Kirchen-Entwicklung

In diesen Tagen bin ich wieder über einen Artikel und damit bedenkenswerte Sätze von Hans-Joachim Sander gestolpert, die ich mir ins Stammbuch für mein Priestersein und damit auch die Entwicklungen, die Kirche zu gehen hat, schreiben muss:

„Entscheidend sind nicht die Entscheidungen der Kirche über ihre pastorale Administrierung, sondern was das für die Weitergabe des Glaubens bedeutet. Die Pfarrverbände, also das Teilen des Pfarrers, sind rechtfertigungspflichtig gegenüber der Fähigkeit der Kirche, den Glauben zu teilen im Sinne von partager. Welche missionarischen Effekte lassen sich dadurch erzielen, oder welche Mission wird dadurch unmöglich? Pfarrverbände sind auch Seelsorgeräume. Entscheidend ist dabei die Identifizierung mit den Räumen. Denn Räume sind stets von mehr belebt und bewohnt als von denen, die man dabei im Blick hat. Diese Räume sind von Diskursen durchzogen und von Orten geprägt, die prekär sind, weil sie keine Utopias sind, sondern „andere Räume“ darstellen. „Andere Räume“ sind Orte, die es tatsächlich gibt und denen man nicht ausweichen kann, obwohl sie Anfragen darstellen, die selbstverständliche Ordnungsmechanismen aufbrechen und konterkarieren. Michel Foucault nennt sie Heterotopien. Es gibt sie im großen Maßstab dort, wo Menschen um die Anerkennung ihrer Würde ringen müssen. Und es gibt sie im kleinen Maßstab dort, wo Menschen in ihrem Leben von etwas durchkreuzt werden, das sie in radikal veränderte Lebensperspektiven stellt. Diese Heterotopien sind bedeutsame Orte in den Seelsorgeräumen. Wenn die Aufteilungsart der Pfarrer in einem Pfarrverband das Entdecken, Aufsuchen und Sich-Aussetzen dieser Andersorte befördert, dann passt es in die komplexe Wirklichkeit Kirche. Wenn aber das Gegenteil geschieht, dann wird diese Teilungstaktik der societas perfecta die Kirchenkrise verstärken und ihren gesellschaftlichen Abstieg beschleunigen. Den christlichen Gott glauben, setzt mit der anderen Teilungsart an, dem Teilen von Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, insbesondere der Armen und Bedrängten aller Art. Diese Teilungsart hat unseren Glauben über die Jahrhunderte hin begleitet und gestärkt. Sie wird sich auch jetzt wieder durchsetzen, aber es kann sein, dass es auf Kosten der Kirche als societas perfecta geht. Aber darauf kommt es nicht wirklich an, wenn gilt: „Versammelt im Namen des Herrn“.
In: Sander Hans-Joachim: Pfarrverbände – den Pfarrer oder den Glauben teilen?, in: Österreichisches Liturgisches Institut (Hg.): Heiliger Dienst 67(2013) Nr. 1, 43-49, hier: 49.