Kirche im Lockdown (?) – VII

Ich habe mich eine Zeitlang gefragt, ob ich wirklich eine private Übersetzung des Interviews mit Kardinal Grech an den Beginn meiner Blog-Einträge zum Lockdown im Herbst 2020 stellen soll. Und: ich habe mich gefragt, ob ich das ganze Interview bringen soll. Wie zu sehen: ich habe beides mit „ja“ beantwortet, weil ich sehe, wie wichtig gerade in einer Krisenzeit, in der alles fixiert ist und wie gebannt agiert, damit aber auch eingeschränktem Gesichts- und wohl auch Wahrnehmungsfeld. Ich habe dies immer wieder bei mir erfahren: in herausfordernden Situationen sind mitunter normalste Abläufe nicht mehr möglich. Der Kreis, in dem man denkt und sich bewegt, ist klein/er und mitunter sehr eng.

Gerade in solchen Herausforderungen tun Worte und Überlegungen „von außen“ gut, ist der erhobene Blick und nicht das bloße „um sich selbst Kreisen“ angesagt, so deutlich es auch wird, dass einem in der Krise eben das eigene Hemd näher ist als der Rock. So verstehe ich die Überlegungen des eben zum Kardinal erhobenen neuen Generalsekretärs der Bischofssynode. Und tatsächlich: er „öffnet“ meinen Blick – und hoffentlich auch den anderer in einer Zeit, in der alles rundherum „zu“ ist. Ob ich Kardinal Grech nun völlig zustimme oder nur teilweise tut dieser Art das Leben zu gestalten keinen Abbruch, denn: vielleicht gelingt es mir durch diese Worte meinen sprichwörtlichen Stand-Punkt zu verlassen, um dadurch zur selben Situationen einen etwas anderen Blickwinkel zu gewinnen, der mir vielleicht einen Schritt eröffnet, den ich – würde ich auf meinem Standpunkit beharren – nicht gesehen hätte. –

Und das gilt dann freilich auch für anderes: Auch das Wort der Heiligen Schrift erhebt mich eigentlich täglich aus dem „Trott“, aus dem „um mich herum kreisen“, weil es mich mit IHM in Berührung bringt und mich einlädt, alles mal „mit Seinen Augen“ anzuschauen. Nicht umsetzt lade ich nunmehr schon seit einem Jahr ein, ein Wort aus den Lesungen des jeweiligen Tages als „Wort zum Leben“ mit in den Alltag meines Seins zu nehmen. Dort nämlich erweist sich mein Christsein – auch am Ende der Zeiten (vgl. die Gerichtsrede im Evangelium von Matthäus im Kapitel 25 [Mt 25,31−46) wird gefragt, was ich aus dem Leben des Glaubens im wahrsten Sinn des Wortes gemacht habe. Klar: damit mir das selbst und uns allen als jene, die in der Nachfolge Jesu Christi stehen, in Erinnerung gerufen wird und wir uns je neu bewusst auf den Weg machen dazu, braucht es auch das Zusammenkommen als Kirche, eben als Gemeinschaft der Herausgerufenen, doch am Ende des Daseins geht es darum, ob ich der Schwester bzw. dem Bruder nahe war in ihren bzw. seinen Nöten. Dieser Gedanke kommt in mir gerade in diesen Tagen und Wochen immer wieder hoch, da da und dort Kirche beinahe reduziert wird auf die Feier von Gottesdiensten. Kirche ist mehr – daran habe ich in meinem Hirtenwort am Ende des 1. Lockdowns erinnert.

Mein Vorgänger im Amt, Bischof Egon Kapellari, war stets darum bemüht, die „Dinge zusammen zu halten“. Gerade in Extremsituationen kann es allzu leicht geschehen, dass man der Gefahr erliegt, gleichsam auf „eine Seite zu kippen“. Ich hoffe, dass wir in diesen Tagen als Kirche hier bei uns in der Steiermark deutlich machen, dass wir auf der Seite der Menschen stehen und mit ihnen auch durch diese dunkle Zeit gehen, auch wenn uns vieles an „Üblichem“ genommen ist.