instruiert werden – XXVII

27. Exkurs: „leiten lernen“ III

Nach 8 Jahren als „Kaplan“[1] wechselte ich erneut, war ein weiteres Jahr Kaplan und danach Pfarrer für den Pfarrverband[2] Bruck/Mur – St.Dionysen-Oberaich. Es galt nunmehr ab 1999 mehr Verantwortung zu übernehmen. Da ich in meinen bisherigen Tätigkeitsfeldern – und die Gegend rund um den Zusammenfluss von Mur und Mürz ist erneut von anderen Menschen und Lebenssituationen geprägt als meine ersten beiden längeren seelsorglichen Erfahrungen[3]. Auch hier der einfache Gedanke: „Hierher bin ich nun gesendet. Die Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, sind für IHN einzusetzen.“ Also erneut: das hehre Ziel der Evangelisierung und die Wirklichkeit, die sich durch Menschen und vorhandene Ressourcen ergeben. Dass dann im letzten Jahr auch eine dritte Pfarre hinzugekommen ist, die in den Pfarrverband integriert werden wollte, tat dieser Spannung, die wohl nicht nur in der Kirche zu leben ist, sondern in vielen Bereichen, keinen Abbruch: „Was vermögen wir – gemeinsam?“

Klar ist – und sollte dies nicht gut genug in den bisherigen kurzen Erfahrungen aus meinen seelsorglichen Einsatzorten[4] zum Ausdruck gekommen sein sei es hier erneut ergänzt: Kirche sind alle Getauften und daher haben alle ihren entsprechenden Anteil an der Sendung[5] – und derjenige, der den Dienst der „Leitung“ innehat, übt diese aus, indem er ermöglicht und befähigt, indem er freigibt und alles auf IHN hin zusammenhält und orientiert[6]. Es geht uns allen in der Kirche ja nicht um uns selbst und „Selbstdarstellung“, sondern darum, die innerste Einheit zwischen Gott und den Menschen und untereinander darzustellen (vgl. LG1). In allen meinen Einsatzorten wurde mir deutlich: „Ich kann und darf (!) nicht meinen, für alles zuständig zu sein – ich habe und muss (!) meinen Dienst für die anderen und mit den anderen leben!“ – „Vergelt’s Gott!“ daher.

Wenn wir als jene, die in die Seelsorge gesendet waren, Laien und Priester, uns immer zu Beginn des Arbeitsjahres zusammengetan haben um die Vielfalt des kirchlichen Lebens in den Pfarren zusammen zu schauen, waren wir immer davon geleitet, worin wir nun wirklich unsere Aufgabe sehen, um unserer Sendung als Kirche zu entsprechen, also: „Wie können wir unseren Beitrag dazu leisten, dass wir deutlich machen, was unser Auftrag als Kirche in dieser Umgebung ist? Und mit wem versuchen wir diesen Auftrag zu leben?“ Ich jedenfalls habe diesen Dienst der Leitung nicht als Bevormundung empfunden, war er doch eingebettet in das Leben, das dann auch heißen konnte, dass manches, was wir sahen, eben nicht umgesetzt werden konnte. Kirche als „Leib“ zu erfahren und zu erleben – nicht etwas, was uns tatsächlich noch zuwachsen muss? Und dabei gilt: nicht nur von den anderen zu fordern, sondern selbst leben; auch das, was Not heißt ist in das Miteinander einzubringen und so weiter … Das Leben und damit auch der Glaube ist zu teilen – in Freud und Leid – und dies inmitten unserer Welt.

Eine der wichtigsten Aufgaben für mich als Pfarrer war es, das „Nebeneinander“ der verschiedenen Wirklichkeiten von Kirche – ob Pfarren, Filialgemeinden oder auch andere Erfahrungsräume – zueinander zu bringen, denn „Deine Freude ist meine, Dein Leid ist meines“. Dieses Leben ist zu fördern – Strukturen hin oder her oder besser, wie auch immer diese aussehen. Sie sind ja Hilfe bzw. Rahmen und nicht das Leben von Kirche. Wie also können wir das Leben von Kirche fördern? – mein Zugang dazu wurde mir in den Aufgabenfeldern vorher schon deutlich; einige beispielhafte Punkte seien benannt:

  • Pfarre ist nicht gleich „Pfarre“. Auch wenn die Rechtsfolgen einer Pfarrgründung dieselben sind: das Leben ist ein je anderes, da ja Menschen die Gemeinschaft der Pfarre bilden. – Dennoch wage ich zu behaupten, dass die Bilder, die wir mit „Pfarrleben“ verbinden und damit auch das Programm, das dort „ablaufen“ soll dies zu wenig realisieren.
  • Als Priester und erst recht als Pfarrer bin ich zu einer gewissen Anzahl von Menschen gesendet. Diese ist zu sehen – systemische Unterteilungen in rechtliche Konstrukte und damit Strukturen sind dem gegenüber sekundär, auch wenn „Pfarren“ gewisse Rechtsfolgen (z.B. die Errichtung von Wirtschaftsräten; Pfarrgemeinderäte konnten schon lange in unserer Diözese auch gemeinsam gebildet werden) nach sich ziehen.
  • Da Kirche aus den Getauften gebildet ist, hat derjenige, der auf Christus als den einzigen Mittler zu verweisen hat, dies als seinen ersten Dienst zu leben – und ins „Miteinander“ und die Art der Gestaltung desselben einzubringen. Dabei hat er die Kompetenz und auch Professionalität der Mitarbeitenden ernst zu nehmen, denn es gilt „wo 2 oder 3 in meinem Namen versammelt sind“. Einwände, die er aufgrund seines Amts im Gefüge des Ganzen hat, sind daher in geeigneter Weise rasch in dieses Miteinander einzubringen.[7]
  • Die Sendung hat im Blick zu stehen, nicht wir selbst.[8] Die Frage nach dem, was „Gott von uns im Heute will“ ist eine beständige und alles andere als banal oder auch keineswegs klar, weil ja die Kirche „immer und ewig“ sei.

[1] Auch in den Berufsbezeichnungen, die für Priester in unserer Diözese üblich sind, kann es sein, dass sich die allgemeinen rechtlichen Begriffe der Weltkirche nicht widerspiegeln. Was bei uns als „Kaplan“ bezeichnet wird ist ein Priester, der in nach wie vor für seinen priesterlichen Dienst in Ausbildung steht und keine „Pfarrerprüfung“ hat. Im Kirchenrecht hingegen ist ein Kaplan „ein Priester, dem auf Dauer die Seelsorge für irgendeine Gemeinschaft oder für einen besonderen Kreis von Gläubigen wenigstens zum Teil anvertraut wird, die er nach Maßgabe des allgemeinen und des partikularen Rechts wahrzunehmen hat“ (can. 564). Erneut wird deutlich, wie sehr das allgemeine Recht in den Ortskirchen zu adaptieren ist bzw. adaptiert wird.

[2] In der Instruktion ist dies am ehesten mit dem Pfarreienverbund zu vergleichen. Wir machten freilich auch die Erfahrung, dass die Bezeichnung „Pfarrverband“ nicht so sehr das Miteinander aller in einer gewissen Region deutlich macht, sondern eher, dass es den „Pfarrer“ gibt, der unterschiedliche Pfarren „verbindet“. – Ganz abgesehen davon, dass manche mit „Verband“ etwas verbinden, das zur Linderung von Schmerzen angelegt wird.

[3] Vor der Priesterweihe lebte ich ein Jahr lang als Pastoralpraktikant und teilweise Diakon in der Grazer Dompfarre und absolvierte dort den von der UNI begleiteten letzten Ausbildungsschritt des Seminars.

[4] https://krautwaschl.info/instruiert-werden-xxv/ bzw. https://krautwaschl.info/instruiert-werden-xxvi/.

[5] Dies wird immer wieder auch in der Instruktion betont.

[6] vgl. auch unser Zukunftsbild.

[7] Dies ist ein anspruchsvolles Leben – kein Zweifel, auch deswegen, weil diese Art vielfach nicht gewohnt ist, zu sehr sind wir von einem anderen Bild von Kirche geprägt, das den Amtsträger „oben“ sieht.

[8] Wenn etwa zu früheren Zeiten in Visitationen der Pfarrer für die Zahl der Kirchenbesucher verantwortlich gemacht wurde, ist dies als Beispiel dafür zu sehen, wie sehr wir versucht sind, uns selbst in den Blick zu nehmen.