Kirche im Lockdown (?) – XVII

Mitunter wird der Advent als „stillste Zeit des Jahres“ bezeichnet. Heuer hat das sicher – zumindest in den Tagen des Lockdowns, in dem wir nach wie vor leben, einen ganz anderen Sitz im Leben als in den vergangenen Jahren der Umtriebigkeit, mit der wir uns auf Weihnachten üblicher Weise in unseren Breiten vorbereiten. Freilich: auf sich selbst zurückverworfen zu sein, Stille auszuhalten, ist alles andere als leicht: viele von uns sind es nicht gewohnt, da es fast dauernd Möglichkeiten gibt, sich dem zu entziehen. – Ich ergänze sofort, dass so manche Herausforderungen sich gerade erst durch den Lockdown ergeben und es gerade daher auch schwer sein kann, „heilsam“ in Stille zu gehen.

Ich habe Gott sei Dank die Möglichkeit, einige Meter neben Wohnung bzw. Büro eine Kapelle zu haben. Dort weiß ich alles aufgehoben. Dort kann ich alles hinlegen. Dort komme ich zur Ruhe im Getriebe des Alltags, feiere derzeit täglich die Messe[1], halte Anbetung, das Stundengebet oder einfach Stille. Dort ziehe ich mich das eine oder andere Mal auch in Ruhe zurück, um vor IHM und mit IHM mein Dasein anzuschauen: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken“ (Mt 11,28). Diese Erfahrung möchte ich nicht missen.

Vielleicht lässt sich auch bei Ihnen zu Hause ein kleines Fleckchen als „ihr persönlicher Rückzugsort“ gestalten? Damit ist nicht unbedingt eine gewisse Quadratmeteranzahl gemeint – oft genügt eine Kerze, ein Kreuz an der Wand; in meinem Wohnzimmer etwa sind es viele Sterbeandenken oder auch Anzeigen von Taufen und Trauungen, die mich einladen, immer dann wenn ich meinen Blick flüchtig darauf werfe, dieser Menschen und ihrer Schicksale zu gedenken. Gerade das Gebet ist in Zeiten der aufgezwungen Zurückgezogenheit eine große Brücke, die wir zwischen uns aufrichten können. Das wird mir auch bei den Übertragungen der Messfeiern täglich bewusst und bei so manchen Kommentaren auf die Hoffnungs- und Mutworte, die wir nicht müde werden, gerade in diesen Tagen in unsere Welt hinein zu sagen.

Manchmal aber ist auch einfach ein Da-Sein notwendig und damit Not wendend. Unter dem Motto: „Da bin ich Herr und Gott. Ich schaue Dich an und Du schaust mich an.“ Ohne Worte. Wie auch Liebende sich mitunter ohne zu sprechen gut, ja sehr gut verstehen. – Natürlich: dies kann auch bedeuten, die Geschäftigkeiten hintan halten zu müssen, denn „zu tun“ ist wohl für alle bedeutsam, sind wir doch in einer Gesellschaft groß geworden, für die „zu schaffen“ auch ein Stück weit identitätsstiftend ist. Gerade jetzt aber kann uns aus unserem gemeinsamen Glauben deutlich werden: Nicht mein Tun, sondern mein Sein gibt mir Würde und Wert. Ich möchte mich und uns einladen, dafür die kommenden Tage im Advent zu nutzen.

[1] Im „üblichen“ Programm bin ich lediglich ein Mal pro Woche in der Bischofskapelle, da ich dann fast täglich in Ordensgemeinschaften oder Pfarren mit den Gläubigen Eucharistie feiere.