instruiert werden XXXIII

33. Leitung der Pfarre IV

„Können Sie mir bitte sagen, worüber Sie mit mir sprechen wollen – in den meisten Fällen bin ich nämlich nicht zuständig.“ Dies aus meinem Mund zu hören ist vielen, die mir begegnen (wollen), nicht unbekannt. Ähnliches gilt demnach auch für die Pfarren. Wenn es um die gemeinsame Sendung geht, dann gilt es eben auch, die übertragenen Verantwortungen ernstzunehmen, damit recht und gut im Sinn des vereinbarten Miteinanders auf Handlungsebene gearbeitet werden kann.

Sind aber wir für diese Art gemeinsam Kirche zu sein wirklich vorbereitet? – Wo gibt es solche „Teams“, die ihren Namen auch verdienen, die eben zunächst und zuallererst unter sich schon so leben, dass der Auferstandene in ihrer Mitte anleitet? Und – gerade auf dem Hintergrund der Instruktion wurde und wird diese Frage gestellt: „Sind Teams wirklich möglich – und damit ein Miteinander ‚auf Augenhöhe‘?“ Deutlich ist aus meinen bisherigen Ausführungen wohl schon geworden, dass das sakramentale Amt in der Mitte des Volkes Gottes verankert ist (vgl. can. 207§1) um diesem zu dienen (vgl. can. 1008)[1]. Daher sagt auch der emeritierte Kirchenrechtler von Würzburg Heribert Hallermann zurecht: “ Auch wenn Priester und Bischöfe kraft ihrer Weihe die Vollmacht besitzen, in der Person Christi, des Hauptes der Kirche, zu handeln, werden sie damit nicht im Sinne einer Machtstellung über andere Gläubige erhoben: Vollmacht bedeutet Rückbindung in Verantwortung an den Vollmachtgeber, und nicht Befugnis zur Machtausübung über andere.“[2]

In einem Vortrag an Bischöfe, Freunde der Fokolar-Bewegung, hat schon 1978 der verstorbene Bischof von Aachen deutlich gemacht: „Wenn das Amt in der Kirche sich auf die von oben verliehene Vollmacht und Sendung gründet, dann ist das Volk Gottes nicht weniger repräsentiert und gegenwärtig, sondern mehr. Wo bin ich mehr da und mehr aufgehoben als in der Liebe dessen, der mein Leben und Sterben und meine Schuld auf sich genommen und in sich ausgelitten hat? Wo bin ich mehr eins mit allen als in dem, der sich für uns alle hingegeben, der jeden einzelnen ganz persönlich und uns alle doch gemeinsam in seinem einen Tod, in seiner einen Hingabe mit dem Vater und miteinander versöhnt hat? Ich bin mehr repräsentiert und mehr mit dem Ganzen geeint, wo nicht von mir, sondern von ihm die Vollmacht dazu ausgeht, daß einer mir seinen Weg zeigt, sein Wort verkündet, das Sakrament seiner Liebe schenkt. Amt aus Vollmacht und Sendung von oben schafft nicht mehr Distanz, sondern mehr Nähe. Es liegt freilich an denen, die diese Sendung annehmen und ausführen, sie als die Gegenwart und den Dienst seiner Nähe durch ihr Leben zu beglaubigen. Was aber letztlich zählt und trägt, ist nicht mein oder dein Einsatz, sondern sein Einsatz, dem alle Sendung und Vollmacht sich verdanken.“[3]

Zwei Dinge nehme ich daher für mich auf alle Fälle mit:

  1. Das Amt, das ich ausübe, habe ich nicht von „mir“: ich bin zunächst und zuallererst mit allen hinein gerufen in die Kirche und dann (!) erst auch zur Kirche gesendet um sakramental den deutlich zu machen, der als der Lebendige mit uns geht.[4] Also: ich habe nicht mich, sondern IHN zu bringen und daher auch – wie alle IHN zu leben.
  2. Nur indem ich IHN lebe – also auch Seinen Dienst [vgl. Fußwaschung, vgl. Phil 2,1-11 u.a.m.] wird das [glaubwürdig] deutlich, was ich sakramental repräsentiere: IHN, der dient.

So das Amt zu verstehen und zu leben erlaubt es einfach nicht, behaupte ich einfach mal, die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten im Leib Christi zu trennen oder auch, ein „oben“ und „unten“ im Sinn von herkömmlichen Machtstrukturen und Ausübung derselben zu denken oder auch zu leben, weil eben wir alle uns IHM verdanken. Freilich: Gerade weil wir wenig geübt sind, so zu denken – unsere Mentalität ist eben zutiefst geprägt von „schwarz – weiß“, von „oben – unten“ etc. – laufen wir immer Gefahr, Differenzierungen und Aufgaben innerhalb eines Ganzen zu schnell als „Diskriminierung“ zu verstehen – unter dem Motto: „Wenn der/die eine ‚mehr‘ zu sagen hat, sind die ‚anderen‘ weniger wert.“ Und – das kann und darf nicht verschwiegen werden: die Ausübung des Dienstes wurde und wird wohl nach wie vor (oft?) dem entsprechend erfahren …

Wieder einmal wird deutlich: die Instruktion lädt ein, auch den Dienst der Leitung unter die notwendige „pastorale Umkehr“ zu stellen und ist daher mir eine große Gewissenserforschung: Lebe ich die Eingebettetheit ins Miteinander von Kirche und – bei mir eben auch ins Miteinander der Apostelnachfolger? Wo und wie wird dies deutlich? Spiele ich den anderen Charismen und Diensten, die wir alle gemeinsam den Leib Christi bilden, ihre Rolle/n zu? Lass ich sie ihre Verantwortung dann auch leben? – Und all das: im Kleinen und im Großen?!

[1] Vgl. hierzu die Ausführungen etwa zur 1. Frage bei der Priesterweihe, in der im deutschen Rituale vom „Leiten“, im lateinischen von „pascere“, im italienischen von „servire“ die Rede ist.

[2] Heribert Hallermann: Über den Unterschied von Gemeinde und Pfarrei. Zur Debatte zum Thema Leitung in der Kirche, in: HerKorr Nr. 9(2020), 50f., hier: 50.

[3] Klaus Hemmerle: Jesus in der Hierarchie (Typoskript), 27.1.1978.

[4] aaO führt Hemmerle kurz vor dem Gedankengang von eben aus: „Sicherlich sind die Erstgesandten die Apostel und in ihrer Zwölfzahl wird deutlich, daß sie die Stammväter des neuen Israel, der Kirche sind. So ist die ganze Kirche eine apostolische Kirche und ist die einmalige und unwiederholbare Sendung der Apostel grundlegend für die Sendung der Kirche im ganzen. Aber ihre Sendung geht nicht nur weiter in der Sendung der Kirche an die Welt, sondern auch in der Sendung derer, die vom Herrn für die Kirche ausersehen sind, um sie zu leiten, zu lehren und zu heiligen. Ihre Sendung für die Welt kann die Kirche nur ausfüllen, indem Jesus als Weg und Hirte, als Wahrheit und Lehrer, als Leben und Priester hier gegenwärtig wird. Und nach der Ökonomie des Heiles sind es eben Menschen, die dieses dreifache Amt Christi für die Kirche wahrnehmen. Sie können es nicht aus sich, sie können es nicht einfach deswegen, weil sie zur Kirche gehören, sondern sie bedürfen dazu der besonderen Kraft des Geistes Jesu, sie müssen unmittelbar herauswachsen aus der Sendung der Apostel, in ihrer Nachfolge stehen: Die Apostel sind Anfang der Kirche und stehen zugleich doch der Kirche leitend, lehrend,·heiligend gegenüber – ihre Nachfolger sind Kirche, sie stehen dabei aber auch im Verhältnis der Apostel zur Kirche, stehen dem Volk Gottes leitend, lehrend, heiligend vor und gegenüber. Nur so bleibt das Sakrament der einzigen Mittlerschaft Christi in der Kirche lebendig. Auf diese Weise hat es von allem Anfang an die Kirche allüberall verstanden und geübt, so allein geht die Sendung Christi organisch weiter.

Wie immer also die Amtsträger aus der Mitte des Volkes Gottes ausgesucht werden, ihre Vollmacht ist nicht delegiert von jenen, die sie bestellen und für die sie bestellt sind. Es ist Dienst Christi für sie, der auch in seiner besonderen Gnadengabe und Sendung verankert sein muß. Wer seine Vollmacht allein auf jene zurückführt, die er vertritt, in dem kann nicht Christus als das Haupt jenes wirken, was eben nur er wirken kann. In jenem kann auch nicht über den Kreis der aktuellen Mitglieder dieser  Gemeinde oder Kirche hinaus die Kirche als ganze, als die Zeiten übergreifende communio sanctorum gegenwärtig werden.“