Miteinander – füreinander

Das Fest der Dreifaltigkeit, am Sonntag nach Pfingsten gefeiert, ist vielen alles andere als leicht verständlich. Ich selbst habe versucht, bei der heutigen Aushilfe in Graz-St. Elisabeth in Webling nach dem Ende des Einkehrtags im Priesterseminar und meiner Stimmabgabe bei der Wahl des Bundespräsidenten folgendes zu predigen:

„Fast jedes Kapitel im Johannes-Evangelium enthält Passagen, in denen vom innigen Miteinander des Sohnes mit dem Vater die Rede ist; das heutige Evangelium (Joh 16,12-15) bringt  diese Einheit in Verbindung mit dem Geist und weist daher den Weg zu einem Verstehen Gottes als des Einen und doch Dreifaltigen. Aufs Erste ist diese Wirklichkeit nur schwer zu verstehen – und wird daher auch oft ausgeblendet; wenn ich mich richtig erinnere, sprach sogar der berühmte Theologe Karl Rahner davon, dass wohl nicht viel in den theologischen Büchern verändert werden müsste, wenn der Heilige Geist nicht als Person Gottes angesehen werden würde … Die rein begriffliche Durchdringung der Wirklichkeit Gottes als des Dreifaltigen hat auch mich nicht sonderlich bewegt. Mit der Zeit habe ich aber mehr und mehr darüber nachgedacht, was es bedeutet, dass der Mensch die Realität dieses – dreifaltigen – Gottes abbildet, wenn wir von ihm sagen, er sei als Ebenbild Gottes erschaffen. Als ich so zu denken begonnen habe, wurde es für mich immer spannender, dieses Glaubensbekenntnis abzulegen.
Ich erfahre mich zunächst als Individuum. Und das ist gut so. Unaustauschbar bin ich, einmalig, einzigartig. Meine Lebensgeschichte ist in diese Welt eingeschrieben und unwiederbringlich. In derselben Art und Weise und ähnlich mich bestimmend gibt es aber auch noch eine andere Erfahrung: Ich bin auf ein Du verwiesen, auf Beziehung und Liebe hin angelegt. Wer ich bin, erfahre ich deutlich in der Auseinandersetzung mit anderen. Da gibt es andere Meinungen, da gibt es Personen, die anders denken, anders aussehen usw. und die dadurch mein Ich verstärken: ich bin eben Wilhelm Krautwaschl auch deswegen, weil die anderen mich so nennen und als solchen anerkennen. Der Mensch ist also ein Individuum und zugleich Gemeinschaftswesen. Soweit so gut. Aber es gibt noch eine dritte Erfahrungsebene: die Einheit zwischen ich und Du, zwischen Individualität und Gesellschaftswesen. Und auch die wird vielfach erfahren und ist zugleich etwas ganz Anderes als das, was wir täglich an Kompromissen oder „über den Tisch ziehen des einen vom anderen“ erleben. Alltäglich erfahre ich dies auch in meinem derzeitigen Dienst: da kommt jemand mit einem Anliegen zu mir. „Höre ich mir es an? Weise ich es von vorn-herein ab?“ Oder aber: Lade ich die Person ein, dieses Spiel wirklichen Miteinanders zu leben: du bringst wirklich alle deine Argumente vor, ohne mit irgendeinem hintan zu halten und „legst es in die Mitte“ und danach mache ich das Gleiche. Wir beide stellen uns damit einem „Dritten“, von dem wir ja wissen: wenn wir in Liebe einander begegnen, ist Er als der Lebendige und Auferstandene unter uns. Und wir sehen es als Gewinn an, wenn wir durch die wechselseitige Darlegung all unserer Argumente zu einem Ergebnis kommen, das weder ihn bzw. sie noch mich als Sieger vom Platz gehen lässt. Oft ist es tatsächlich so, dass etwas ganz Neues entsteht, zu dem beide Seiten 100%ig stehen können.
Das ist ein herausfordernder Lebensstil, weil wir ihn auch nicht gewohnt sind, weil wir in alten Denkschemata etwa des Entweder-Oder zutiefst gefangen und gefesselt sind von „oben“ und „unten“; zugleich aber ist dieser auch Geschenk, weil er nicht machbar ist. Aber: es ist einer, der tatsächlich Kirche erfahrbar werden lässt – eine Kirche, die nicht nur im Namen die Gemeinschaft der Herausgerufenen ist, sondern eine, die deutlich zum Ausdruck bringt, wer ihr Leben gibt, weil ER, der Auferstandene bestimmt, wo’s langgeht, Gott selber also in ihrer Mitte wohnt.“