Im Voraus erwählt

Am 2. Sonntag nach Weihnachten wurde eine meiner Lieblingsstellen aus dem Neuen Testament in einer der Lesungen der Messfeier verkündet: „Er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen“ (Eph 1,5). Für die Messfeiern in Krakauebene und St. Marein am Neumarkt an diesem Sonntag sind mir in der Vorbereitung folgende Predigtworte eingefallen:
1. „Er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen“ wurde uns u.a. in der 2. Lesung des heutigen Sonntags mit auf den Weg unseres Lebens gegeben. Lassen wir uns den Inhalt dieses Satzes förmlich auf der „Zunge zergehen“, so tiefen Inhalt hat er. Er, der Schöpfer der Welt (!), sieht uns als seine Kinder an, weil es Weihnachten gegeben hat, weil Er selbst ein Mensch wie wir geworden ist. Im Antlitz des zu Betlehem Geborenen erkennt Gott nicht nur Seinen Sohn, sondern auf’s Neue – in Seinem Sohn den Menschen als Sein Ebenbild. Wir alle sind demnach ganz in Gottes Nähe geborgen. Und dies gilt es anzunehmen und zu leben. So schön dieses Wissen ist, so wenig glaube ich mitunter entdecken zu müssen, dass wir wirklich daraus leben, dass wir in Christus Gottes Kinder sind. Woran ich dies festmache? Einige Hinweise:
2. Leben wir wirklich die Leichtigkeit die die Kinder auszeichnet und daher erst Recht Kennzeichen der Kinder des himmli-schen Vaters sein sollte? Leben wir wirklich abgrundtiefes Vertrauen darauf, dass wir in Ihm uns geborgen wissen dürfen, der uns in Christus als seine Töchter und Söhne angenommen hat? – Wie sehr sich doch manche von uns Christen mühen und abrackern, um ja Gott zu gefallen: Schwestern und Brüder! Wir sind längst schon Kinder Gottes! Werfen wir daher unser Leben in die Waagschale des Vertrauens und damit des Glaubens an Seine Liebe! Dies ist recht, dies sei falsch, nur so und nicht anders etc. – das mögen zwar Erziehungsmethoden sein, die uns bekannt sind. Sie aber laufen auch Gefahr, dass wir meinen: wir können und müssen uns den Himmel verdienen, Gottes Zuwendung und Liebe uns erarbeiten usw. – Das ist alles andere als ein „laissez faire“-Stil, alles andere als ein Nichternstnehmen des Anspruchs unseres Glaubens. So zu leben bedeutet ganz und gar sich in das Vertrauen hinein zu verlieren, dass Er da ist, eben nichts, wirklich nichts, auf seine eigenen Fahnen heften und der Gefahr zu erliegen zu meinen, dass ich Gott was vorweisen müsste. Ein solcher Lebensstil ist Glauben bis ins Letzte und erscheint genau deswegen vielen von uns Menschen alles andere als üblich, weil wir zutiefst einer Welt verhaftet sind, in der eben Leistung zählt und dem entsprechend Mensch-sein mehr oder weniger geachtet wird.
3. Leben wir wirklich so wie es Kinder üblicher Weise machen und ahmen wir unsere Eltern, unseren Vater, unser Mutter nach? – Wenn wir als Kinder Gottes uns in Jesus Christus wissen, dann ist unser Dasein eigentlich von nichts Anderem bestimmt als der Nachahmung und damit dem Versuch wie Gott zu leben. Sein Leben aber ist das der Liebe, der Liebe bis ins Letzte. In Christus ist dies offenkundig, mitten unter uns Menschen erfahrbar geworden. – Wie oft mir doch verbissen lebende Christen begegnen, denen alles andere als die sich verschenkende Liebe als erfüllende Lebensform anzusehen ist, die teilweise gepeinigt sich geben, um ja alles recht zu machen und damit eben selbstgerecht sind statt liebend. Liebe nämlich hat das Heil des/der Anderen im Blick: mit dir, mit dir, mit dir weiß ich mich unterwegs, will ich Seine Liebe sichtbar leben und damit Kirche sein. Diese Botschaft ist alles andere als eine beängstigende. Sie ist wahre Freiheit und damit auch wirkliche Freude. Wo wird diese Liebe, diese Barmherzigkeit Gottes durch unser Leben und Agieren als Kin-der Gottes, als Laien und Priester wirklich sicht- und erfahrbar? Viele erlebe ich, die in rechter Absicht meinen, sich ei-nen „gnädigen Gott“ förmlich „erarbeiten“ müssen und dabei ganz vergessen, den Nächsten zu lieben, weil mir in ihm/ihr Er selbst gegenübertritt. – Auch hier: dies ist alles andere als „Christsein light“, ich muss da nämlich nur auf mich schauen und mich selbst immer wieder an der Nase nehmen: „Lebe ich Liebe, die befreit und mich wirklich erfüllt Mensch sein lässt?“
4. „Er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen“: machen wir uns auf, wirklich Christen zu sein!

Lesungsstellen des 2. Sonntags nach Weihnachten, Lesejahr C:
1. Lesung: Sir 24,1–2.8–12
2. Lesung: Eph 1,3–6.15–18
Evangelium: Joh 1,1–18