instruiert werden – IV

4. Einleitung

Zu Beginn der Instruktion (Abschnitt 1-2) wird der Anlass des Schreibens[1] benannt: „Die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche und die bedeutsamen sozialen und kulturellen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte haben einige Diözesen dazu veranlasst, die Form der Übertragung der Hirtensorge für die Pfarrgemeinden neu zu gestalten. Dies hat zu neuen Erfahrungen geführt. Die Dimension der Gemeinschaft wurde aufgewertet und unter der Leitung der Hirten wurde eine harmonische Synthese der Charismen und der Berufungen im Dienst an der Verkündigung der Frohen Botschaft, die den heutigen Erfordernissen der Evangelisierung besser entspricht, verwirklicht. […] Die in der vorliegenden Instruktion beschriebenen Situationen stellen eine wertvolle Gelegenheit für die pastorale Umkehr im missionarischen Sinn dar. Sie sind eine Einladung an die Pfarrgemeinden, sich zu öffnen und Instrumente für eine auch strukturelle Reform anzubieten, die sich an einem neuen Gemeinschaftsstil, an einem neuen Stil der Zusammenarbeit, der Begegnung, der Nähe, der Barmherzigkeit und der Sorge für die Verkündigung des Evangeliums orientiert.“ Ich zitiere diese Zeilen fast zur Gänze – einfach auch deswegen, weil unter diesem Scheinwerfer die folgenden Texte zu lesen sind, will die Instruktion wirklich ernst genommen werden.

Es wird gut geheißen, was sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Punkt. In den verschiedenen Regionen der Welt. All das dient der Sendung der Kirche und damit auch der Pfarren als einem „Lebensraum von Kirche“, der ihr besonders wichtig ist. Daher ist diesen Orten auch ein besonderes Gewicht beizumessen, wenn Kirche sich als ganze verheutigen und ihre missionarische Dimension verstärken soll. Statt nun den in den Chor einzustimmen, der im deutschen Sprachraum an Kritik diesem Schreiben gegenüber bereits veröffentlicht worden ist, muss dieser Grund-Satz zu Beginn auch ernst genommen werden. Es ergibt sich damit ein anderer Blick auf das Folgende als das, was schnell veröffentlicht wurde [was nicht heißt, dass diese negative Kritik nicht berechtigt sei; dazu aber später].

  1. Es geht um eine neue Art des Miteinanders in der einen Kirche, die durch die gut geheißenen Prozesse angestoßen und auch umgesetzt wurden. – Könnte da nicht auch die Frage gestellt werden, ob die Instruktion nicht doch eher an jene Teile in der Welt besonders gerichtet ist, die in ihrer Struktur und in ihrem Denken nach wie vor „bloß“ den Pfarrer und damit den Kleriker kennen?[2] Die Pastoraltheologin aus Linz hat auf diesen Umstand hingewiesen, wenn sie von einer freudigen Annahme dieses Dokumentes in Ostmitteleuropa berichtet: „Wie stark […] die Ungleichzeitigkeit in der Weltkirche ist, zeigt sich in der Rezeption der Instruktion in Ostmitteleuropa, wo gerade eine Welle der Freude durch die Länder geht, dass endlich die Rolle der Laien und der Diakone von der höchsten Stelle im Vatikan gestärkt wurde und nun die Laien mehr Gestaltungsmacht in der Pfarre bekommen.“[3]
  2. Es geht drum, in dieser neuen Art Kirche zu leben und zu gestalten, der Sendung, der Mission der Kirche zu einem neuen Durchbruch zu verhelfen – es gilt gemeinsam in der Kirche voran zu schreiten. Dass es hierbei, will man in den Fußspuren Jesu Christi bleiben, Rahmen zu benennen gilt, ist eigentlich klar. Ob die Rahmen, wie sie in dieser Instruktion in Erinnerung gerufen werden – nichts anderes kann eine solche – die rechten sind, sei dahingestellt. Jedenfalls wäre es sinnvoll und gut, alles Folgende unter diesem Blickwinkel zu interpretieren: Was heißt es also, „neu“ Kirche zu sein, wenn diese Art Kirche zu leben in dieser Struktur und mit diesen Funktionen und Rollen vorgegeben werden? Bedeutet dies dann nicht auch und vor allem, dass alle (!), die in der Kirche einen Dienst, ein Amt u.ä.m. ausüben, sich zunächst selbst zu einem solchen Verständnis gemeinsam Kirche zu sein zu bekehren haben? – Mitunter beschleicht mich der Verdacht, dass wir in unseren Breiten in unserem kirchlichen (Unter-)Bewusstsein eben ein Amtsverständnis zumindest „innerlich“ „dogmatisieren“, das nicht das ist, wovon wirklich gesprochen wird – und wir dann mit unseren Ohren Aufgabenverteilung verstehen, lesen und hören, also in den uns gängigen Mustern von „oben“ und „unten“, von „Gehorchenden“ und solchen, die „Befehle erteilen“.[4]

[1] http://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2020/07/20/0391/00886.html#ted

[2] Erneut wird deutlich, dass die Art und Weise weltkirchlicher Verlautbarungen deutlicher als bislang auch die Adressaten benennen sollten um nicht missverstanden zu werden oder in einigen Gebieten „zu gut“ gehört zu werden.

[3] Klara-Antonia Csiszar: Die Seelsorge als Magd des Kirchenrechts? in: Oberösterreichische Nachrichten 24.7.2020, 4. Dort wird freilich durchgehend zunächst auf die negativen Reaktionen im deutschen Sprachraum eingegangen und – interessant, weil es erneut den literarischen Charakter einer „Instruktion“ verkennt – der fehlende pastorale Charakter beklagt: „Bemerkenswert ist, dass sich das Papier in seinen Aussagen überwiegend auf die kirchenrechtlichen Canones bezieht, anstatt die pastorale Wirklichkeit in den Blick zu nehmen.“

[4] Dass dies – nebenbei – scheinbar auch bei einem Großteil der Reaktionen von Bischöfen und Theologen im deutschen Sprachraum der Fall ist, macht dies für mich betrüblich. – Freilich: so manches an Kritiken – und dazu komme ich ohnedies in weiterer Folge – ist durchaus berechtigt, aber der Schlüssel der Lektüre: der legt auch (!) eine andere Sichtweise als möglich dar.