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Nachdenkliche erste Zusammenschau afrikanischer Eindrücke

Wenn am vergangenen Sonntag Kanzlerin Merkel bei der Eröffnung des Weltfriedenstreffens der Bewegung „Sant‘ Egidio“ unter anderem davon gesprochen hat, dass Religionsgemeinschaften und Kirchen in erster Linie für humanitäre Lösungen von Problemen einsetzen und damit unersetzliche Partner in der Entwicklungszusammenarbeit für die Politik seien, wobei vor allem für Europa Afrika in den Blick zu nehmen ist (1), dann spricht sie damit eine Wirklichkeit an, die ich nach 2 Wochen „Erfahrung“ im Osten Afrikas eigentlich nur bestätigen kann. Ja: die Kirche/n ist/sind – bei allem, was auch dort zu verbessern ist und in vergangenen Zeiten nicht immer dem Evangelium entsprechend war, heute Anwälte für die Menschen. Und damit ihrer Würde. – Dieses Bild möchte ich mit nach Hause nehmen in unsere Heimat um auch deutlich zu machen: Lassen wir uns auch (!) von den Erfahrungen derer, die sich für das Evangelium in Afrika engagieren, ihre Sichtweisen so mancher Fragestellungen erläutern. Bei weitem nicht immer wissen wir es besser – da klingt eher manchmal noch Vergangenes Umgehen Europas mit dem Rest der Welt durch. Ganz zu schweigen von den wirtschaftlichen Abhängigkeiten etc., in denen die industrialisierte Welt nach wie vor afrikanische Staaten belassen will. So wie Europa eine Seele braucht (J. Delors), so braucht diese auch die Wirklichkeit der einen Welt:         „Angesichts immer globalerer Räume und der Furcht vor Invasionen kommen alte Schrecken von neuem zum Vorschein.“ meinte bei der Eröffnung des Treffens auch der Gründer der Gemeinschaft Sant‘ Egidio Andrea Riccardi (1).

Seit ich erstmals meine Füße auf afrikanischen Boden vor etwas mehr als 2 Wochen gesetzt habe, wird mir dies immer deutlicher: Ja, die Christen und damit die Kirche/n haben ein weltweites Netzwerk von authentischen Berichten, was sich wirklich abspielt vor Ort, um es plakativ auszudrücken. Deren Sichtweise überschneidet sich vielleicht nicht zur Gänze mit dem, was bei uns veröffentlicht wird, trägt aber mit Sicherheit zu einem umfassenderen Blick bei. Und dieser Herausforderung müssen (!) wir uns stellen, um nicht den Algorithmen der sozialen Medien zu verfallen und nur mehr das als „wahr“ zu erklären, was uns durch diese als einzige Realität vorgegaukelt wird, eigentlich aber nichts anderes macht als die eigene Meinung zu bestätigen. Ich jedenfalls habe so manches in meinem Verständnis von Afrika „umbauen“ müssen und verstehe nunmehr den Begriff „Entwicklungszusammenarbeit“ im Unterschied zur bloßen, vielleicht – ohne es zu wollen – von ‚oben herab‘ empfundenen Entwicklungshilfe – besser. Es geht um die Achtung der Würde des Menschen, um Begegnung auf Augenhöhe, um Ernstnehmen eines vielleicht anderen Blickwinkels auf dieselben Fragestellungen, und um alles andere als „Besserwisserei“. Was dient den Menschen wirklich unmittelbarer – und das ist eben mehr als das Ankurbeln der Wirtschaft, so sehr dies auch notwendig ist.

Zugleich habe ich die Entdeckung machen dürfen, wie sehr der Glaube hier das Menschsein vertieft und selbstverständlich ist für das was Entwicklung heißt. Wir in Europa sind oft jene, die das eine vom anderen „säuberlich“ trennen wollen, aber vieles an Hilfestellung kirchlicher Projektpartner in der Entwicklungszusammenarbeit ist nur auf dem Hintergrund gelebter Nachfolge Jesu Christi zu verstehen. Damit Kirche sich von anderen NGOs unterscheidet: aus dem Antrieb des Evangeliums gehen wir so und nicht anders auf die Welt zu, das Evangelium und seine befreiende Botschaft sind es, die uns in jedem/r Nächsten Schwester bzw. Bruder zu sehen lehren – und das kann und darf nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden. Auch deswegen nicht, weil wir bekennen, dass Christus der „vollkommene Mensch“ ist und in IHM sich daher unser Verständnis des Menschen in der Welt wie in einem Brennglas fokussiert. Christus ist eben ganz Gott und (!) ganz Mensch – beides kann nicht einfach auseinanderdividiert werden: das Sezieren würde in die Irre führen. So kann eben auch Menschsein und als Glaubender Mensch sein nicht fein säuberlich in die eine oder andere Waagschale gegeben werden: als Mensch sind wir Christen und haben Christus als Gewand angelegt, wie es in einem alten Hymnus der Taufe wunderschön heißt. Weil wir uns in Christus als Schwestern und Brüder weltweit verstehen sind wir verpflichtet, einander beizustehen, dass Leben und dass eben auch Leben im Glauben möglich ist und frei möglich ist. Die religiöse Dimension in der Entwicklungszusammenarbeit auszublenden würde dem ganzheitlichen Verstehen des Menschen widersprechen. Nur so ist es möglich, dass Kirche hier die größte Hilfeleisterin in Sachen AIDS ist, dass Kirche hier für die Rechte der Menschen unermüdlich in vielen Projekten eintritt und sich engagiert und Netzwerke schafft auch gegen so manche zunehmende politische Verengung. Darüber hinaus muss einfach zur Kenntnis genommen werden – ob es uns im reichen Europa passt oder nicht: mehr als 1,3 Mio. flüchtende Menschen hat derzeit Uganda aus dem Südsudan aufgenommen: alle sind biometrisch erfasst und allen wurde zumindest ein kleines Stück Land zugewiesen, damit sie sich selbst versorgen können – Menschlichkeit, Verbundenheit etc. stehen da unter den Ärmsten der Armen auf der Tagesordnung.

Natürlich habe ich nur einen kleinen Ausschnitt von Afrika in einigen Tagen gesehen. Natürlich verstehe ich nach den beiden Wochen in Uganda und Tanzania die afrikanische Welt nicht zur Gänze. Natürlich weiß ich, dass hier vieles nicht rund läuft. Natürlich habe ich so manches an Fragestellungen mit der Delegation und unseren Gesprächspartnern kritisch beleuchtet. Natürlich können wir als Diözese Graz-Seckau nicht die ganze Welt „retten“. Natürlich wissen wir um so manche Schwierigkeiten in der politischen Entwicklung. Natürlich nimmt die Kirche, wiewohl sie hohes Ansehen genießt in der Person ihrer Verantwortungsträger nicht immer und sofort zu allen Ungerechtigkeiten Stellung. Natürlich … – das Lamento könnte wohl seitenlang fortgesetzt werden. Aber – und diese Geschichte hat der Kuratoriumsvorsitzende des „Welthaus Graz“, Dr. Johann Pfeifer am vergangenen Sonntag beim Fest in Iringa zum besten gegeben: der Kolibri, ein ganz kleiner Vogel, der das Feuer im Busch, vor dem alle anderen Tiere einfach geflüchtet sind, mit Wasser in seinem Schnabel zu löschen versucht und dafür von den anderen einfach ausgelacht wird, meint: „Das, was ich tun kann, das tue ich“. Und deswegen wird mir nach den Erfahrungen der letztjährigen größeren Reise nach Vietnam und Südkorea auch heuer deutlich: die Luft anderer welt-kirchlicher Erfahrungen lässt mich nach meiner Rückkehr deutlich spüren: Die Botschaft des Evangeliums braucht diese Welt – und wir dürfen sie in unserer Heimat Europa als Frohe Botschaft bezeugen! Verlassen wir ruhig unsere Schneckenhäuser, in die wir uns als Katholiken mitunter zu verkriechen scheinen, weil sich halt die Welt und damit in ihr auch das und der Glauben der Menschen ändert: unsere Botschaft ist eine, die zu dem führt, was wir in der religiösen Sprache „Heil“ nennen. Und Heilung braucht so vieles in der Welt, bei uns in der kleinen und auch in der großen unseres gemeinsamen Hauses Erde. Leben wir das Evangelium!

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(1) https://www.kathpress.at/goto/meldung/1543025/merkel-eroeffnete-weltfriedenstreffen-von-santegidio-in-muenster

Uganda und Tansania – eine Art „wordrap“

Zum Abschluss unserer Reise einige „wichtige“ Erkenntnisse – ungeordnet, aber nach dem Alphabet- und in aller Kürze:

  • Armut
    Sie ist tatsächlich vielfach zu sehen. Interessant ist nur, dass auf die Frage, welchen Herausforderungen sich Ordensfrauen in Uganda und Tansania derzeit gegenübersehen, das Gelübde der Armut als erstes benannt wurde. Zum einen, weil durch einen Ordenseintritt eben auch eine gewisse Absicherung gegeben ist und daher der Abstand zu „gelebter Armut“ größer wird, zum anderen aber auch deswegen, weil in der Kultur hier eben auch die Versorgung der Eltern, die für die Kinder obere Pflicht ist, mit der Profess und damit dem Einbringen von allem, was man hat, in die Gemeinschaft, ein anderer Zugang zu leben ist.
  • Bananen
    sind beinahe das, was für uns Erdäpfel bedeuten. (Fast) Kein Essen ohne auf irgendeine Art und Weise zubereitete Kochbananen – und die uns bekannte Art dann auch noch als Nachtisch …
  • fake news
    In sozialen Medien machte während unseres Aufenthalts in Morogoro das Gerücht die Runde, dass der Bischof gestorben sei. Am Morgen danach teilte mir der Generalvikar mit, dass er den ganzen vorangehenden Tag damit beschäftigt war, diese in diversen Medien zu zerstreuen und hierzu sogar eine Zeitlang Rede und Antwort im Radio gestanden war. – Wie sehr sich doch Wirklichkeiten ähneln, dachte ich mir.
  • Gastfreundschaft
    Die Waagen werden zu Hause wohl das eine oder andere Kilogramm mehr anzeigen, so sehr wurde unser da Sein hier aufgenommen. Die Freude (und wohl auch der Stolz) darüber, dass wir uns auch um die kümmern, denen wir – materiell oder sonst wie – helfen, drückte sich durch Festessen aus, auch im entlegensten Winkel.
  • Grün
    Uganda begegnete uns mit Grün in allen möglichen Schattierungen – einfach schön. Doch auch dem Klima geschuldet, das – zumindest in der Gegend, die wir besucht haben – 2 Ernten zulässt und damit vielen Bauern das Einkommen ermöglicht und dieses auch leicht/er. In Tansania hingegen war es – bis auf den Küstenstreifen eher trocken, kein Wunder bereisten wir das Nachbar-Land doch auch zu Beginn der Herbst-Trockenzeit; auch ist die Ernte eher eine einmalige und daher es auch für die Bauern beschwerlicher, sich ihr Ein- und damit auch Auskommen zu sichern.
  • Kinderlachen
    Vielen Kindern sind wir über den Weg gelaufen. Sie konnten gar nicht so arm sein, dass sie nicht – nach erstem scheuen Zögern – einfach gelacht und mit uns Spaß gemacht hätten. Natürlich wissen wir um ihre oft alles andere als rosigen Zukunftsaussichten, doch haben wir auch „gelernt“, dass wir unseren Beitrag zu (Aus-)Bildung leisten müssen, damit ihnen etwa in Arbeit ein wenig Lebensqualität gesichert werden kann. Beten wir, dass die Verantwortungsträger vor Ort und jene in der ganzen Welt immer deutlicher erkennen, dass Menschen ihre Würde auch sichtbar (er)leben können sollen
  • „kitschige Heiligenbilder“
    Auch wenn diese oft nicht unser Geschmack sind, sie bringen eine Gläubigkeit zum Ausdruck, die wohl nicht oberflächlich ist. „Nicht zu glauben“ ist hier einfach undenkbar, wie etwa im Gespräch mit dem Generalvikar von Morogoro deutlich wurde. – Und damit: wie lebe ich, wie leben wir unseren Glauben an Gott, unsere Nachfolge?
  • Korruption
    Ein bekanntes Thema. Erst jüngst wurden die Einkommen der Staatsbediensteten, etwa bei der Polizei, um einiges erhöht, damit mit dem Lohn sich jemand auch wirklich erhalten kann. Während wir Uganda bereisten streikten etwa die Staatsanwälte ob der Arbeitsbedingungen und bekamen von der Regierung Dienstwägen zugeteilt, damit sie in den voneinander weit entfernten und oft nur schwer erreichbaren Orten ihrer Arbeit einigermaßen geordnet nachgehen können. – Das Thema steht daher auch der Tagesordnung. Doch mir scheint, es braucht noch vieles, dass sich hier was ändern dürfte.
  • Mobilfunk
    Wohl eine der wirklich segensreichen Entwicklungen, da beinahe jeder Ort zumindest mit einem Mobilfunkbetreiber erreichbar ist. Daher ergeben sich Chancen der Kommunikation, gerade wenn man „offroad“ zu Hause ist …
  • Moskitonetz
    Jedes Bett hat es. Damit ein ruhiger Schlaf möglich ist. – Tagsüber dann die offen getragene Haut mit Mückenspray einreiben usw. usf. Vorsichtsmaßnahmen, die bekannt sind und vor dem Stich der Moskitos und damit ggf. der Malaria zu schützen. Ungewohnt, aber zweckdienlich. Und irgendwann einmal tauchte die Frage auf, ob es nicht durch den Klimawandel auch bei uns angesichts der Temperaturänderungen notwendig sein wird?
  • Musik
    Das Leben ist eigentlich leise, aber sobald Musik gemacht wird, ist es zu laut und meist noch übersteuert. Und das dann die ganze Nacht hindurch. Wenn dann auch noch vor dem Fenster das Schaf, das der Bischof geschenkt erhalten hat, mit den dort lebenden Hühnern und Hähnen um die Wette gackert und auch die Truthähne ihren Senf dazu geben, ist es – zumindest bei einigen Mitreisenden – um die Nachtruhe geschehen.
  • „pole pole“
    suaheli für „langsam, langsam“ – tatsächlich wird europäische Geduld ganz kräftig auf die Probe gestellt. Und dennoch tut uns diese „Entschleunigung“ gut, denn damit wird auch Wichtiges vom weniger Bedeutsamen getrennt.
  • Polizei
    Alle paar Kilometer an den Durchzugsstraßen in Tansania: Polizeikontrollen, mitunter hegen wir den Verdacht, dass der Staat sich damit ein Mehr an Zusatzeinnahmen sichert. Unsere Tansania-Expertin meinte: „Ich war froh, dass Kontrollen eingeführt wurden, weil dadurch der Raserei auf den Straßen Einhalt geboten wurde. Doch nunmehr wird scheinbar grundlos kontrolliert – und in den meisten Fällen wird sicher irgendetwas Fehlerhaftes gefunden, damit man etwas – gegen einen Beleg [um der Korruption vorzubeugen] – zu bezahlen hat.
  • Sauberkeit
    Die Gewohnheiten sind nicht nur bei uns unterschiedlich. Wird in manchen Ländern Afrikas derzeit ein „Plastik-Sackerl-Verbot“ debattiert oder sogar umgesetzt [da hinken so manche Länder Europas den afrikanischen hinterher], so hat Uganda im Ländervergleich eindeutig die Nase vorn in punkto Sauberkeit – so jedenfalls unser Eindruck – und dennoch: mitunter ist es in Italien ähnlich wie in Tansania …
  • Schweiß und Kälte passen eigentlich nicht zusammen. Und dennoch: beides ist hier zu haben. In Dar es Salaam haben wir trotz der kühlen ca. 30° einige mit Pullover gesehen, während mir etwa am letzten Morgen schon beim Aufstehen aus dem Bett der Schweiß herabtropfte – Tropennächte sind hier eben Alltag. Und jetzt wird es richtig warm! In Iringa hingegen auf ca. 1600 m Seehöhe taten wir gut daran, am Abend nicht ohne Jacke oder Pullover hinauszugehen, kühlte es doch in der Nacht auf knapp über 10° ab – und dort kommt jetzt die Trockenzeit, in der es auch vorkommen kann, dass einige Monate lang keine Wolke am Himmel zu sehen ist. 
  • Straßenschwellen
    Auch die hier sogenannten „highways“ werden immer wieder durch verschiedene Arten von Schwellen unterbrochen, vor allem wenn es Schulen in der Nähe gibt, man sich einem Fußgängerübergang nähert u.s.f. Gewöhnen kann man sich eigentlich nicht daran – Massagen sind aber daher nach einer Autofahrt nicht notwendig, vor allem weil die Logik dieser Maßnahme, die die Geschwindigkeit der Gefährte zumindest kurzzeitig verringert, nicht erklärbar scheint. Und Gebete sind nötig – und zwar dafür, dass der Fahrer die Höhe und damit auch die „Gefährlichkeit“ derselben immer rechtzeitig erkennt und das Tempo nicht über Gebühr verlangsamt …
  • Verkehr
    Ich verstehe zwar unseren Chauffeur nicht, aber auf der Fahrt nach Iringa habe ich mehreres bemerkt: da helfen sich die Verkehrsteilnehmer untereinander, denn die Bilder von „highways“ die wir in uns tragen, halten der Realität in Tansania nicht stand: meist nur zweispurig, relativ hochprozentige Steigungen bzw. Abfahrten [mitunter dann auf drei Spuren in diesem Fall erweitert]. Es wird vom Fahrzeug vor einem links geblinkt, wenn überholt werden kann [Linksverkehr!], rechts wenn es nicht geht; Bussen, die entgegenkommen, wird auf ein gewisses Lichtzeichen, das sie absetzen, mal auch mit Handbewegungen verdeutlicht, was auf sie wartet; der Scherlastverkehr, der mitunter auf den „highways“ das Vorankommen mit mehr als 60 km/h sehr mühsam macht, macht bei diesem Zeugnis des „aufeinander Achtnehmens“ ebenso mit wie Motorradfahrer oder die „Dreirad-Taxis“. Und: alles wird einer besonderen Pflege unterzogen. Immer wieder sehen wir am Straßenrand Menschen, die ihr Fahrzeug gründlich reinigen – angesichts des oft sehr staubigen Untergrunds eigentlich nicht sinnvoll, denke ich mir oft …
  • visitor’s book
    Eine Einrichtung, um die niemand – so scheint es – herumkommt. Uns jedenfalls ist es so ergangen. Kaum aus dem Auto gestiegen hieß es in einem Vorraum des Hauses zu gehen und seinen Besuch durch einen Eintrag zu dokumentieren, wobei es Unterschiede in den Spalten, mal mit, mal ohne Adresse und Telefonnummer etc. gibt.
    Nebenbei: in Uganda ist dies auch wichtig, doch nicht ganz so prioritär.
  • Wasser
    Wie sehr wir uns doch glücklich schätzen können genügend Wasser und das in Trinkwasserqualität zu haben. Oft kam das flüssige Gut hier nur tröpfchenweise aus der Dusche oder wurden Schüsseln und Kübel für’s Waschen bereitgestellt; ganz abgesehen davon dass es auch galt, die Zähne – aus Sicherheitsgründen – mit abgepacktem Trinkwasser zu putzen, so wurde uns dennoch bewusst, welche Mühen es bereiten kann, Wasser zu bekommen, von Trinkwasser eigentlich gar keine Rede: in Kanistern, vielleicht an einer einige Kilometer entfernte Wasserstelle geholt, mehrmals täglich, auf dem Kopf oder aber auf Rädern und Mopeds nach Hause in die Hütten oder die aus Lehm, aus mit nicht gebrannten oder gebrannten Ziegeln gebauten Häuschen mit Stroh oder Wellblech („Reichtum“!), wird es außerhalb der Städte in die Haushalte der Familien transportiert.

„Wie weit ist es?“ – afrikanische Erfahrungen im Umgang mit Zeit und Raum

Wenn man hier fragt, wie weit es denn sei bis wir an dem Ort angekommen sind, zu dem wir wollen, ist die Antwort keine Zahlenangabe in Kilometern, sondern eine Zeitangabe, die dann obendrein meist zu  kurz gegriffen ist. Als wir mit fr. Paul zu seiner Mutter aufbrachen, stand in unserem Programm: 15:00 Uhr Abfahrt, 19:30 nach der Heimkehr Abendessen. Tatsächlich fuhren wir um 15:30 ab und kamen bei seiner Mutter im Osten, nahe der Grenze zu Kenia knapp vor Sonnenuntergang gegen 18:30 an. Aus dem Abendessen wurde nichts … Auch als wir – gut mehr als 1 Stunde „offroad“ – zur Krankenstation Iteragwe unterwegs waren, war eigentlich eine Fahrt von 2 Stunden angesagt, 3 sind’s geworden und unser – europäischer – Zeitplan kam reichlich durcheinander.

Zwei Aspekte wurden mir dabei deutlich: Zum einen versucht die Zeitangabe die Unterschiedlichkeit der Straßenverhältnisse ernst zu nehmen – wobei bei nicht geteerten Straßen von Fahrzeugen mit Allradantrieb ausgegangen wird, denn oft ist – bis auf die Durchzugsstraßen – nach der Stadtausfahrt „Schluss mit Asphalt“. Ein interessanter Zugang zur Wirklichkeit: Zeit ist wichtig. Und dann genügt oft schon ein Augenblick, um einander Würde erfahren zu lassen, so etwa als wir buchstäblich auf der Durchreise noch schnell das neue Wasserprojekt der KMB – „Sei so frei-„Aktion in Mzinge anschauen, das eigentlich tags zuvor für einige Stunden auf dem Programm stand. fr. Emile war sichtlich stolz, dass der Bischof von Graz – auch aufgrund von persönlicher Bekanntschaft mit Bischof Johann Weber und so manchem Pfarrer in der Steiermark – persönlich vorbeikam um sich vom Fortschritt der Brunnengrabung zu überzeugen.
Zum anderen wird damit auch auf eine bestimmte Art und Weise das deutlich, was im Sprichwort „Die Europäer haben die Uhr, die Afrikaner die Zeit“ zum Ausdruck gebracht wird. fr. Paul hat insgesamt 10 „Jobs“ und hatte dennoch 5 Tage lang eigentlich „nur“ Zeit für uns. Die Beanspruchungen sind freilich andere als bei uns – und dennoch: den Augenblick zu leben als das Einzige an Zeit, das ich wirklich in der Hand habe, wird deutlich vorgelebt – und damit auch eine Lebenswirklichkeit, die uns vielleicht schon abhandengekommen zu sein scheint (?): Vertrauen darauf, dass es Einen gibt, der als einziger wirklich „Herr der Zeit“ ist. Auch wenn wir so durch Dörfer gefahren sind: alles andere als Hektik – außer jener Betriebsamkeit, die sich einfach deswegen ergeben hat, weil ein Bischof aus dem fernen Europa sie persönlich besuchen gekommen ist und daher das Beste aufgeboten werden musste. Natürlich stecken da auch wohl ganz andere Fragestellungen und Problematiken wie etwa die der Arbeitslosigkeit und der demographischen Entwicklung dahinter. Doch die ganze Aufmerksamkeit für das Jetzt zu investieren sollte auch ich mir in meinem Dienst mehr und mehr „hinter die Ohren“ schreiben. Es gilt eben, auf Afrika nicht „gönnerisch“ und „europäisch“ zu schauen, sondern mit afrikanischen Augen.

Schließlich noch ein abschließendes Wort, das mir in diesem Zusammenhang kommt: es gilt mit dem zu arbeiten, zu handeln und zu wirtschaften, das da ist. Manches an dem, was wir – etwa an Gesundheitseinrichtungen – besucht haben – ist jenseits dessen angesiedelt, was wir in Europa Menschen zumuten würden. Und dennoch: das, was da ist, wird eingesetzt – es wird nicht auf die hier (noch) nicht möglichen Therapien geschaut und dieser Zustand bejammert, sondern mit Hausverstand, mit dem, was uns möglich ist, das Beste gemacht. Und auch wenn es in der „dispensary station“ weit abseits jeden üblichen Verkehrswegs nur 1 Antibiotikum gibt – es reicht wohl für vieles, das „an der Welt Ende“ an Krankheiten auftritt. Und es mutet gerade angesichts dieser Erfahrung seltsam an: kurz haben wir mal im (Internet-)Radio unsere heimischen Nachrichten gehört, in denen eine neue Behandlungsmethode für Krebs mit Gentherapie vorgestellt wurde – wir waren gerade auf dem Weg, mitten in Afrika, wo es vielfach an den für uns grundlegenden medizinischen Therapien fehlt. Die Schere zwischen Nord und Süd und damit auch die vielfach belastete Geschichte, auch der Kolonialzeit, die durch so manche Lebensart – auch hier in Afrika – nach wie vor nicht überwunden zu sein scheint, blitzten in dieser Erfahrung kurz mal auf.

Andere Blickwinkel einnehmen

Als wir am Flughafen von Entebbe auf den Weiterflug über Narobi nach Daressalam warteten, ist uns durch mehrere UN-Flugzeuge vieles auch von der schwierigen Seite Afrikas blitzlichtartig aufgestrahlt: Uganda ist ja ein Stützpunkt für die Hilfe des Sudsüdan und überhaupt für (Zentral-Afrika). Hunger, Not, Armut, kriegerische Auseinandersetzungen und die damit verbundenen vorangegangenen Waffenlieferungen, Korruption, Menschenrechtsverletzungen, politische Instabilität, demographische Entwicklungen, Kinder- und Müttersterblichkeit, Anfragen an Religionsfreiheit und damit zusammenhängende Fragestellungen (1), Pressefreiheit, Stammesfehden, schlechtes wirtschaftliches Vorankommen, Engagement von China, Indien und anderen Ländern (2) – mit der Erwartung von Gegenleistungen, nicht oder zu wenig wahrgenommene oder zu ‚konservative‘ kirchliche Stellungnahmen (3), Machtmissbrauch von (politischen) Verantwortungsträgern und vieles andere mehr quälen dieses Land seit vielen Jahrzehnten. Wohl auch deswegen entsteht der Eindruck, den viele von uns über Afrika haben. Ich muss nach einigen Tagen hier sagen: das ist alles wahr – und.
Ich muss aber auch sagen, dass dies eben nur ein Teil des Gesamteindrucks ist. Vieles hängt ja davon ab, aus welchem Blickwinkel wir die ganze Wirklichkeit anschauen. Und da gibt es eben auch all das, was ich in den vergangenen blog-Einträgen niederzuschreiben versucht habe. Und das zählt, hoffentlich, auch. Ja – und noch einmal: in Afrika muss noch viel geschehen. Kein Zweifel. Aber an alles bloß mit der Brille des Zuschauers heranzugehen taugt noch, noch dazu wo einfach auch gesagt werden muss, dass vieles an diesen Zuständen aufgrund der Geschichte – früher und heute – die sogenannte „entwickelte Welt“ mit verursacht hat: Kolonialismus, Grenzziehung zwischen Staaten die nicht auf Stammesgebiete Rücksickt nahm, wirtschaftliche Abhängigkeiten, Klimawandel und und und … Wir können und dürfen nicht nur zuschauen! Wir haben die Menschen hier (endlich!) ernst zu nehmen und ihnen jene Würde zu geben, die jede/r von ihnen verdient. Kirchliche Entwicklungszusammenarbeit habe ich hier in diesen Tagen vielleicht als „Tropfen auf den heißen Stein“ erfahren, der mitunter auch einer Sisyphos-Arbeit ähnelt, ist aber – so sie nicht geprägt ist von einer bloßen (überheblichen) Geber-Mentalität – eigentlich selbstverständlich, etwa wenn und weil wir die Vorteile der einen Welt tagaus, -ein auch in unseren Einkaufstaschen genießen. Stehen wir dazu, dass wir in einer Welt leben und picken wir uns nicht „nur“ das heraus, was uns zu unserem eigenen (wirtschaftlichen) Vorteil gereicht. Es gibt eben keine einfachen Antworten, weil wir weltweit vernetzt sind (dieses Medium, über das Sie eben diese Zeilen lesen, ist ein sehr gutes Beispiel dafür) und das macht alles komplex.

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(1) Als wir in Daressalam eine erste Begegnung im kleinen Kreis hatten wusste etwa ein Gesprächsteilnehmer davon zu berichten, dass vor einigen Jahren einige Priester mit Säure auf offener Straße attackiert wurden.
(2) Sichtbar etwa in der neu entstehenden Autobahn zwischen (Jinja,) Kampala und Entebbe, die von der CCCC (China Comunications Construction) gebaut wird, und auf der schon während der Bauarbeiten die Autos fahren und auch Maut eingehoben wird …
(3) Auch da liegt zumindest teilweise europäische Sichtweise vor: katholische Kirche bildet eben nicht die große Mehrheit, zumeist nicht einmal die Mehrheit in der Bevölkerung [in Uganda etwa 1/3, wobei Christen die klare Mehrheit sind]. Für wen also „röm.-kath. Kirche“ spricht wird unterschiedlich wahrgenommen in der Öffentlichkeit und es ist auch nicht so, dass die Kirchen immer mit einer Zunge sprechen …

Einander WIRKLICH begegnen

Einander begegnen – so jedenfalls haben wir unsere Reise nach Afrika vor mehr als 1 Woche begonnen. Und das bedeutet eben auch: einander jene Würde zubilligen, die uns als Menschen zusteht. „Auf Augenhöhe“ einander begegnen also. Ich merke bei mir allerdings immer wieder die Versuchung, mein Denken anderen „überzustülpen“ – und diese haben dann in derselben Art und Weise mein Denken ernstzunehmen. Das geschieht recht rasch. Im Kleinen des Alltags genauso wie im Gestalten der großen Welt. Ein Beispiel gefällig? Ich mache hier ganz andere Erfahrungen von Kirche als wir sie zu Hause (er)leben. Soweit so gut. Was ich aber auch entdecke: Ich kann das Erlebte (und damit Strukuturen, …) eben nicht einfach in unseren Kontext kopieren. Die Grundlinien sind aufzudecken und diese dann „neu“ in unsere „Welt“ zu übersetzen. Und die heißen: Taufe ernstnehmen und das Amt ernst nehmen (vgl. mein Eintrag von vor 2 Tagen). Es wäre also verfänglich und gänzlich verkehrt, zu meinen, wenn ich hier Pfarren mit 80 Außenstationen („Kirchorte“) gesehen habe und Priester, die in diesen Erfahrungen sehr „relaxed“ wirken, zu meinen, das ginge auch in der Steiermark. Nein, ist auch nicht anzustreben. Es gilt aber – und das muss ich mir selbst einhämmern – die Bilder und Erfahrungen, die mein Denken von Kirche prägen, mal hintan zu stellen, sie auf die Seite zu legen, weil es eben auch (ganz) anders geht.

Ein zweiter Gedanke ist mir in diesem Zusammenhang auch immer wieder gekommen: Wenn ich die Menschen wirklich ernst nehme, dann bestimmen sie das Tempo, wiewohl die Richtung klar – auch wir haben authentische Nachfolge, Christsein im Heute erst durch viele Irrungen und Wirrungen der Geschichte „gelernt“. Fragestellungen, die uns wichtig sind, müssen in anderen Kontexten, in anderen Gesellschaften, in anderen Kulturen – derzeit – alles andere als wichtig sein. So leid mir das auch tun mag, weil dies oder jenes eben für mich wichtig ist: nicht alles, was uns Europäern derzeit bedeutsam erscheint muss daher der ganzen Welt bedeutsam sein, so wie es auch umgekehrt für afrikanisches Denken gilt. Ob es mir passt oder nicht: ich kann nicht mein, ich kann nicht „europäisches“ Denken anderen überstülpen – die Geschichte müsste uns dies ohnedies deutlich lehren. Es geht eigentlich nur über wirklichen Dialog: ich nehme mich an in meiner Identität und Einmaligkeit [ich bin mir nicht immer sicher, ob wir als europäische Katholiken wirklich um die Schönheit unseres Glaubens wissen und diese dann auch denken und leben] und nehme dich an in der deinen. Da wir beide von IHM beseelt sind, wir haben ja Christus in der Taufe als Gewand angelegt (!), begegnen wir dann einander in IHM und nicht mehr „überheblich“ oder unterwürfig, weil wir IHN ins Spiel des Denkens, Redens und Glaubens einbringen. Das bedarf meinerseits einen – ich habe dies eingangs erwähnt – gehörigen Mentalitätswandel: Nicht ich, aber auch nicht du, bist der Wichtigste, nein ER lässt uns wirklich als Brüder und Schwestern erleben, ER ist der Kommunikator, Er stiftet communio. – Wie weit doch ich von einem wirklich so gelebten Dasein noch entfernt bin. Ich möchte jedenfalls meinen Beitrag dazu leisten, dass wir – ob im Dialog mit der afrikanischen Kirche oder auch intern bei uns, ob im Dialog der Ökumene oder auch mit Menschen anderen Glaubens oder Weltanschauung diesen Mentalitätswandel (ein Wort, das mir zugesagt wird, ist schon eingeprägt in so manches interne Gespräch unter Kirchenverantwortlichen und sei hier angeführt: „Perspektivenwechsel“) zum Wohle aller (!) anpacken.

„Aggiornamento“ meinte seinerzeit Johannes XXIII. Und wirklich: „Was willst du, Gott, mir, durch die Erfahrung, in die ich in diesen Tagen eintauchen durfte, für mich und die Kirche in unseren Breiten sagen?“

„Pfarre“ in Afrika …

Gott sei Dank haben wir einige Tage an einem Ort in der Diözese Jinja verbracht und damit auch ein wenig mehr Einblick gewinnen können in den Alltag einer von wohl vielen Pfarren Afrikas. Die Diözese ist zwar noch halb so groß wie Graz-Seckau, hat aber annähernd so viele Katholiken und ist in 21 Pfarren gegliedert; hier kommen auf 1 Priester über 7.000 Katholiken, bei uns sind es knapp 2.000. Ich weiß: die statistischen Zahlen sind das Eine und die Geschichte/n unserer Diözesen sind nicht zu vergleichen.

Und dennoch muss (!) ich ganz einfach zwei Wahrnehmungen hier niederschreiben, die mir schon zu denken geben.

Da ist zum einen die der Katecheten: Laien, die verantwortlich sind für das kirchliche Leben in einem Dorf, an einem „Kirchort“ – um einen uns entsprechenden Begriff zu gebrauchen. Sie organisieren die Taufvorbereitung, die Gebetsgottesdienste, leiten an zu den „Kleinen christlichen Gemeinschaften“, etc. etc. und sind wohl in so manchem auch Anlaufstelle für ganz biedere Fragen der Lebensgestaltung. Hier lebt Kirche, hier wird deutlich spürbar und auch gelebt, wozu es das Amt in der Kirche braucht und was eben von allen Getauften sozusagen „in die Hand genommen werden kann und muss“. Klar ist: wir gehören alle zusammen und sind 1 Pfarre, „We are proud to be a member of Kagoma parish“ habe ich in verschiedenen Variationen mehrmals beim großen Fest am Sonntag vernommen. Ja: es braucht das Amt. Und wir müssen viel beten und tun [ansprechen, Wege weisen usw.], damit dies auch bei uns gelebt wird. Und (!): es braucht jene, die im Wissen um die Würde der Taufe sich mit anderen zusammentun, um das was möglich ist mit anderen gemeinsam in der Nachfolge Jesu Christi zu leben und die auch erkennen, wann die Feier eines Sakramentes angebracht ist [beim großen „Pfarrfest“ in Kagoma, bei den beiden Tauffeiern wurde dies u.a. dadurch deutlich, dass sich die Katechisten um die rechte Ordnung derer in der Feier mühten, die ein Sakrament empfangen] und dies dann gleichsam dem Amtsträger mitteilen. Einige unter denen, die aus Taufe und Firmung, in „small christian communities“, in der (Aus-)Bildung usw. tätig sind, machen durch Beauftragung deutlich, dass dies nicht privates Vergnügen ist, sondern im Auftrag der Kirche geschieht. Wobei ganz deutlich gesagt werden muss, dass es beides braucht und nicht das Eine gegen das Andere ausgespielt werden kann und darf, wie es leider immer wieder in unseren Breiten geschieht: wir brauchen Amtsträger und (!) wir brauchen Getaufte, die miteinander kirchliches Leben gestalten. So wird die Sakramentalität unserer Kirche „sichergestellt“. Im brüderlichen Gespräch machte auch der Bischof von Jinja, Charles, auf die rechte Balance die notwendig ist, aufmerksam.

 

Und darüber hinaus: auch wenn es über 70 oder ein paar weniger Außenstationen („Kirchorte“) sind, die in 1 Pfarre hier keine Seltenheit sind – nicht zuletzt deswegen werden wohl im kommenden Jahr 2 weitere Pfarren gegründet werden: die Herausforderungen werden meiner Ansicht nach anders angegangen. Natürlich: auch die Mittel dies zu tun sind andere. Und dennoch: katholische Kirche lebt und ist lebendig, trägt überdies viel bei zur Entwicklung des ganzen Landes (vgl. meinen Eintrag von vor 2 Tagen) bei. Und beim großen „Pfarrfest“ in Kagoma (vor 30 Jahren wurde die Pfarre gegründet, vor 50 die Diözese) wurde dies auf verschiedene Art und Weise deutlich: da war das Miteinander der Priester sichtbar: spätestens nach Ende der großen Liturgie (ca. 3 1/2 Stunden, 29 Brautpaare, Wiederaufnahmen in die Sakramentengemeinschaft, Erneuerung des Eheversprechens zweier Paare) waren mehrere hier in den vergangenen Jahren aktive Priester anwesend; die verschiedenen „Außenstationsbezirke“ waren fein säuberlich sichtbar am Festgelände aufgereiht [20 Zelte, die der Diözese gehören und für solche Aktivitäten im vergangenen Jahr angeschafft worden sind, á 100 Stühle, reichten nicht aus, um die Mitfeiernden zu fassen] und machten deutlich: wir sind Kirche vor Ort und sind gemeinsam Pfarre – und darauf stolz!

Nachdenklich in Afrika

Afrika ist eine andere Welt. Hier nahe des Äquators in Uganda erleben wir große Herzlichkeit: „An uns Menschen und Christen gibt es Interesse!“ Die Würde, die jedem als Kind Gottes zusteht, gilt es ernst zu nehmen. In den Begegnungen und dem Austausch viel Ehrlichkeit:
• die Unterschiede der einzelnen Diözesen in Uganda werden benannt: Sie sind erheblich, angefangen vom Bevölkerungsanteil der Katholiken bis hin zum Geld;
• was denn wirklich notwendig erscheint – und spontan kommt aus den Worten unseres Freundes und des Bischofs, einem früheren Lehrer: „Bildung“ und die dafür notwendige Infrastruktur (beschult werden die meisten Kinder, doch oft fehlt es an Tischen, Bänken, der Möglichkeit für Mahlzeiten usw.);
• die spezielle Situation von Jinja mit einem relativ großen Muslimen-Anteil und großen Pfarren (bei knapp 800.000 Katholiken [weniger als 25% der Gesamtbevölkerung] 21 Pfarren) sowie der Koexistenz mit Christen anderer Konfession
• strategischen Überlegungen, die etwa zur Installierung des diözesanen „medical support centers“ geführt haben – eine hervorragende Idee, um die Leistungen der verschiedenen kirchlichen Krankeneinrichtungen in der Diözese zu koordinieren
• Weitblick des Bischofs, der einfach mal versucht und initiiert und nicht wartet bis alles genauestens durchdacht ist: „Ist es von Gott wird es sich durchsetzen – und dann werden auch die nötigen finanziellen Mittel vorhanden sein
• Identität und Vielfalt: mit dem Beschluss der Diözesansynode Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde deutlich, wie wichtig es ist, dass die Menschen ihre eigenen Sprache lesen und schreiben können, damit sie auch über ihre (Menschen-)Rechte erfahren können – das Busonga Culturl Research Center ist seit 20 Jahren (wir besuchten es am Tag nach dem runden Geburtstag!) – unterstützt von kirchlichen Hilfswerken wie etwa der Dreikönigsaktion – ein einmaliger und einzigartiger Ort, wo dies in verschiedenen Initiativen und Stadt und Land einzubringen versucht wird … Nur dann, wenn ich wirklich weiß, wer ich bin, kann ich auch in Dialog treten – und dazu gehört dies wesentlich dazu. Noch mit großer Emotionalität erinnere ich mich an eine alte gebrechliche Frau, die das Zeugnis für den Alphabetisierungskurs erhalten hat und als Dank dafür mir auf den Knien 1 Ei geschenkt hat
• hohe Arbeitslosigkeit und damit – zumindest was Erwerbsarbeit anlangt – eigentlich schlechte Aussichten – und dennoch Menschen und Kinder voller Hoffnung …
• ein Gesundheitssystem, in dem alles ob fehlender Versicherungen selbst zu bezahlen ist, und dennoch – nach einem Blick unseren mitreisenden Arztes in den Operationssaal eines gut eingerichteten kirchlichen Bezirksspitals: es fehlt an so vielem
• Bildung, Bildung, Bildung: wohin man schaut und kommt und fragt wird dies einem mitgeteilt und darauf aufmerksam gemacht, denn – gute – (Aus-)Bildung und damit die Ermöglichung an Entscheidungsprozessen teilzuhaben, ist notwendig, weil es auch langfristig große Fragen und Herausforderungen der Demographie mit lösen hilft – und immer und immer wieder kirchliche, christliche Schulen, Schulen von Religionsgemeinschaften, gänzlich privat oder in Zusammenarbeit mit der Regierung
• …
Und oft und oft kriecht die Frage in mir hoch: „Wenn ich auf meine Heimat schaue, so schön sie ist, und sie sehr ich sie schätze: das Umgehen mit Herausforderungen ist hier – scheinbar – ein anderes, unsere Sichtweise auf die Welt ist nicht die einzige und erst Recht nicht die allein selig Machende, und auch: angesichts dessen, was uns hier begegnet geht es uns einfach sehr sehr gut. Ohne Punkt und Beistrich. Aber auch: es gilt, dies nicht aufs Spiel zu setzen! Wenn ich mir nämlich da so manches am gegenseitigen Umgang – real und virtuell – ehrlich anschaue und mir zu Gemüte führe, verstehe ich die Welt wirklich nicht mehr …

In der Schöpfung

Ein besonderer 1. September: Messfeier im Freien, in Gottes Natur. Über 50 Täuflinge aus der großen Pfarre Kagoma in der Diözese Jinja in Uganda. Ein großartiges Fest des Glaubens, dessen „unterhaltsamer Teil“ nach der 2-Stunden-Feier im wahrsten Sinn des Wortes ins Wasser des Zenitalregens hier in der Regenzeit gefallen ist. Wieder einmal ist mir deutlich geworden: uns allen (!) ist diese eine Welt anvertraut.

Ja – und das hat ja auch Papst Franziskus mit seiner Enzyklika „Laudato sì“ deutlich gemacht, die weit mehr ist als „bloß“ ein Lehrschreiben zur Ökologie, sie ist sein Zugang zur Soziallehre: es gilt, weil die Welt uns aufgegeben ist, immer mehr zueinander zu finden. Das ist notwendig heute: Völker der einen Erde gehören einfach zusammen – wie sehr sich doch Menschen darüber freuen, wenn sie sich geliebt, angenommen und damit in ihrer Würde erfahren. Täglich spricht dies in den Begegnungen hier in Afrika aus vielen Augen. Wenn ich dann so denke, wie Menschen miteinander privat und/oder öffentlich, real und/oder virtuell miteinander umgehen, dann kommt mir diese Enzyklika immer wieder in den Sinn: „Lasst nicht voneinander, lasst euch aufeinander ein und geht miteinander weiter!“ Daran führt kein Weg vorbei: gegenseitige Vorhaltungen, gegenseitiges „sich überlegen“ fühlen führt auch heute auseinander und hat in den vergangenen Jahrhunderten zu so mancher Auseinandersetzung geführt, zu so manchem Hochmut dessen Folgen wir auch heute noch in der einen oder anderen Angelegenheit in der Welt vorfinden.

Ja: Papst Franziskus hat Recht: die eine Welt bedeutet ernstnehmen, dass wir eine Menschheit sind. Lernen wir das immer mehr!

Aufbruch

Heute also geht es los: Aufbruch auf einen mir völlig fremden Kontinent. Afrika. Jetzt wieder in den Schlagzeilen. Mittelmeerroute usw. Viel muss da nicht gesagt bzw. geschrieben werden, um Bilder im Inneren aufsteigen zu lassen, um Meldungen der letzten Tage und vielleicht auch Stunden erneut wahrzunehmen …

Wir sind zu fünft. Nicht weil wir Uganda und Tansania anschauen wollen – das geschieht „nebenbei“, sondern weil wir Menschen begegnen wollen mit ihren Sehnsüchten, ihren Freuden und Leiden. Menschen, von denen wir wohl bis auf einige niemanden kennen. Menschen, denen kirchliche Hilfswerke in den letzten Jahren immer wieder geholfen haben, wie auch immer diese heißen mögen. Menschen in gänzlich anderen Kulturkreisen, mit unterschiedlicher (auch Leid-)Geschichte von Stämmen, Völkern und Nationen, die auch Europa mit verursacht hat; Menschen, auf deren Kosten viele andere leben … Und Menschen, die ganz einfach leben [betonen Sie doch mal den Satz unterschiedlich und Sie werden entdecken, was in diesem Satz alles so drinnen steckt!]. Menschen, denen wir das entgegenbringen wollen, was wir für uns einfach selbstverständlich voraussetzen: Würde und Achtung; wir wollen ihnen als Brüder und Schwestern begegnen, weil wir rund um den Erdball eben „nur“ eine Menschheit sind, füreinander Verantwortung haben und mit unserem Lebensstil aufeinander verwiesen sind … Unsere Hilfe vor Ort, unsere Hilfe für Menschen unterwegs, unsere Hilfe für Menschen bei uns …: unterschiedliche Ebenen und Herausforderungen, die nicht einfach auseinanderzudividieren sind, sondern einander bedingen. Kirche hilft, so gut es eben geht. Weil sie Menschen hilft.

Wir – Alexander Auer von der Kath. Männerbewegung, Rene Straubinger aus dem Priesterseminar, Johann Pfeifer, Arzt und Vorsitzender des Kuratoriums des „Welthaus“, Sigrun Zwanzger, stv. Geschäftsführerin von „Welthaus“ (1) und ich: wir brechen auf und wollen Sie ein wenig mitnehmen, auf fb (@BischofKrautwaschl) und auch auf dieser Seite – sofern es die technischen Möglichkeiten uns erlauben. Wir haben nur eine Welt, wir können uns nicht wegbeamen. Gerade deswegen freue ich mich auf leuchtende und strahlende Augen – trotz aller Armut, freue ich mich auf Feiern unseres gemeinsamen Glaubens in ganz anderer und gerade deswegen besonderer Art, freue ich mich auf die Begegnung mit anderen Kulturen und Lebensstilen, die vielleicht mich selbst und meinen (hektischen, westlichen, …) infrage stellen. Ja: ich freue mich. Und deswegen brechen wir auf!

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(1)  Aus der Präambel des Statuts: „Die großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ungleichheiten zwischen den Völkern widersprechen der sozialen Gerechtigkeit und Würde der menschlichen Person. Deshalb ist es ein zentrales Anliegen der Diözese Graz-Seckau, für mehr Gerechtigkeit und für ein menschenwürdiges Leben aller einzutreten.
Die Mission der Kirche ist Aufgabe des ganzen Volkes Gottes. Es sollen alle Ortskirchen nach dem Maß ihrer Möglichkeiten am Werk der Verbreitung des Evangeliums und seiner lnkulturation mitwirken.
Das Welthaus der Diözese Graz-Seckau nimmt diese Aufgabe im Auftrag der Diözese in besonderer Weise wahr und fördert soziale und pastorale Projekte. Es setzt seinen Schwerpunkt vorwiegend im Bereich der prophetischen Diakonie und im Kampf um Menschenwürde und Gerechtigkeit und verwirklicht diesen Dienst in Regionen der Welt, die von Armut und Ungerechtigkeit und von der Verfolgung von Christen besonders betroffen sind.
In Sorge um das Heil des ganzen Menschen, dem der Evangelisierungsauftrag der Kirche gilt, arbeitet das Welthaus auf der Grundlage des Evangeliums und der Soziallehre der Kirche mit Gemeinden und Institutionen in Entwicklungsländern und in Ost-/Südosteuropa solidarisch zusammen. Dabei stellt die von den Partnern gelebte Erfahrung einen wesentlichen Maßstab aller Aktivitäten dar. Das Welthaus fördert innovative und nachhaltige Programme, die es Menschen ermöglichen, die Gestaltung ihres Lebens und ihrer Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.
Dem Welthaus obliegt weiters die Aufgabe, den Bischof und die Diözese mit ihren Einrichtungen in der Wahrnehmung dieser weltkirchlichen Verantwortung zu beraten und zu unterstützen.