instruiert werden XXIII

23. neuer Wein in alten Schläuchen?

Unter Berufung auf die uns bekannte Bibelstelle „Da kamen die Jünger des Johannes zu ihm und sagten: Warum fasten deine Jünger nicht, während wir und die Pharisäer fasten? Jesus antwortete ihnen: Können denn die Hochzeitsgäste trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam weggenommen sein; dann werden sie fasten. Niemand setzt ein Stück neuen Stoff auf ein altes Gewand; denn der neue Stoff reißt doch wieder ab und es entsteht ein noch größerer Riss. Auch füllt man nicht jungen Wein in alte Schläuche. Sonst reißen die Schläuche, der Wein läuft aus und die Schläuche sind unbrauchbar. Jungen Wein füllt man in neue Schläuche, dann bleibt beides erhalten“ (Mt 9,14-17 parr.) wird der Grundansatz der Instruktion mitunter auch negativ kritisch betrachtet[1]. Es wird bei diesen Interpretationen angemerkt, dass eben „neue [Gestalt von] Kirche“ nicht durch die Wiederholung alter rechtlicher Normen gefunden werden könne[2]. Wenn aber dann in Konsequenz und Begründung dafür von einer neuen Art und Weise die „Macht in der Kirche“ zu verteilen die Rede ist, regt sich in mir Widerspruch, denn eine neue Art „Macht zu verteilen“, ist eigentlich nur eine Fortführung des alten Denkens unter umgedrehten Vorzeichen und gerade deswegen eigentlich nichts Neues. Ähnliches erleben wir in den letzten Jahren immer wieder in der Kirche zwischen den vielfach so benannten „Lagern“ der „Konservativen“ und der „Progressiven“. Beide Seiten unterliegen meines Erachtens dem selben Trugschluss, da sie ein „altes setting“ von Kirche in unseren Breiten, das wesentlich durch die Freiheit und die danach folgende Entwicklung zur Staatsreligion mit den entsprechenden Privilegien etc. geprägt ist. So als ob diese Form auf alle Fälle weiterbestehen müsse – also müssten nur einfach eben neue Weihezulassungskriterien geschaffen werden oder aber das Priesteramt in seiner entsprechenden Form verstärkt betont werden …

„Jungen Wein“, so die revidierte Einheitsübersetzung 2016 in „neue Schläuche“ zu füllen bedeutet meines Erachtens zunächst und zuallererst „Bekehrung zu einem neuen Lebensstil“, der wirklich das Miteinander in der Kirche unter den Vorzeichen der Botschaft Jesu stellt. Was sich da an gegenseitigen „Exkommunikationen“ und „Vernaderungen“ derzeit abspielt – ob es in den Pfarren ist oder auch weltkirchlich scheint mir in diesem Zusammenhang eigentlich sekundär – schreit wirklich zum Himmel. Kämpfe rund um die „Hand-“ oder „Mundkommunion“ als einzig rechtgläubige Art des Empfanges – auch und erneut hochgekocht in der COVID-Krise und den damit einhergehenden Regelungen für die Feier von Gottesdiensten; Vorhaltungen ob und wer denn nun der rechtmäßige Papst sei usw.: Christen, näherhin Katholiken hauen sich öffentlichkeitswirksam mitunter die Schädeln ein – und der Drang zu diversen Mikrophonen oder auf social-media-Plattformen ist schier unstillbar. Der Eindruck mag entstehen, dass wir uns eifrigst mit der Innenarchitektur beschäftigen, aber eigentlich unsere Sendung für so manche nicht mehr deutlich wird … Und um die sollte es gehen: „Geht …“ ist nicht nur die Aufforderung am Ende der Messfeier, sondern auch jene des Auferstandenen auf dem Berg in Galiläa [vgl. Mt 28,20].

Mein Ansatz in den kommenden Beiträgen wird es daher sein, konsequent – so gut es mir möglich ist – den Ansatz „neuen“ Lebens von Kirche zu buchstabieren, das allen in ihr aufgegeben ist und daher auch von jenen – wie selbstverständlich (!) – zu leben ist, die ein Amt in ihr ausüben. Ich glaube an mir selbst und auch in vielen Pfarren und Gemeinde wahrnehmen zu müssen, dass es an dieser (!) Veränderungsbereitschaft am ehesten mangelt, denn eine gewisse Form von Kirche, die sich eben in den letzten Jahrzehnten herausgebildet hat, ist uns geläufig und bekannt und unter diesen Vorzeichen (!) wird dann auch an die Lektüre und das Verstehen der Instruktion herangegangen[3] – die Erneuerung bleibt dann eigentlich außen vor und auf der Strecke, also etwa die „Sendungsperspektive“ und damit die missionarische Dimension, die den eigentlichen Verstehensschlüssel für die Instruktion abgibt. Um diesen Gedanken kurz zu erläutern sei angemerkt: die Instruktion beschäftigt sich eben mit der pastoralen Umkehr der Pfarrgemeinde. Dass hierbei – logischer Weise (!) – auch jene Dienste zu betrachten sind, die für das „Funktionieren von Pfarre“ als Gemeinschaft von Menschen, ist eigentlich klar; überdies gibt es in den einschlägigen Dokumenten eben auch viele Regelungen genau für diese Dienste, damit eben diese nicht ihre eigenen Grenzen überschreiten[4]. Dass hierbei dann priesterliche Dienste genauer in den Blick kommen, weil eben – um der Klärung von Zuständigkeiten willen – dies ganz besonders zu betrachten ist, hat meines Erachtens – zumindest prinzipiell – noch nichts mit Klerikalismus zu tun[5].

[1] Dass ich immer wieder von „negativ“ bzw. auch „positiv kritisch“ schreibe hat den Sinn, dass der Begriff „Kritik“ in seiner Herkunft eben noch nichts „Bewertendes“ enthält und daher etwas zu „kritisieren“ eigentlich nichts .Anderes zunächst bedeutet als „das Besondere hervorheben“. Wie bei so vielem aber wird der Begriff nunmehr leider einseitig negativ konnotiert, was schade ist, denn ich finde, dass meine Einträge hier allesamt „Kritik“ sind zur Instruktion – im umfassenden Sinn des Wortes.

[2] Dass dann mitunter auch der Fehler in der Kritik begangen wird, der Instruktion „Rückschrittliches“ vorzuwerfen, ist eigentlich grundweg falsch. Auch das habe ich schon des öfteren angesprochen: Nicht die Instruktion führt etwas ein, sondern da gibt es dahinter stehende Dokumente etc.: und dort muss debattiert und diskutiert sowie theologisiert werden!

[3] Ich ergänze umgehend, dass dies eigentlich auch „klar“ ist – einfachste Kommunikationstheorie, wenn ich es recht sehe: man liest und hört unter den „frames“, die einem bekannt sind.

[4] Vor meiner Priesterweihe hat mich der damalige Spiritual darauf aufmerksam gemacht, dass wir in einer zunehmend von Säkularisierung geprägten Zeit Priester werden, was eben auch zur Folge hat, dass wir Gefahr laufen, ohne auch es selbst zu wollen, auf ein „Stockerl“ gehoben zu werden, weil ja Priester auch nach außen hin die sind, die Kirche repräsentierten – und das sei unabhängig von der persönlichen (Glaubens-)Einstellung mal zur Kenntnis zu nehmen. – Wie gegen diesen gesellschaftlichen Trend angegangen werden kann, der unter anderem eben auch heißt, dass Inhalte immer mehr personifiziert zugespitzt werden, ist in meinem jetzigen Dienst eine ständige Herausforderung, wenn es gilt Stellungnahmen abzugeben. Oft frage ich meinen Pressesprecher, wieso ich schon wieder was sagen soll und ob dies nicht weit besser bei anderen aufgehoben sei …

[5] Jene, die das aufgrund der Betonung des priesterlichen Dienstes der Instruktion vorwerfen, sollten sich auch fragen lassen, ob ihre Brille für die Lektüre nicht eine ist, die von einem gewissen Klerikalismus geprägt ist, der – leider! – tatsächlich sich in viele Erfahrungen von Kirche im Kleinen und im Großen eingeschlichen hat. Und damit seien auch jene gemeint, die meinen – um einen meiner Lehrpfarrer zu zitieren – „die Kirche zu besitzen“ und als Ehrenamtliche evtl. genauso wenig bereit sind, „Macht“ abzugeben …