wider einen „wohltemperierten Glauben“

Für die Messfeier am Fest des hl. Stephanus (Lesung: Apg 6,8–10;7,54–60; Evangelium: Mt 10,17–22) hatte ich folgende Predigt vorbereitet:

  1. In unserem Glauben haben wir es uns mitunter gut eingerichtet: wohl temperiert ist er, gefällig und so fort. Feste wie Weihnachten geben dazu das ihrige; auch die Bilder, die wir von unserem Herrn und Meister in uns tragen, passen da ganz gut dazu. Mitunter überkommt mich dann eine große Frage: „Ist das wirklich alles von dem, was wir glauben?“ Dies auch deswegen, weil die Botschaften, die wir verkündet und auch von Christen in der großen Welt immer wieder zu lesen bekommen – so wie heute – eine andere Sprache sprechen. Da wird uns der Tod des Stephanus in Erinnerung gerufen, der ihn ereilt, weil er sich zu Christus bekennt. Da wird davon berichtet, dass unser Herr und Meister uns Verrat, Grausamkeiten usw. als Schicksal voraussagt. Und wenn wir in die weite Welt blicken, müssen wir in vielen Ländern feststellen, dass es Christen tatsächlich so ergeht. – Sind wir hier in Österreich daher etwa im „falschen Film“? Haben wir es uns „(zu) schön eingerichtet“? – Hören wir bei der Botschaft von Weihnachten, die uns verkündet wurde, wirklich auch das „Brutale“ heraus: Flucht, keine Unterkunft, Ablehnung, outlaws der damaligen Zeit wie die Hirten usw. usf.?
  2. Ich möchte am heutigen Tag uns nicht die Weihnachtsfreude verderben, aber dass wir unmittelbar nach dem Fest des ersten Märtyrers gedenken, ist sicher nicht Zufall der Kalendermacher unserer Kirche. Es macht wohl weit eher deutlich, dass Nachfolge ernstgenommenes Christsein bedeutet und nicht bloß Anpassung, dass „ich glaube an Jesus Christus“ eben mehr ist als Kulturchristentum und Wertevermittlung, dass das Bekenntnis zum menschgewordenen Sohn Gottes alles andere als ein einfach so dahingesagtes Wort sein darf. Der heutige Festtag und das Hochfest der Geburt unseres Herrn überhaupt ist Einladung, mich vor der Wirklichkeit Gottes die Frage zu stellen: „Meine ich es ernst mit Taufe und Firmung? Lebe ich ganz ‚für dich‘?“

Gott eine Chance geben

  1. Geben wir es uns doch zu: Es läuft bei weitem nicht immer alles total rund, es gibt Dinge, die wir verhauen, die danebengehen, die einfach ungut sind. Wir würden uns, so denke ich, wohl wirklich „ins Fäustchen“ lügen, wenn wir vorgeben immer gut drauf zu sein, wenn wir meinen, immer alles und bis ins letzte perfekt zu machen usw. Nein: Wir hauen manchmal daneben, wir patzen, wir machen Dinge verkehrt. – Weil wir eben noch nicht am Ziel unseres Lebens sind.
  2. Ich gebe aber auch zu: in der heutigen Welt wird einem das alles andere als leicht gemacht. Denn da und dort gibt es – vermeintliche – Zwänge, denen wir uns zu unterwerfen haben. Ob es der „Kauf-Zwang“ ist vor Weihnachten, ob es der „Zwang“ ist, der uns auferlegt ist oder dem wir uns selbst unterwerfen, immer wieder auf dem neuesten Stand zu sein, wenn es um Mode geht und so. Und ich kann es auch einigermaßen nachvollziehen, dass es gerade für jüngere Menschen, die das ganze Leben mehr oder weniger vor sich haben, mehr und mehr schwer ist/wird, nicht topinformiert zu sein, nicht das neueste vom neuesten zu haben, nicht bei der Ultra-Party dabei gewesen zu sein [oder wie auch immer das von Euch formuliert wird]. Ja: es ist zunehmend schwerer geworden, sich einzugestehen, dass ich in dieser Welt etwas versäume, und deswegen fällt es zunehmend schwer sich zu entscheiden und erst recht zu Entscheidungen zu stehen: Es könnte ja sich was ändern, was dazwischenkommen etc. – Ich hatte schon vor Jahrzehnten eine interessante Erfahrung: es gab da in unvordenklichen Zeiten des Satellitenfernsehens eine TV-Zeitschrift, in der die Sendungen nach dem Kriterium beurteilt wurden, ob man sie unbedingt und auf alle Fälle anschauen müsse. Bei den damals glaube ich rund 10 Programmen, die frei empfangbar waren, gab es an 1 Tag – ich habe mir die Mühe gemacht, die Sendezeiten zusammenzuzählen – 27 Stunden Programm, das unbedingt angeschaut werden müsste. Ich dachte mir: „Ich versäume sowieso etwas, also ist es eigentlich egal, was ich versäume“.
  3. Übertragen auf das, was ich eingangs gesagt habe bedeutet das: angesichts all dessen, wo ich zu kurz greife, gilt es zu „lernen“, wie ich damit umgehen kann und wie dies als Teil meines Lebens aushaltbar ist. In der Lesung des heutigen 3. Adventssonntags ist die Antwort verborgen: „Der König Israels, der HERR, ist in deiner Mitte; du hast kein Unheil mehr zu fürchten“ hat es dort geheißen. Ich möchte Euch diesen Lebensstil ans Herz legen. Er wird Euch hier in diesem Haus ans Herz gelegt und hoffentlich auch ein wenig vorgelebt. Denn – und das ist meine Erkenntnis: ich werde nie und nimmer vollkommen sein, denn ich weiß von mir, dass ich sterben werde, meine Zeit in dieser Welt hat ein Ende. Und alles, was mir nicht gelingt, ist Angeld hierfür. Nun weiß ich aber als Christ darum, dass Gott mit mir ist, dass ich nicht allein bin – diese Botschaft haben wir ja am Ende der Festmesse zum 800. Geburtstag unserer Diözese -zigtausendmal verteilt – und dass er ewig ist. Als einziger kann er das von sich behaupten. Wenn ich also (über-)leben will, dann gilt es, nicht zu meinen, „ich bin’s“ und „ich bin der beste von da bis Texas“, sondern es gilt von sich zu sagen: „Ich bin unendlich wertvoll, weil einzigartig. Ich weiß darüber hinaus, dass ich alles andere als perfekt bin. Ich weiß aber eben auch, dass ich mich nie und nimmer ganz perfekt machen kann, sondern dass es da einen gibt, der mit mir unterwegs ist und alles ‚heil‘ zu machen imstande ist: Gott.“
  4. Ich lade Euch daher ein für Euer Leben und Euer Dasein hier: „Gebt Gott eine Chance! Lasst Ihn immer mehr und deutlicher mitreden in Eurem eigenen Dasein. Denn Er hat uns die Fülle des Daseins verheißen – und der dürfen wir vertrauen.“

Die während der Messfeier am 3. Adventsonntag verkündeten Schriftlesungen im Lesejahr C:
1. Lesung: Zef 3,14–17;
2. Lesung: Phil 4,4–7;
Evangelium: Lk 3,10–18

„Bekleide dich mit dem Schmuck der Herrlichkeit“

Den 2. Adventssonntag habe ich im Bezirkspflegeheim Gleisdorf gefeiert.

1. Ein Haus wie dieses hier ist geprägt von vielen Sorgen, Sorgen des Alters, Sorgen rund um Krankheit, Schmerzen und Leid. Mir scheint, als würde der Prophet Ihnen heute zurufen: „Leg ab [..] das Kleid deiner Trauer und deines Elends und bekleide dich mit dem Schmuck der Herrlichkeit, die Gott dir für immer verleiht!“ Ja tatsächlich: dann nämlich, wenn wir nur auf uns selbst schauen, sind schlechte Werte des Blutbilds, Vergesslichkeit, „nicht mehr so können wie früher“, das Angewiesensein auf Hilfe und Hilfsmittel usw. usf. im Vordergrund. Wenn wir aber trotz allem (!) auf Gott blicken, dann bekleiden wir uns mit dem Schmuck der Herrlichkeit, die uns auf ewig verheißen ist.
2. Wie kann dies gelingen? – Eigentlich ist es ganz einfach und ist genau in der Erfahrung zu finden, die oft und oft nur bejammert wird. Sie erleben sich hier vielfach als Menschen, denen zu helfen ist – ohne andere sind sie gleichsam „aufgeschmissen“. Sie leben damit etwas ganz Besonderes und geben damit ein Zeugnis ab mitten in der Welt. Denn in ihr hat es mitunter den Anschein, dass ohnedies nur mehr das eigene Ich zählt und damit die persönliche Kraft, die eigene Jugendlichkeit, Schönheit und die Perfektion, die uns zueigen sein müsse. In einem solchen Welt- und Selbst-Verständnis fehlt aber etwas ganz und gar Notwendiges und Wesentliches: das Du. Niemand von uns würde leben und hier sein, wenn es nicht andere gegeben hätte, die ihm das Leben geschenkt hätten. Wir sind also nicht Inseln, die alles selbst schaffen. Das geht einfach nicht. Seien Sie also dankbar dafür, dass Sie auf Hilfe vertrauen dürfen! Denn damit machen Sie mir und vielen jungen Menschen in dieser Welt deutlich: Das, was wirklich zählt, ist nicht das eigene Ich, sondern ist die Liebe, die ich anderen erweise und jene, die ich von anderen erfahre. Und damit legen Sie den Schmuck der Herrlichkeit an! Werden Sie nicht müde, dem entsprechend zu leben!

Die Lesungen aus der Heiligen Schrift (Lesejahr C):

1. Lesung: Bar 5,1–9;

2. Lesung: Phil 1,4–6.8–11

Evangelium: Lk 3,1–6

Das Priesterseminar im Dienst am Leben unserer Kirche

Für das „Hausfest“ im Grazer Priesterseminar habe ich folgende Predigt vorbereitet:

1. Ich erinnere mich noch lebendig an eine Aussage eines meiner Vorgänger im Dienst des Bischofs für unsere Diözese: Bischof Johannes äußerte einmal seine Angst vor Journalisten, die mit dem Mikrofon in der Hand in der überfüllten Herrengasse in Graz Menschen, die aus der Kirche kommen, fragen würden, was denn am 8. Dezember gefeiert wird. – Und auch wenn es einfach ist – heute sind es 9 Monate bis zum Fest der Geburt Mariens –, so ist es wohl für viele unserer Zeitgenossen alles andere als einfach, dieses Fest mitten im Advent als das wahrzunehmen, was es ist: in und mit Maria beginnt Gott etwas Neues in der Menschheitsgeschichte. Ein Mensch ist auserwählt und wird berufen von Anfang an, Gott zur Welt zu bringen.

2. Und genau hier bin ich beim Dienst dieses Hauses im Leben von Kirche unserer Diözese: Unser aller Berufung ist es, „Gott zur Welt“ zu bringen, weil wir durch Taufe und Firmung dazu auserwählt und berufen sind. So tragen wir auch in unserem Ehrennamen Christus mit uns. Finden also durch das, was wir tun oder lassen, Menschen Geschmack an Gott? Wem begegnen Sie, wenn sie uns sehen?
Gerade wenn und weil dieses Haus der Ausbildung der Priester dient, und wir in dieser Feier drei Alumnen zu einem besonderen Dienst in unserer Kirche beauftragen, gilt es diese grundlegende Erfahrung christlichen Lebens in Erinnerung zu rufen: das Amt in der Kirche besteht ja genau darin, nicht müde zu werden, die Berufung und Würde der Menschen und der Getauften in Erinnerung zu rufen und in Zeichen zu feiern.
– Deswegen ist das Amt für uns unverzichtbar, auch wenn es mitunter infrage gestellt wird oder aber durch die Art und Weise wie es von einigen ausgeübt wird, verdunkelt wird. Gerade das tut mir persönlich sehr weh und wird wohl bei dem einen oder anderen hier auch die Frage hochkommen lassen: „Was tue ich mir hier an? Ist dieser Weg einher für mich?“

3. Gott hat in Maria etwas Neues begonnen – wir könnten sagen: Dadurch ist die ganze Welt anders geworden! Ich kann mir schon vorstellen – und die Bibel belegt das ja auch – dass diese Realität so manches durcheinander gewirbelt hat an „Üblichem“ damals. Hoffentlich auch heute. Immer dann, wenn Christen sich zur Ruhe setzen und „Beamten“ ähnlich werden, laufen sie Gefahr, der verändernden Kraft des Wortes Gottes, das Mensch geworden ist, kein Vertrauen mehr zu schenken.
In diesem Sinn wünsche ich mir hier in diesem Haus wie überhaupt in unserer Kirche, auch wenn sie mittlerweile 800 Jahre auf dem Buckel trägt, tägliche Aufmerksamkeit und Bereitschaft sich unter das Wort Gottes zu stellen, das jene Kraft in sich trägt, die uns zuinnerst verwandelt. Denn auch unser Herr hat als erstes Wort jenes von der Bekehrung denen in Erinnerung gerufen, die glaubten. Gerade deswegen braucht es immer und immer wieder das Hinhören und sich unter Sein Wort stellen. Auch in einem Haus wie diesem. Damit Er wirken kann. Und Er lädt uns ein, ganz bei den Menschen zu sein, sich mit ihnen gemeinsam unterwegs zu wissen und Ihm vor allem dort zu begegnen, wo Menschen am Rand sind, bedrängt und arm. So Kirche zu leben ist wirklich neue Welt.