Nackte Fragen

Ich war ganz einfach von den Gedanken angetan, die Ermes Ronchi, ein Servit in Mailand, in der Fastenzeit vor Papst Franziskus und den leitenden Kurienmitarbeitern ausgebreitet hat. Gemeinsam mit Freunden habe ich in den vergangenen 14 Tagen die 10 Vorträge „portionenweise“ genossen – im wahrsten Sinn des Wortes. Vor meinen Augen wurde eine Kirche sichtbar, die durch und durch geprägt ist von freien Menschen in der Nachfolge. Und gerade deshalb wurden die ungeschminkten, die „nackten“ Fragen aus dem Evangelium, die freilassen, Angst nehmen, ja Lust machen sich auf den Weg der Nachfolge in den Fußspuren Jesu Christi einzulassen, zu einer großartigen Verinnerlichung dessen, was ich zu leben versuche.

Ich weiß: ich kann es vielfach nicht so ausdrücken;
ich weiß, dass ich vielfach danebenliege mit meinen Versuchen voranzukommen auf dem Weg zur Heiligkeit –
aber ich weiß auch: „Ich bin unendlich geliebt – von Gott“.
Und das gibt mir immer wieder aufs Neue den Mut (neu) anzufangen, nicht aufzuhören weiterzugehen, den Nächsten und damit auch (nur?) den vielleicht nächsten Schritt in den Blick zu nehmen und nicht die großen Lösungen an- und durchzudenken, die wohl auch Gefahr laufen würden, gerade deswegen nicht umgesetzt zu werden …

„Fragen ermöglichen (neues) Leben“ ist mir deutlich geworden, und durch sie – Jesus lebt es uns beispielhaft vor – werden Prozesse angestoßen, die das einfache Leben so vieler, die ihm damals begegnet sind, auf eine neue Fährte gesetzt haben. In der persönlichen Auseinandersetzung mit den uns hier vorgelegten Gedanken kam mir einfach immer und immer wieder die Frage, nein die Gewissheit hoch: „Wenn dies damals der Fall war, dann ist dasselbe auch heute möglich?!“ Das Büchlein ist voll von geistlichem Leben – weil es gesättigt ist mit Erfahrungen aus dem Alltag. Das eine ist ohne das Andere nicht zu denken, auch wenn wir, als „gelernte Kirchenleute“ oft das eine vor das – und damit auch getrennt vom – Andere/n zu setzen versucht, Leben und Glauben (gefährlich?) auseinanderhalten.

Eine nicht ganz „lupenreine“ Darstellung der Dreifaltigkeit als Fresko an der Außenseite des „Hospizes der Dreifaltigkeit“ in der Via Roma in Valgrana (Piemont). – Die vergangenen Tage waren auch geprägt von so manchen Begegnungen.

Seinen Zuhörern damals und den Lesern heute bleiben aktuelle Fragestellungen nicht erspart, weil es im Evangelium um das Leben und das Heil geht und nicht um Fixierung, Buchstaben usw. –
Natürlich: gerade wir im Norden Europas „schaffen“ es meist nicht, die Fragen nach den Grundlagen von Kirche zu stellen, weil diese „ohnedies klar strukturiert vor Augen steht“ – und wir bleiben daher oft auch bei diesen jahrhundertalten und mit viel Segen für uns und unsere Gegend verbundenen Formen und Ausdrucksweisen von Kirche stecken, ja schaffen es auch nicht, die damit verbundenen Problemstellungen auszublenden, so geprägt sind wir von diesen (!).

Gerade deswegen lohnt sich das „Graben in die Tiefe“ erst Recht, weil Kirche von Anfang an eine Gemeinschaft derer war, die ihren Anker nicht in dieser Welt ausgeworfen hatten, sondern ins Vertrauen.

Einfach schön! – Und gerade deswegen sind die geistlichen Gedanken – bei allem, was auch nicht behandelt wurde – eine sehr tiefe Gewissens- und Lebens-Erforschung, angetan dazu – und dazu möchte ich ermuntern! – dem entsprechend zu leben.

Wenn Kirche wirklich so gelebt werden würde – wobei es gilt damit bei sich selbst anzufangen – blüht sie unweigerlich.

Hier nun die bibliographischen Daten:
Ermes Ronchi: Die nackten Fragen des Evangeliums,
München-Zürich-Wien: Verlag Neue Stadt 2017,
192 Seiten (€ 19,50)
ISBN 978-3-7346-1112-4

Papst – Päpste…

Rund um das Begräbnis von Kardinal Meisner und die Grußworte von Papst Franziskus und dem emeritierten Bischof von Rom Benedikt XVI. haben Interpretationen, Instrummentalisierungen usw.  die enge gemacht. In der deutschen Tagespost fand such ein Leitartikel zu diesen teilweise horrenden Auswüchsen.