instruiert werden – I

Am 20. Juli ist sie erschienen: die Instruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“. Die Reaktionen darauf ließen nicht auf sich warten – zumindest innerkirchlich[1]. Vielfach – jedenfalls laden dazu die Überschriften ein, es so zu verstehen – wurde sie in deutschsprachigen Ländern von Theologen wie auch anderen kirchlichen Amtsträgern großteils negativ kritisiert[2]. Ich fühlte und fühle mich an eine bekannte Tatsache der Kommunikationstheorie erinnert: die Botschaft entsteht beim Empfänger. Und: die Botschaft wird mit jenen Ohren vernommen, die den Hörern zu eigen sind – gut zu kommunizieren wird in unserer immer komplexer werdenden Welt und Wirklichkeit immer schwieriger, da eben jede Person von ihrem Standpunkt aus die Welt betrachtet und deswegen auch ganz besonders wach in jenen Punkten ist, die ihr wichtig sind. Wenn ich diese Zeilen schreibe – und in den kommenden Tagen werden wohl noch einige hinzugefügt werden – bin ich mir genauso dieser Tatsache bewusst. Weil dem so ist, möchte ich in Ruhe – so gut es geht – einige Striche zeichnen, die mir wichtig sind. Diese sind keineswegs erschöpfend, sind wohl auch nicht inhaltlich aufeinander folgend, sondern „entstehen im Gehen“ bzw. „im Schreiben“

  1. Zum Begriff „Instruktion“Zunächst gilt es, die literarische Gattung des Schriftstückes, das vom Präfekten der Kleruskongregation, den beiden Sekretären und dem Untersekretär am Hochfest der Heiligen Apostel Petrus und Paulus 2020 nach einer vorausgehenden Approbation durch Papst Franziskus unterschrieben wurde, genauer „unter die Lupe“ nehmen[1].

    Wenn ich es recht sehe bedeutet das Wort „Instruktion“ zum einen „erläuternde, unterweisende Anleitung für den Gebrauch, die Auslegung, die Ausführung von etwas“, aber auch „von übergeordneter Stelle gegebene Weisungen, Verhaltensmaßregel; Direktive“. Beide Bedeutungsinhalte – im Übrigen auf meinem PC das erste Ergebnis, das ich mit der Google- Suchmaschine erhalten habe – helfen mir weiter, das Folgende richtig einzuordnen, so sehe ich es jedenfalls. Eine erläuternde Anleitung führt näher aus, was woanders in einem – rechtlichen – Text bereits erwähnt ist; es wird also weder etwas Neues noch etwas an Grundsätzlichen dargelegt: es wird etwas in Erinnerung gerufen. Auch eine Weisung, die von einer übergeordneten Stelle ausgegeben wird, dient letztlich zu nichts anderem: es mag Gründe geben, etwas erneut in Erinnerung zu rufen, aber es werden keine fundamentalen neuen Inhalte formuliert. Wer sich also von einer „Instruktion“ fundamental neue Grundsätze erwartet – seien sie theologischer oder auch pastoraltheologischer Natur – nimmt meines Erachtens die literarische Gattung einer „Instruktion“ zu wenig ernst. Freilich: es gibt Gründe, die Anlass gegeben haben, ein solches Schreiben zu veröffentlichen – über diese wurde nach Erscheinen dieses Dokuments der Kleruskongregation vielerorts in der „kirchlichen Blase“ gemutmaßt[2]. Da es sich um ein Dokument einer römischen Behörde handelt, das keine bestimmten Adressaten nennt, ist – will man verantwortungsvoll damit umgehen – deutlich zu machen, dass es sich an alle Ortskirchen richtet – die Themenpalette und die konkreten Anweisungen lassen dies vermuten.

    Auf der anderen Seite gilt: wenn es klare Anweisungen sind, die üblicherweise in einer Instruktion enthalten sind, dann sollte die Sprache, in der sie abgefasst ist, eher rechtlicher Natur sein. Dies scheint mir nicht deutlich genug zu sein: die allgemeine Einleitung hat sprachlich wie inhaltlich – jedenfalls für mich – vielfach beschreibenden denn direktiven Charakter – mit vielen päptstlichen Zitaten versetzt – und verleiht damit dem Schriftstück doch wieder etwas von „pastoraltheologischem touch“.

    Darüber hinaus gilt zu bemerken, dass die Art und Weise wie diese Instruktionen entstanden und veröffentlicht worden ist, um es nicht unfreundlich zu sagen, nicht dem entspricht, was unser Papst in Erinnerung zu rufen nicht müde wird: Wenn Ortskirchen und Weltkirche zusammen spielen (sollen), sollte meines Erachtens dies auch in der Art und Weise wie Dokumente dieser Art entstehen, deutlich werden.[3] Damit könnte auch die Vielfalt und Regionalität der Kirche in der ganzen Welt eingefangen und in entsprechender Sprache berücksichtigt, aber auch die Ortskirche und deren Verantwortungsträger in ihrem Auftrag wirklich ernst genommen werden.

    Schließlich: so manche Begriffe, die verwendet werden, werden im jeweiligen Sprachumfeld unterschiedlich mit Inhalt gefüllt, was wiederum die Möglichkeit von Fehlinterpretationen zumindest nicht ausschließt – der vor allem in deutschsprachigen Landen etwa oftmals heftig geführte Disput über das, was „Leitung“ und erst recht „sakramentale Leitung“ bedeutet, soll hier kurz in Erinnerung gerufen werden, werden doch auch in römischen Dokumenten, vom Konzil beginnend – wenn ich es recht in Erinnerung habe – hierfür unterschiedliche Begriffe verwendet. Um auch hier wieder die andere Seite zu bedenken muss freilich ergänzt werden, dass die Kleruskongregation unter Umständen die Absicht hat, den Begriff etwa der „Leitung“ für den innerkirchlichen Sprachgebrauch eindeutig zu regeln, auch wenn damit der deutsche Begriffsinhalt in der Alltagssprache konterkariert wird. Wenn das der Fall sein sollte, müsste dies aber auch – der Redlichkeit wegen – gesagt und entsprechend erläutert werden.

    Um dies zu veranschaulichen, habe ich das Wort „Leitung“ in der deutschen Fassung der Instruktion gesucht und 7 Mal gefunden  – hier soll einfach aufgelistet werden, wie dieser Begriff in der italienischen wie auch der englischen und französischen Fassung wiedergegeben wird[4], um deutlich zu machen, wie unterschiedlich wohl auch die Bilder sind, die in den einzelnen Begriffen mitschwingen. Diese können dann auch dazu führen, dass man – wird die Arbeit der Klärung der Begriffe nicht getätigt  – Gefahr läuft, etwas falsch zu verstehen.

    Nr. deutsch italienisch englisch französisch
    1 „Die Dimension der Gemeinschaft wurde aufgewertet und unter der Leitung der Hirten …“ „valorizzando la dimensione della comunione e attuando, sotto la guida dei pastori, …“ „enhancing the dimension of communion and implementing, under the guidance of pastors“ „qui mettent en valeur la dimension de la communion et qui mettent en œuvre, sous la conduite des pasteurs, ..“
    35 „… die in die Verantwortung der pastoralen Leitung berufen worden sind.“ „… soprattutto di quanti sono chiamati alla responsabilità della guida pastorale „with the responsibility of pastoral leadership.“ „surtout chez ceux qui sont appelés à être responsables de la conduite pastorale
    66 „Daher sind Bezeichnungen wie ‚Leitungsteam‘, ‚Leitungsequipe‘ oder ähnliche Benennungen, die eine kollegiale Leitung der Pfarrei zum Ausdruck bringen könnten, zu vermeiden.“ „Di conseguenza, sono da evitare denominazioni come, ‚team guida‘, ‚équipe guida‘, o altre simili, che sembrino esprimere un governo collegiale della parrocchia.“ „Consequently, appellations such as ‚team leader‘, ‚équipe leader‘, or the like, which convey a sense of collegial government of the Parish, are to be avoided.“ „Il faut par conséquent éviter les expressions comme ‚team responsable‘, ‚équipe responsable‘, ou d’autres semblables, qui laisseraient entendre qu’il s’agit d’un gouvernement collégial de la paroisse.
    98 „unter der Leitung und der Verantwortung des Pfarrers“ „sotto la guida e la responsabilità del parroco“ „under the direction and responsibility of the Parish Priest“ „sous la conduite et la responsabilité du curé“
    110 Zitat aus der Generalaudienz vom 23.5.2018: „Wie das ganze Leben Jesu vom Heiligen Geist beseelt war, so steht auch das Leben der Kirche und ihrer Glieder unter der Leitung desselben Geistes.“ „Come tutta la vita di Gesù fu animata dallo Spirito, così pure la vita della Chiesa e di ogni suo membro sta sotto la guida del medesimo Spirito“ „As Jesus was animated by the Spirit for his whole life, so also the life of the Church and of each of her members is under the guidance of the same Spirit“ „De même que toute la vie de Jésus a été animée par l’Esprit, de même la vie de l’Eglise et de chacun de ses membres est sous la conduite du même Esprit“

    Ich bin mir sicher, dass die Feinheiten dessen, was im deutschen schlicht „Leitung“ genannt wird, in anderen Sprachen aber zumindest teilweise in unterschiedlicher Begrifflichkeit wiedergegeben wird, zum einen Deutlicheres zum Verstehen beitragen könnten, zum anderen aber auch lehren, wie verantwortungsvoll mit Sprache und Begriffen umzugehen ist, soll nicht der Gefahr erlegen werden, dass die inneren Bilder, die zwangsläufig mit Begriffen entstehen, zumindest teilweise in die falsche Richtung führen.[5][1] http://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2020/07/20/0391/00886.html#ted

    [2] Vielfach werden – weil aus diesen Breiten auch die schärfsten Reaktionen dagegen kommen – die zahlreichen Strukturmaßnahmen deutscher Diözesen der letzten Jahre benannt. Hierfür wird dann – etwa von Stefan Oster [https://youtu.be/AFmONvf5AFUe] auch der Theologin Julia Knop [„Was um Jesu willen zu verändern wäre, in: Die Furche Nr. 31(2020), 3f] „deutsch“ als Originalsprache angegeben, was aber – zumindest für mich – aus den schriftlichen Unterlagen, die mir zur Verfügung stehen, nicht nachzuvollziehen ist. Für mich ist eigentlich nur zugänglich, dass in der Internet-Veröffentlichung, die mittlerweile unter http://www.clerus.va/content/dam/clerus/Dox/Istruzione2020/Instruktion_DE.pdf (1.8.2020) auch als pdf heruntergeladen werden kann, die jeweilige Veröffentlichungssprache als „Originalsprache“ vom vatkianischen Presseamt ausgegeben wird, also am Ende des deutschen Textes eben auch gesagt wird, dass die Originalsprache des Textes „deutsch“ sei, am Ende des italienischen eben „italienisch“ als Originalsprache etc.

    [3] Darauf hat etwa das Mitglied des Beraterstabs des Papstes im Kardinalskollegium Reinhard Marx (s. Anm. 1) und auch Agnes Wuckelt in ihrem Kommentar (s. Anm. 1) hingewiesen.

    [4] Diese drei beispielhaft genommenen Sprachen sind jene, die ich einigermaßen glaube zu „verstehen“.

    [5] Wiewohl ich selbst kein besonderer „Herr der Sprache“ bin, so wurde mir dieses Problem schon vor Jahren deutlich, als ich etwa feststellen musste, dass die erste Frage die Kandidaten bei der Priesterweihe vom Bischof gestellt wird, im deutschen Ritus lautet: „Bist du bereit, das Priesteramt als zuverlässiger Mitarbeiter des Bischofs auszuüben und so unter der Führung des Heiligen Geistes die Gemeinde des Herrn umsichtig zu leiten?“ Im Italienischen wiederum heißt es: „Vuoi esercitare per tutta la vita il ministero sacerdotale nel grado di presbitero, come fedele cooperatore dell’ordine dei vescovi nel servizio del popolo di Dio, sotto la guida dello Spirito Santo?“ Im lateinischen Urtext wird diese Frage aber so gestellt: „Vultis munus sacerdotii in gradu presbyterorum ut probi Episcoporum Ordinis cooperatores, in pascendo grege dominico, duce Spiritu Sancto, indesinenter explere?“ – Welch unterschiedliche Bilder doch hier entstehen, oder?