Mit dem Blick Jesu

Bei der traditionellen Priesterwallfahrt unserer Diözese, die heuer nach St. Veit am Vogau ging, habe ich diese Worte für die Homilie vorbereitet:

Es ist mittlerweile eine liebgewordene Tradition, dass sich Priester aus unserer Diözese am Montag nach dem sogenannten „Gut-Hirten-Sonntag“ auf den Weg einer Wallfahrt machen. Ich danke an dieser Stelle dem im „Jahr der Priester“ 2009/2010 tätigen Priesterrat, der diese Initiative ins Leben gerufen hat. Heuer führt unser Weg in den Süden der Steier-mark. Hier wurde uns eben in Erinnerung gerufen, dass wir zum Leben nur dort kommen, wo wir durch die Tür zum Leben, die Jesus, der Herr ist, eintreten. Und dort (!) – das ist ein Aspekt der für mich sehr interessanten Worte Jesu im Zusammenhang der Rede vom „Guten Hirten“, die im Übrigen mit vielen Bildern spielt – finden sich Schafe und Weide.
Über Jesus kommen wir in rechter Weise zu den Schafen. – Wie viel Überlegungen wir uns doch mittlerweile schon Jahr-zehnte herauf in der Kirche machen, um mit der Botschaft, die unser Leben ist, die Menschen zu erreichen. Der Methoden, die angeboten sind, gibt es viele. In beinahe derselben Stärke wird unter uns immer wieder, aber auch über das „Wegbrechen von Glaubenssubstanz“, von Menschen in der Nachfolge, von Christen, die sich mit uns unterwegs wissen, debattiert, geklagt, mitunter gejammert. Wir kommen aber eben nicht mit den noch so ausgefeiltesten Mitteln noch durch einen rückwärts gewandten Blick der Erinnerung an früher vermeintlich bessere Zeiten zu den Schafen, wir kommen nur durch Jesus zu ihnen.
Legen wir also Seinen Blick an, um den Menschen zu begegnen! Sein Blick ist der des Herzens, also der Barmherzigkeit und damit einer, der in jedem Menschen zunächst und zuallererst das sieht, was ihn befähigt, sich auf den Weg zum Heil, zu Gott zu machen – und die Ausführungen unseres Papstes zum Lebensbereich Familie, die er uns vor einigen Tagen ge-schenkt hat, machen dies erneut deutlich. Dieser Blick Jesu erreicht darüber hinaus auch jene, die weit weg sind, die sich vielleicht versteckt haben angesichts der Schuld, die sie auf sich geladen haben. Und: es ist ein Blick, der allen gilt. Jesus rechnet nicht hoch. – Und über ihn und seinen Blick, seine Art und Weise, dem Menschen zu begegnen, kommen auch wir heute zu ihnen. Daher: lassen wir nicht los davon, Menschen zu begegnen, nutzen wir jede Chance – ob sie uns zu Gesicht stehen oder nicht, ob sie uns bekannt sind oder nicht, ob sie unseren Kriterien entsprechen oder nicht. Nur dann, wenn wir ihnen mit Seinen Augen begegnen, werden wir ihnen gerecht, nur dann (!) können wir, um es im Bild des Evangeliums unserer Wallfahrt zu sagen, wirklich den Schafen begegnen.
Über Jesus gelangen wir zur Weide, die uns Leben in Fülle verspricht. – Die Tür verbindet bekanntlich unterschiedliche Lebensräume; wenn Jesus unsere Tür ist, finden wir auf jeder Seite Nahrung und Weide für unser Leben. – In diesen Wochen bin ich bekanntlich unterwegs, um in brüderlichen Begegnungen mich in den verschiedenen Gegenden unserer Diözese mit den Priestern auszutauschen. Ich nehme dabei Unterschiedliches wahr: wir sind keine Produkte einer Erziehung, die gleichgemacht sind. Jeder von uns ist einmalig. Um einander zu begegnen, braucht es daher auch die Demut und Bescheidenheit, in das Leben des anderen mit dem Blick einzutreten, den Jesus hat. Tun wir das nicht, dürfen wir uns nicht wundern, aneinander vorbei zu gehen, einander nicht zu verstehen oder erliegen gar der Gefahr, voneinander zu lassen, weil wir unterschiedliche Standpunkte und theologische Richtungen vertreten, weil wir selbst aus dieser oder jener Spiritualität leben und daher unterschiedliche Zugänge zum Leben des Priestertums haben usw. usf. – Ähnliches gilt wohl auch für jede Begegnung, die sich mit denen ereignet, zu denen wir gesendet sind. Wir dürfen staunen lernen über die Größe Gottes und damit auch über den Reichtum, der uns in jedem entgegentritt. Es mag schon sein, dass uns die einen oder anderen unter uns oder auch in der Pfarre, in der Gemeinschaft, in der wir unser Dienstamt leben, nicht sonderlich zu Gesicht stehen, doch: es geht nicht um uns und unsere Befindlichkeiten. Es geht darum, jedem und jeder durch die Tür, die ER ist, zu begegnen – und wir werden entdecken: es gibt genug Weide, mehr noch: Leben in Fülle! Und daher ist es auch klar, dass Papst Franziskus in seiner Botschaft zum Weltgebetstag um geistliche Berufungen u.a. davon schreibt, dass jede Berufung eine in der Kirche und eine für die (gesamte) Kirche. Daran zu erinnern ist auch meine Pflicht.
Jesus ist der entscheidende Punkt für unser Dasein als Christ, für unser Leben als Priester. Verzeiht, dass ich so selbst-verständliches uns heute in Erinnerung gerufen habe. In Zeiten, in denen vieles sich rund um uns ändert, ja die Welt ein rasantes Veränderungstempo einschlägt, kann man sich allerdings nicht genug fundamental versichern … Gott segne Euch alle im Bringen des Lebens durch und mit IHM!