Bischofskonferenz – in diesen Zeiten

Hinterher ist man meistens gescheiter. Und erst recht, wenn man aus Distanz beobachtet. Das sind zwei Gedanken, die mich dazu veranlasst haben, so manches zu notieren, das sich in den letzten Wochen ereignet hat. Ich tue dies nicht unbedingt in der Art einer zeitlichen Rückschau, sondern eher „aus dem Bauch heraus“, nach verschiedenen Themen strukturiert – und hier in unregelmäßigen Abständen. Und: ich habe kurz vor Ende der strengen Ausgangsbestimmungen meine Gedanken zu schreiben begonnen …

Neue Ordnung: d. h. unter anderem, auch für die abgesagte Frühjahrsvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz eine Art und Weise zu finden, miteinander voran zu schreiten. Und auch hier: das Neue gilt es von einem Tag auf den anderen gleichsam „aus dem Boden heraus zu stampfen“. So „treffen“ sich seit Mitte März die beiden österreichischen Erzbischöfe und je ein weiterer Bischof aus den beiden Metropolien einmal pro Woche für 2-3 Stunden in einem virtuellen Raum. Dort geht es darum, anstehende Fragen im Austausch so aufzubereiten, dass wir recht rasch – meist im Umlaufverfahren – anstehende und notwendige Entscheidungen im Plenum der Österreichischen Bischofskonferenz treffen können. Anfangs noch telefonisch, später dann in einer Videoschaltung und zwischendurch als ganze Bischofskonferenz wurden auf diese Art und Weise unbedingt notwendige Dinge der Frühjahrsvollversammlung aufgearbeitet und zugleich versucht „auf Sicht“ nächste Schritte in einem Terrain zu setzen, das allen unbekannt war und – geben wir es zu – nach wie vor ist. Mit mitunter „heiteren“ Seiten: so etwa gab es am 28. April eine Videokonferenz der ad-hoc-Kommission, wie wir sie nennen; kurz davor hat die Regierung die Lockerungen der Beschränkungen in einer Pressekonferenz bekannt gegeben – unsere Arbeit an den Richtlinien für die Feier der Gottesdienste musste teilweise neu aufgesetzt werden. Die Erwartung an die Verordnung des Gesundheitsministers, die spätabends am 30. April erschienen ist, war dann eine ebenso hohe: „Werden hier wiederum neue und uns bislang nicht bekannte Details eingeführt?“ Dass dann in einer Zeitung am 1.5. Leserbriefe abgedruckt werden, die Daten kritisierten, die an diesem Tag nicht mehr aktuell waren, macht deutlich: egal was und wie Entscheidungen getroffen werden, sie haben immer einen „Vorbehalt“: Sicherheiten sind uns eben derzeit genommen – und daran gibt es nichts zu beschönigen, und mit dieser Herausforderung zu leben ist alles andere als leicht – wiewohl wir als Glaubensgemeinschaft genau das eigentlich zu unserer Kernbotschaft zählen …

All das ist auch eine Anforderung an das Miteinander unter uns Bischöfen: Einige Male haben wir uns – die aus der Salzburger Metropolie – zusätzlich virtuell getroffen, um aufeinander zu hören, unsere persönlichen Sichtweisen einander zu schenken, Fragen an die Situation zu stellen, einfach gesagt: um gemeinsam in unwegsamem Gelände am gemeinsamen Seil unserer Kirche voranschreiten zu können. Ob wir in allem und jedem uns richtig entschieden haben, kann und will ich nicht behaupten – davon bin ich alles andere als überzeugt schon ob der Geschwindigkeit der Veränderungen und die Nachbetrachtung in der Geschichte wird wohl so manches benennen. Zugleich aber gilt zu sagen: wir haben uns in diesen Wochen redlich bemüht, im Angesicht Gottes, betend um den Heiligen Geist, vertrauend auf die Nähe Gottes gemeinsam Schritte des Lebens zu setzen innerhalb eines sehr eingeschränkten Rahmens an Möglichkeiten „Kirche auszudrücken“. Wir haben bemerkt, wie sehr wir als Kirche in Österreich geprägt sind von unseren Formen, in denen wir gewohnt sind, unseren Glauben zu leben. Die Herausforderungen, die sich den Christen unserer Heimat – wie alt oder jung sie auch sind, wie „kirchenfern“ oder auch „kirchennah“ – waren und sind große.
Kirche ist mehr als Kommunion,
Kirche ist mehr als Messe,
Kirche ist mehr als Sakramente,
Kirche ist mehr als Gottesdienste –
so wichtig diese Feiern als Mittel auf dem Weg des Glaubens auch sind.
Kirche ist auch (!) gelebte Nächstenliebe,
Kirche ist auch (!) persönliches Gebet,
Kirche ist auch (!) Begegnung mit dem Wort Gottes und Leben daraus,
Kirche ist auch (!) Ernstnahme des gemeinsamen Hauses „Welt“,
Kirche ist auch (!) Blick auf und leben mit den Menschen am Rand, usw.

Der Dienst der Kirche in unserer Gesellschaft schlechthin kann umschrieben werden mit den Worten: die persönliche Beziehung zum Schöpfer, zu Gott zu nähren. Ich bin ehrlich gespannt darauf, ob sich ein „weites“ Bild von Kirche in die Gedanken, Worte und Werke der Getauften einprägt, oder ob wir relativ rasch zum „normalen Programm“, zum „gewohnten Alltag“ eines sehr auf ein Moment kirchlichen Lebens reduziertes Verständnis der Gemeinschaft der Herausgerufenen zurückkehren. Ich ergänze sofort – auch weil ich eben von „entweder – oder“ gesprochen habe – dass wird nicht der Versuchung verfallen dürfen, ein Standbein kirchlichen Lebens gegen das andere auszuspielen. Liturgie und damit die Feier der Gottesdienste und (!) Dienst am Nächsten als gelebte Caritas und (!) bezeugter Glaube durch Leben und Wort und (!) Gemeinschaft (communio) von Gott mit uns und untereinander gehören zusammen – und dann sind wir jene Gemeinschaft, die von sich sagen kann: „Wir gehören dem Herrn!“