Nicht zu kurz verstehen

Ein Kardinal, der dabei war, hat die diesjährige Ansprache des Papstes anders verstanden als sie medial berichtet wurde. Ehrlich gesagt: auch ich habe mich gewundert, wie eine kleine Passage zum einzig Berichteten gemacht wurde … Es gilt eben sich der Mühe zu unterziehen, zu lesen und zu hören und nicht nur Aufreger zu suchen …
Hier einige links:

Die Botschaft weitersagen

Für die vorweihnachtliche Messe mit dem Akademischen Gymnasium hatte ich folgende Predigt vorbereitet:

  1. Wenn etwas Wichtiges passiert, wird es sofort weitererzählt. Heutzutage geht das dann rasend schnell, mitunter sogar sofort um die ganze Welt. Und deswegen haben viele ja ihr smartphone dabei. – Das war nicht immer so. Vor 444 Jahren, als euer Gymnasium gegründet wurde, war die Nachrichtenübermittlung eine alles andere als einfache und schnelle Sache; auch vor mehr als 2000 Jahren ging es in unserer Welt viel gemächlicher ab. Eben haben wir eine solche Nachrichtenübermittlung gehört: Maria wanderte vom Norden Israels die knapp 150 km nach Judäa hinauf – so jedenfalls habe ich es gegoogelt. Sie wird wohl einige Tage gebraucht haben, um diese Wegstrecke zurückzulegen. Umso größer war dann die Freude, von der wir eben gehört haben: zwei Frauen sind sich begegnet, die ein Kind erwarteten. Die Freude wurde geteilt und war daher „doppelte Freude“, wie das Sprichwort sagt.
  2. Ich möchte Euch ermuntern, die Freude von Weihnachten mitzuteilen. Nutzt dazu alles, was Euch zur Verfügung steht. Denn die Botschaft, dass Jesus Mensch geworden ist, ist auch 444 Jahre nach der Gründung Eures Gymnasiums als Vorläufer der einige Jahre später hier in Graz gegründeten Universität aktuell. Denn: es gibt so vieles, was einem weisgemacht wird, das unbedingt notwendig sei – und wohl einiges davon werdet Ihr unter dem familiären Christbaum finden. Mittendrin aber in dieser Welt mit alledem, was möglich ist, braucht es Orientierung: „Was zählt wirklich? Worauf kann ich wirklich mein Leben bauen?“ Der Glaube an Jesus Christus, und damit der Glaube und das Vertrauen darauf, dass Gott, der Schöpfer der Welt (!) einer von uns geworden ist, Mensch wie du und ich, ist eine solch gewichtige Botschaft, dass sie nicht untergehen soll und darf. Daher: bringt diese Freude möglichst vielen Menschen – denn: oft und oft erlebe ich Erwachsene, die sich zufriedengeben mit dem, was halt täglich so „abgeht“; oft und oft sehe ich auch junge Menschen, die scheinbar schon alles erlebt haben, die eigentlich damit aber auch keine Zukunft mehr für sich sehen; oft und oft begegne ich Menschen, die in all dem, was Leben heute heißt, nicht aus- und ein wissen und daher meinen, dass sie selbst der „Nabel der Welt“ seien und alles sich nach ihnen zu richten hätte; oft und oft meine ich Menschen über den Weg zu rennen, die sich als die besten „von da bis Texas“ verstehen, die coolsten und was weiß ich welche Wörter da heute bei Euch für solche Typen in Gebrauch sind. Und mitten drin unter diesen Menschen – oder im Bild des Christbaums gesprochen: mittendrin unter den vielen Geschenken ein kleines Kind, ein Kind in einer Krippe, wehrlos. Im heutigen Deutsch würde man wohl sagen, ein „looser“. Ja: Gott ist ganz schwach geworden, ein armer Mensch, von Leid geplagt … – und genau damit gibt er Orientierung, Dir und mir. Orientierung, die nottut. Orientierung, die wirklich Halt gibt und „hinter die Fassaden“ des glamour blicken lässt. Orientierung, die eben heißt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Orientierung, die keinen Menschen ausschließt, sondern allen deutlich macht, dass sie sich als geliebte Wesen verstehen dürfen mitten in einer Welt, die sich anschickt, auseinanderzubrechen zwischen Reich und Arm, zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd, zwischen Rassen, Nationen und Religionen.
  3. Ja: bringt den Inhalt dieser Botschaft weiter – auf instagram und facebook, über whatsapp und snapchat, twitter und wie sie alle heißen mögen, diese sogenannten „sozialen Medien“, die eigentlich Menschen zueinander bringen sollten, oft aber auch dazu genutzt werden, um Zäune untereinander aufzubauen. Eure Schule ist eines der ältesten Gymnasien in Österreich: Dort wo Menschen gebildet werden, können sie ihre Würde auch entsprechend leben. Ich wünsche Euch, dass ihr immer mehr erkennt, dass die Botschaft des Kindes von Weihnachten der Grund schlechthin ist für diese Rede von der Würde des Menschen, weil sie von einem Gott spricht, der einer von uns wurde. Alles Gute zum Geburtstag, akademisches Gymnasium! Alles Gute zum Geburtstag, Gott mitten unter uns Menschen!

Gott im Elend …

Wieso Weihnachten ein Fest des Trostes sein kann für Strafgefangene habe ich bei zwei Begegnungen der letzten Tage in der Strafvollzugsanstalt Graz-Jakomini bzw. in Leoben bedacht.

  1. Als Kind war ich froh um jemanden zu wissen, der mich behütete und beschützte, der mir zugesagt hat: „Das wird schon wieder“ [damals mit der ergänzenden scherzhaften Bemerkung: „Bis zum Heiraten wird’s wieder gut!“] wenn ich mir wehgetan hatte und um Hilfe schrie. Ich bin auch heute noch froh um jemanden zu wissen, der vorbehaltlos zu mir steht, der mir – trotz alledem, was aufgelistet werden kann – Barmherzigkeit erweist.  Ich bin wirklich froh darüber, dass ich mit meinen Flausen, mit dem also wie ich bin – mit meinen schönen und weniger schönen Seiten – angenommen werde. Ja, ich bin wirklich froh darum, dass ich zeit meines Lebens um Menschen und Wirklichkeiten wissen durfte, die mich getröstet haben.
  2. Ich trau mir zu sagen: die Botschaft von Weihnachten – nein: die Realität dessen, was wir zu Weihnachten glauben, gibt den Grund an dafür, dass ich mich – trotz allem – angenommen, mich geliebt, und mich so als Mensch erfahren kann und darf. Ich muss mich nicht erst beweisen – ich bin in den Augen Gottes unendlich wertvoll, trotz allem, was ich auf die Soll-Seite meines Lebens schreiben muss. Ja: die Geburt Jesu Christi im Stall in Betlehem, seine ersten Augenblicke als Mensch unter Menschen, in Windeln gewickelt und in einer Krippe, ist tatsächlich die „Trost-Botschaft“, die jede/r von uns nötig hat. Denn: wenn Gott durch seine Menschwerdung sich ganz weit „hinausgelehnt“ hat, aus dem Bereich der Himmel angreifbar in die Erdenzeit gekommen ist, dann gibt es nichts in dieser Welt, das ihm fern ist. Ich kann und darf daher mit allem, was mir begegnet, zur Krippe kommen, um Weihnachten bildlich vor Augen zu haben. Ich kann und darf mein ganzes Leben vor ihn hinlegen: die schönen und die weniger schönen Dinge. Vor IHM kann ich wirklich zu mir selbst stehen.
  3. Weihnachten ist ein großes Fest des Trostes. Diesen wünsche ich jedem und jeder von Ihnen.

Alle können etwas beitragen zur Zukunft der Kirche

Im Advent besuche ich das „Priesterheim“, das Alten- und Pflegeheim unserer Diözese für die Priester. Für die gemeinsame Messfeier hatte ich diese Predigt vorbereitet:

  1. Lassen wir uns doch einmal die Worte des heutigen Tagesgebetes „auf der Zunge zergehen“: „Durch die Geburt deines Sohnes aus der Jungfrau Maria hast du vor der Welt deine Herrlichkeit offenbar gemacht. Lass uns das unfassbare Geheimnis der Menschwerdung in unverfälschtem Glauben bewahren und in liebender Hingabe feiern“. Als Priester dient Ihr diesem Geheimnis tagaus, tagein. Als Getaufte gilt es, die Wirklichkeit des Mensch gewordenen, des „heruntergekommenen“ Gottes (Klaus Hemmerle) ernst zu nehmen und sich immer neu darin zu vertiefen. Denn damit gibt Gott selbst uns einen Weg vor, die wir uns in der Nachfolge wissen. Er bedeutet, nicht zunächst uns zu suchen – wir sind längst gefunden durch die Liebe, die Gott uns erwiesen hat (!), sondern es gilt den Anderen bzw. die Andere zu suchen. In jedem Menschen gilt es das „Gramm Gold“ (sel. Mutter Theresia Scherer) zu entdecken, mit dem wir Gottes Ebenbildlichkeit umschreiben könnten.
  2. Mit anderen Worten ausgedrückt: es geht in der Verkündigung nicht um Selbstbehauptung, um etwas, das wir den Menschen „aufzuzwingen“ hätten. Es geht darum, es Gott gleich zu tun: sich selbst verlieren und auf den Nächsten hin ver-lassen. Im wahrsten Sinn des Wortes: Mit-leben, -leiden, -freuen, -hoffen, -sehnen, -heulen, -lachen, denn „allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten“ (1Kor 9,22). Die Selbstlosigkeit und damit auch die Logik der Liebe – wie sie uns in der Menschwerdung begegnet – gilt es verstärkt und vertieft in unserer Welt zu leben, wie sie sich uns darbietet. Das Zukunftsbild, das ich am Beginn der Feiern zum 800. Geburtstag unserer Diözese veröffentlicht habe, möchte uns anleiten, diese innere Wirklichkeit von Kirche zu leben und damit eine Kirche zu sein, die von der weihnachtlichen Botschaft zuinnerst geprägt ist, eine Kirche die eben „die Ränder“ sucht, eine Kirche die sich nicht damit zufriedengibt einfach in unserer Welt da zu sein, eine Kirche die sich aufmacht aus den Komfortzonen in denen wir es uns eingerichtet haben, eine Kirche die sich wirklich versteht als Gemeinschaft derer, die von Gott in der Nachfolge Jesu Christi geeint sind.
  3. Ich bitte Euch, die Priester hier in unserem Priesterheim, ich bitte Euch, die Bewohnerinnen und Bewohner hier im Annaheim um das Gebet für unsere Diözese und für diesen notwendigen Schritt in der Entwicklung unserer katholischen Kirche in der Steiermark. Denn alle in ihr, Laien und Kleriker, alle Getauften sind dazu berufen, für IHN Zeugnis zu geben, der gekommen ist, zu dienen. Und auf diesen, Seinen Dienst wartet die Welt.