Wage zu träumen – XL

Abstand halten

Immer wenn ich meine Stopp-Corona-App am Morgen wieder in Betrieb nehme und meinen bislang immer möglichen Eintrag „keine Symptome“ anklicke erscheint das Wort vom „Abstand halten“. Es wurde zu Beginn der Pandemie dann mit einem englischen Begriff eigentlich falsch interpretierend in unsere Sprachwelt übertragen: „social distancing“ meint nicht so sehr physisch Abstand zu halten, sondern sich von größeren Menschenansammlungen real fernzuhalten.

Die Beziehung darf und kann nicht in den „Lockdown“ gehen, sie müssen – anders zwar und daher auch mit anderen Mitteln – gelebt werden. Weil der Mensch eben ein soziales Wesen ist. Gerade deswegen schmerzen die Beschränkungen auf diesem Gebiet sehr – ich denke an die Kunst und alles, was mit Kultur zusammenhängt; ich denke an die gemeinsamen Feiern – ob im Familienkreis oder auch in gottesdienstlichen Zusammenkünften; ich denke an die sehr eingeschränkten [aber diese gibt es wenigstens!] Besuchsmöglichkeiten in Krankenhäusern und Pflegeheimen etc. Ich denke auch an die vielen Ideen, die in den letzten Monaten umgesetzt wurden, um die räumliche Nähe zu überwinden: eine Videokonferenz oder ein Videotelefonat könnten eine persönliche Begegnung mit der Möglichkeit den ganzen Menschen in seiner „Sprachwelt“ wahrzunehmen nicht ersetzen, ermöglichen aber dennoch so manches an gemeinsamem Beraten und auch Entscheiden. Ich denke auch an meine Mutter – mittlerweile 90 Jahre alt lebt sie im Pflegeheim in Gleisdorf: als nach dem ersten Lockdown Besuche im Freien ermöglicht wurden, teilte sie uns Kindern mit, ja nicht auf die Idee zu kommen, sie zu besuchen, denn im Freien und auf die Entfernung können sie uns nicht hören bzw. verstehen. Wir sollten sie lieber anrufen – unsere Gesichter kenne sie ohnedies … Auch die Stimme zu vernehmen kann so manche Distanz überwinden (helfen).

Ja: es wäre fatal, wenn es einen Beziehungs-Lockdown gäbe! Gerade deswegen ist es notwendig und damit Not wendend, kreativ zu werden, um Nähe zum Ausdruck zu bringen, die zum (Über)Leben gebraucht wird!