Archiv der Kategorie: Kirchenentwicklung

Mitten hinein in die Nacht

Predigt zu Weihnachten (In der Heiligen Nacht)
1. Lesung: Jes 9,1–6
2. Lesung: Tit 2,11–14
Evangelium: Lk 1,1–14

1. Mitten hinein in die Nacht der Welt bricht sich Gott Bahn. Wie auch immer wir versuchen, die Botschaft der Hl. Nacht zu verkünden, was auch immer mitunter an Kitsch daraus gemacht wird. Der Kern – und nicht umsonst wird die Mette in der Nacht begangen – ist dieser: auch wenn die Welt noch so finster ist: Gott macht sie hell durch sein Kommen in genau diese Welt. Ja: Gott nimmt genau diese Welt ganz in sich hinein, er bleibt nicht „außen vor“, er macht deutlich, dass er sich selbst zum Akteur machen will und nicht bloß  „besserwisserisch“ das Schicksal der Welt von außen beurteilen und dann halt wieder mal gröber eingreifen will. Nein: von innen her, in der Welt will er deutlich machen, dass sie „gottfähig“ ist.

2. Nennen wir ruhig Finsternisse, die uns/mir so schnell einfallen:
– Leid, Schrecken, Tod von Menschen, die sie sich gegenseitig zufügen – in den Kriegs- und Krisengebieten
– Unheil und sorgenvolle Schreie von Menschen jeden Alters, geboren oder nicht, an den Rand gedrängt weil nicht mehr produktiv oder eben in der Mitte aller Schaffenskraft
– Not und Trauer von vielen, ja Millionen, die des Nötigsten zum Leben bedürfen
– Ungerechtigkeiten sondergleichen zwischen Nord und Süd, Reich und Arm, Ost und West – und auch da spielen sich wohl viele, viele Bilder vor unseren geistigen Augen ab
– die Einteilung der Welt und der Menschen in ihr mit einfachen Kategorien wie „gut und böse“ oder auch in Einflusssphären irgendwelcher Weltmächte
– kleine und größere Nöte des Alltags, weil es zu wenig Arbeit gibt, weil mir Bildung vorenthalten wird und damit die Würde des Menschen nicht entsprechend gelebt werden kann
– und und und …:
Ja: auch 2014 feiern wir die Geburt Gottes inmitten der Nacht der Welt und der Menschheit.

3. Was aber heißt das dann? Nun: Gott ist nicht fern, er erlebt genau das mit Haut und Haaren an sich selbst. Er teilt das Los der vielen Nöte, die zum Himmel schreien und macht damit deutlich: „Ich steh zu Euch! – Mein Ja zur Welt bleibt aufrecht, trotz allem – denn: ich kann doch nicht mich selbst in ihr zerstören um des vermeintlichen Neuanfangs willen?!“ Und: damit lädt er mich/uns ein, IHM ähnlich untereinander zu leben, nicht besserwisserisch zu sagen: „Dieses und jenes würde sich gehören, …“, sondern genau das, was mir nicht in den Kram passt, zu lieben. Er wurde Mensch, damit wir – mehr – Mensch werden… Ja: er lädt mich ein, die Finsternisse und Abgründe, in die Menschen heute sich verstricken, nicht bloß als Orte zu sehen, die uns mit unserer Botschaft des Heiles gut ausschauen lassen – unter dem Motto: „Wenn ihr euch nur bekehren würdet, dann wäre alles geritzt“ – sondern so wie Sein Sohn zur Sünde für uns geworden ist uns ganz zu den Not Leidenden, Verzweifelten zu begeben, nicht herab zu beugen, sondern den Dreck und das Elend selbst an unserer Haut zu spüren. Damit Heil erfahrbar wird. –

4. Die Heilige, die „geweihte“ Nacht macht mir deutlich: Kirche wird immer mehr sie selbst, wenn sie alles verlässt, wovon sie meint, dass es ihr Ureigenstes sei, so wie ER sich nicht zu schade war, das was ER war gering zu achten und zu verlassen. Und ich entdecke, indem ich das sage, wie sehr ich selbst und wohl auch wir noch in den uns liebgewordenen Bereichen verbleiben würden; ja: ich erfahre die Versuchung zur „Machtausübung“, auch wenn sie subtil gehandhabt wird und geistlich vielleicht genannt wird. Oder anders: Nicht dann, wenn alles hell strahlt, wenn alle am Sonntag in die Kirche gehen würden und die Beichstühle voll wären, sind wir am Ziel, sondern wenn wir uns in den Dreck zum Letzten hinabbeugen und das Holz der armen Krippe, in der auch heute viele geboren werden, an unseren eigenen Händen spüren. – Ich hab noch viel zu lernen, wenn ich Weihnachten wirklich ernstnehmen würde …

Gott baut sich ein Haus

Predigt am Morgen des 24. Dezember 2014
Lesung: 2Sam 7,1–5.8b–12;14a.16;
Ev: Lk 1,67–79

1. David ist ein Mensch durch und durch. Er möchte was gelten, schaffen, fruchtbar sein. – Er wird eingebremst von Gott – durch den Propheten. Unsanft. Und das, obwohl er eine eigentlich ganz selbstverständliche und für menschliche Dimensionen logische Frage hat: ich wohne in einem Haus, die Lade Gottes nicht. Also: was liegt näher, als auch dem Herrn etwas IHM entsprechendes zu bauen. – Dieser allzu verständliche Wunsch wird vom Propheten als Irrung entlarvt. Weil es um Gott geht und nicht bloß darum, etwas „gut Gemeintes“ umzusetzen.

2. Menschen heute haben auch oft Gutes im Kopf. Und wollen es umsetzen, in- und außerhalb der Kirche. Beispiele zu letzterem fallen mir naturgegebener Maßen eher ein: was es da nicht alles an Reformvorschlägen gibt um Kirche im Heute „neu“ ankommen, wieder erstarken zu lassen. Manche treten dann auch mit einem gewissen messianischen Gehabe auf: „Wenn Du nicht diesen Weg gehst, dann läufst du in die Irre.“ Tatsächlich: Eigene Wünsche und Vorstellungen über den „rechten Weg“ der Kirche geben sich mitunter ganz fromm, aber eben auch beinahe „allein seligmachend“. Und vor lauter „Man müsste, man sollte“ diese oder jene Veranstaltung besuchen, diesen oder jenen Wallfahrtsort aufsuchen, diese oder jene Maßnahme setzen, damit Kirche (über)lebt etc. kommt mir mitunter schon vor, dass Gott außen vor gelassen wird.

3. Da tun Worte aus dem Mund des Propheten Natan gut: „Gott selbst wird sich ein Haus bauen!“ Nicht wir. Wir sind tatsächlich oft in Gefahr das Jesuswort an Petrus abzuändern – gerade in unseren Breiten: Es heißt ja: „Du bist Petrus – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ und nicht, so jedenfalls gebärden wir uns mitunter: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen wirst du deine Kirche bauen.“ Gottvertrauen ist tatsächlich etwas, was uns in unserer Kirche, die so gut durchorganisiert ist, (mehr als) nottut – und damit: Glaube. Wir sehen Zahlen und nehmen manches bzw. vieles wahr, was weniger wird – und sofort haben wir Lösungen parat: Weihezulassungskriterien müssen geändert werden bzw. Pfarren aufgelöst, damit der Pfarrer nicht mehrere Pfarren hat etc. etc. – und wir übersehen, dass sich in den letzten Jahrzehnten halt einiges in der Gesellschaft geändert hat, was den Bezug und das Leben in und mit der Kirche anlangt. So zum Beispiel:
– Firmung wird oft und oft als Abschiedssakrament aus der Kirche gebrandmarkt – und wir übersehen, aus welchem Grund sollten Jugendliche, die vorher nie mit der Kirche gelebt haben, aufgrund 1 singulären Ereignisses plötzlich zu „Überchristen“ werden, wenn auch die Erwachsenen da nicht mitleben?
– Wir hören: Dort geht dieses und jenes gut und meinen, dass wir sofort auch in unserem eigenen Bereich dasselbe umzusetzen hätten, und alles würde wieder gut werden, zumindest halt so, wie es (angeblich) immer schon war bzw. wie es halt war zu einer Zeit, die wir noch als „goldene“ in Erinnerung haben.
Die Reihe an Maßnahmen, die dann überlegt und gesetzt werden könnte wohl ins unendliche fortgesetzt werden. Allen aber ist anzumerken: eine bestimmte Gestalt an Kirche, die uns lieb und teuer war – über Jahrhunderte – soll möglichst fortgesetzt werden; oder ein Aufbruch, der sich abspielt, ist nur dann wertvoll, wenn alle mittun und wenn möglichst das „frühere“ wiederhergestellt wird … „Teuflisch“ was sich da abspielt und letztlich Gott-los ist, weil wir planen und „machen“.

4. Wie gut da der heutige Morgen und die Feier von Weihnachten tun: Gott baut sich unter den Menschen selbst ein Haus – so wie er aus dem Erstorbenen der Elisabeth Fruchtbarkeit wachsen lässt. Diese Botschaft Gottes muss (!) wieder neu bei uns eindringen, dringend nötig haben wir sie.

Die Henne oder das Ei?

Wir kennen sie, die berühmte Frage: „War zuerst die Henne oder das Ei?“ – Wenn ich mir Debatten rund um die Kirchenentwicklung anschaue, kommt mir immer wieder dieser Vergleich. Vielen Vorschlägen ist eines gleich: die Strukturen (und nur diese) sollen und müssen sich ändern. Mal wird da von der Hierarchie aus gedacht („Es gibt weniger Priester und Pfarrer, daher …“), mal wird vieles vermeintlich „von unten“, aber in derselben Denke angenommen, weil halt darauf abgezielt wird die Zahl der geweihten Amtsträger zu erhöhen. Mit einem Wort: wir tragen, nein wir schleppen die Last der Geschichte mit.
Zeiten fundamentaler Veränderungen brauchen radikale Ansätze. Mir hilft da das große Trost- und Hoffnungsbuch der Bibel, die Offenbarung des Johannes. Dort wird  u.a. im Bild und in der Rede vom „himmlischen Jerusalem“ davongesprochen, dass „am Ende der Zeiten“ der Herr inmitten der Seinen lebt, es keinen Tempel mehr braucht usw. (vgl. Offb 21). Das aber, um mit Klaus Hemmerle zu sprechen (vgl. meinen Eintrag unter „besondere Sätze“), was am Ende und in der Vollendung erwartet wird, ist auch im Heute und Hier schon zu leben, verspricht doch der Herr den Seinen: „Wo 2 oder 3 in meinem versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20). Und von dorther – so Hemmerle – bekommen erst Strukturen und Mittel zum Ziel, Sakramente etc., wohl auch die Kirche, ihren Sinn und nur (!) von dorther werden sie verstanden.

Erneut hat Christian Hennecke in seinem blog auf einen Artikel in „Christ in der Gegenwart“ geantwortet, in dem von der Enwticklung der römisch-katholischen Kirche hin zur Freikirche die Rede ist, weil es aufgrund des Priestermangels Sonntags auch Wort-Gottes-Feiern gibt. Bei der Lektüre des blog-Eintrags – den Artikel gibt es leider noch nicht (?) online – sind mir diese Gedanken gekommen. Wann machen wir uns – verstärkt – auf, unser Christsein in der Gegenwart zu leben, also die Beziehung mit dem Auferstandenen real erfahrbar werden zu lassen? Oder „verkommen“ wir zu einem in seinem setting alten, sich selbst verwaltenden „Apparat“?

Gemeinsame Absichten und Besorgnisse

Papst Franziskus und Patriarch Bartholomaios I. bringen in ihrer heute unterzeichneten gemeinsamen Erklärung Absichten und Besorgnisse zum Ausdruck, die sie als christliche Führungspersonen den Ihren und der ganzen Welt anvertrauen. Auch das friedliche Miteinander der Menschen in den unterschiedlichen Religionen wird darin erneut angesprochen. Denn: „wenn 1 Glied leidet, leiden alle mit“ – es gehe ja letztlich darum: „Alle sollen eins sein (…) damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21)“.
Hier ist das Dokument im Wortlaut dokumentiert.

Taufbewusstsein und leadership

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Ich freu mich schon sehr auf diese interessante Tagung im kommenden Juni in Bochum. Vielleicht hat wer Lust dabei zu sein?! „Taufbewusstsein und leadership“ … ein interessanter und für Gegenwart und Zukunft der Kirche notwendiger Paradigmenwechsel, der ansteht …
Wie ich zu dieser Tagung komme? Nun denn: „crossing over“ ist ein faszinierendes Projekt, das schon seit Jahren im Norden Deutschlands und den USA (Chicago) läuft.

Re-Formatierung

Wer meinen blog liest, der eigentlich dazu dient, „andere“ zu Wort kommen zu lassen, wird schon darum wissen: ich verweise oft auf Christian Hennecke und seine Gedanken, die er zur „Kirchenreform“ einbringt. In seinem blog-Beitrag vom 17. November antwortet er mit seiner kritischen und dennoch sehr wertschätzenden Art auf einen Artikel in der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“, der hier online zugänglich ist. Ja: es geht primär und zuallererst um die Re-Formatierung von Kirche und damit denen, die sich als ecclesia, Herausgerufene, verstehen, nicht um Strukturen und Möglichkeiten Geld einzusparen und damit auch nicht darum, die Kirche nicht mehr vor Ort zu (er)leben. (Welches Verständnis von Kirche steckt denn da eigentlich dahinter?).

Im Licht des Evangeliums

Die Zeichen der Zeit sind im Licht des Evangeliums zu deuten. Mit anderen Worten: Gott wirkt schon, ehe wir als Kirche zu den Menschen kommen. Papst Franziskus hat die Teilnehmer des Kongresses zu „Evangelii gaudium“ Mitte September aufgefordert, dem entsprechend in der Pastoral zu leben: „Alle, die in den verschiedenen Bereichen der Pastoral tätig sind, sind aufgerufen, die Zeichen der Zeit zu erkennen und zu deuten, um eine weise und großherzige Antwort zu geben. Angesichts so vieler pastoraler Anforderungen, angesichts so vieler Bitten von Seiten der Männer und Frauen laufen wir Gefahr, zurückzuschrecken und uns in uns selbst zu verschließen, in einer ängstlichen Verteidigungshaltung. Und von dort aus entsteht die Versuchung der Selbstgenügsamkeit und des Klerikalismus, der Kodifizierung des Glaubens in Regeln und Vorschriften, wie die Schriftgelehrten, die Pharisäer und die Gesetzeslehrer zur Zeit Jesu es taten. Dann ist alles klar geregelt und geordnet, aber das gläubige und suchende Volk wird weiterhin hungern und dürsten nach Gott.“ Hier ist (endlich!) seine Ansprache auch auf deutsch zu lesen.

Wider die Haarspaltereien

Wieder einmal habe ich mir – diesmal in der offiziellen deutschen vatikanischen Übersetzung die Worte von Papst Franziskus an die Generalversammlung der Fokolare von Ende September durchgelesen:  „Es tut weh zu sehen, wie die Christen angesichts einer Kirche, einer Menschheit mit so vielen Wunden – moralischen Wunden, existenziellen Wunden, vom Krieg verursachten Wunden, von denen wir jeden Tag hören – beginnen, sich in philosophischen, theologischen, geistlichen Spitzfindigkeiten zu verlieren“ sagt er unter anderem. Wie wahr!