instruiert werden – XXXV

35. Leitung der Pfarre VI

Meine prinzipiellen Gedanken zur „Leitung“ sind nun doch ausführlicher geworden als ich es ursprünglich vorhatte. Dass es mehrere Möglichkeiten gibt, diese Leitung Priestern zu übertragen, ist klar und wird eben von 66-77 bzw. 87-93 ausgeführt. Hierzu ergänzt m.E. der frühere Würzburger Kirchenrechtler Hallermann: „‚Monopolistisch‘ […] ist Leitung [..] dort und nur dort rechtlich geregelt, wo es um die Ämter in den kirchlichen Verfassungsstrukturen geht, deren Inhalt die Hirtensorge oder die umfassende Seelsorge (cura pastoralis) ist: Es geht um das Amt des Diözesanbischofs und um das Amt des Pfarrers. Der Inhalt der Hirtensorge wird am Beispiel der Pfarrei in den cc. 528 und 529 CIC rechtlich umschrieben. Eine ganze Reihe der dort beschriebenen Aufgaben, zu denen die Feier der Eucharistie gehört, die zum Mittelpunkt der pfarrlichen Gemeinschaft der Gläubigen werden soll, setzt zur Ausübung den Empfang der Priesterweihe voraus. Gemäß c. 150 CIC/1983 kann aber ein Amt, das der umfassenden Seelsorge dient, zu deren Ausübung die Priesterweihe erforderlich ist, jemandem, der die Priesterweihe nicht empfangen hat, nicht gültig übertragen werden. So ergibt sich logisch aus c. 521 § 1 CIC/1983, dass das Kirchenamt eines Pfarrers gültig nur einem dafür geeigneten Priester übertragen werden kann. Nicht ‚monopolistisch‘ ist allerdings die Ausübung dieses Amtes konzipiert, denn c. 519 CIC/1983 zeigt, dass das Amt des Pfarrers nur in Kooperation mit anderen Gläubigen wirksam ausgeübt werden kann (vgl. auch c. 529 § 2 CIC/1983). Dass die Praxis mitunter ganz anders aussieht, ist nicht der Rechtsordnung anzulasten.“[1]

Auch Hallermann betont: es geht ums Leben – und daher: wie leben wir unsere gemeinsame Sendung von Kirche, die alle (!) in die Umkehr ruft: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium!“ gilt eben nicht nur „für die jeweils anderen“, sondern zunächst und zuallererst jedem und jeder von uns und damit auch der Art, wie wir uns selbst in unserem Dienst am Ganzen verstehen. Gerade deswegen – man kann nie prinzipiell genug sein – ein weiterer Ausschnitt aus der Betrachtung, die Klaus Hemmerle vor Bischöfen, die der Fokolar-Bewegung nahestehen, 1978 gehalten hat, der eben – erneut – deutlich macht, wie notwendig dieses Wesensmoment christlichen Daseins ist, da wir sonst anderen zum Ärgernis werden: „Es ist gewiß ein besonderes Licht und ein besonderer Antrieb des Geistes für unsere Zeit, daß so viele Menschen, gerade auch junge Menschen, wieder die Gestalt Jesu lieben lernen. Das Evangelium, die Weise Jesu , vom Vater zu sprechen und sich über den niedrigen und kleinen Menschen mit ganzer Liebe zu beugen, wirkt für den Menschen von heute ungemein anziehend, der sich so oft vaterlos, ungeliebt, entfremdet, versklavt und abgeschrieben fühlt. Daß dieser Jesus uns in jedem Nächsten begegnet und daß wir durch sein Wort lebendigen Kontakt mit ihm haben können, daß er tiefer inwendig als unser Innerstes in uns leben will und auch daß·er dort zugegen sein will, wo wir uns in seinem Namen versammeln, dies spricht die Menschen an, das erscheint wie die unmittelbare Nähe seines Geheimnisses zu uns. Ein ganzes Stück bereits schwieriger wird es manchen, Jesus in der heiligsten Eucharistie anzunehmen. Das Ärgernis des Wortes Jesu bleibt: „Mein Fleisch essen und mein Blut trinken“ (vgl. Joh 6,53). Freilich, wer mit diesem Jesus zu leben anfängt, der fängt auch an zu verstehen, warum er sich bis zu Brot und Wein, zu Speise und Trank entäußert, um sich ganz mitzuteilen und uns ganz zu durchdringen.
Doch ein anderes Ärgernis ist noch größer als jenes von Brot und Wein, in denen der Herr sich gibt: das Ärgernis des Menschen, der beansprucht, im Namen des Herrn zu den anderen Menschen zu kommen, ihnen verbindlich seine Wahrheit und seinen Willen auszulegen, sein Heilshandeln in ihrem Wirken gegenwärtig zu setzen. Unter den Quellen, aus denen uns die Gegenwart Jesu hier und jetzt zuströmt – Jesus im Wort, im Sakrament, im Bruder, in mir selbst, in unserer Mitte, in der Eucharistie, im Amt der Kirche – ist die letztgenannte jene, zu der gerade die Menschen von heute am schwersten Zugang finden.
Wir kennen die Einwände, die immer wieder erhoben werden: mit der Berufung auf göttliche Vollmacht werde menschlicher Machtwille verbrämt; der Geist Gottes werde in eine institutionelle Vollmacht gebannt, die zur Herrschaft des Menschen über den Menschen führe; die Gleichheit aller werde verletzt, indem nicht das ganze Volk Gottes als apostolisch in der Nachfolge der Apostel gesehen wird, sondern einzelne als Nachfolger der Apostel gelten; man berufe sich auf spätere Schichten der Schrift, in denen bereits die ursprüngliche Botschaft Jesu von kirchlichen Machtinteressen überfremdet sei.“[2]

[1] Heribert Hallermann: Über den Unterschied von Gemeinde und Pfarrei. Zur Debatte zum Thema Leitung in der Kirche, in: HerKorr Nr. 9(2020), 50f., hier: 51.

[2] Klaus Hemmerle: Jesus in der Hierarchie (Typoskript), 27.1.1978.