie immer und immer wieder lebte, ihr „alles im Herzen erwägen“, ihr „ihn in die Welt tragen“ – zu Elisabeth, nach Betlehem, auf der Flucht usw., ihr beständiges nach Ihm ausgerichtet sein und daher ihr intensives Suchern, ihr Stehen unter dem Kreuz … Eigentlich. All das – so denke ich – macht den Grund der Verehrung Mariens aus, ist Maria jemand, der nur von Gott her, von Jesus her verstanden werden kann. Er ist letztlich alles.
  3. Wenn wir heute hier das Patrozinium und damit Namenstag feiern, dann ist diese große Überschrift über dieses Haus gesetzt und damit das Thema, das Motto schlechthin für unser Seminar angegeben: Es gilt, sich in dieser „Pflanzstätte“ einzuüben in einen Lebensstil, der IHN zum Vorschein kommen lässt. Denn die Kirche als Ganze ist eine, die IHN der Welt zu bringen berufen ist. Und das ist damit auch die Berufung für jene in ihr, die ein Amt ausüben. Dann, und insofern also wir marianische Menschen werden, beruft Kirche einige daraus zum Dienstamt in ihr.
    Das braucht intellektuelle Befähigung, denn üblicher Weise wird so gelehrt, dass das Wissen dann entsprechend weitergegeben werden kann. Das Wissen um IHN lehrt aber, immer mehr Gott-Liebe in unserem Dasein Raum zu geben, damit ER, der eigentliche Theo-loge, weil Gottes Wort selbst, wirken kann. –
    Das braucht geistliche Formung, damit wir als Christen, als Diakone, als Priester, als Bischof immer mehr zu einer Form werden, die IHM, dem Auferstandenen Raum gibt in unserem Dasein, in unserem Leben und Wirken. –
    Das braucht menschliche Reifung, denn der Mensch wird immer mehr dort er selbst, wo er sich als einer versteht, der als Gottes Ebenbild mehr und mehr Liebe wird und dies als die DNA in die Welt hinein lebt. –
    Das braucht auch pastorale Befähigung, damit Hirtesein nicht verwechselt wird mit Macht oder gar mit einem Gefühl der Überlegenheit, sondern die Sendung und damit die Aufgabe des Hirten für das Wohlergehen der ihm Anvertrauten bestens zu sorgen immer im Blick ist, so wie für Maria ER im Blick war.
  4. Ich möchte daher am heutigen Tag die Einladung aussprechen, sich immer und immer wieder in diesem Haus dieser Frau und damit Maria, also ihrer Berufung in der Heilsgeschichte zu erinnern und zu vergewissern, mehr noch: ich bitte die Bewohner, die Seminaristen unseres Seminars, sich Maria als Maß zu nehmen, um wirklich offen zu sein für das, was Gott in uns hineinlegen möchte. Und das, was hier im Besonderen gilt, darf ohne weiteres für uns alle Richtschnur sein.