instruiert werden – X

10. Erneuerung

Im 6. Kapitel der Instruktion (34-41) wird deutlich, dass jede Erneuerung, jede Umkehr sich nur dort wirklich dauerhaft erweist, wo es „neue Menschen“ gibt. Meine eigene Erfahrung lehrt mich zum einen die Richtigkeit dieser Behauptung, zum anderen aber auch, dass sich wohl viele gerade damit nicht leicht tun: „Sollen sich doch die anderen ändern …!“ Oder auch: „Bei uns ist eh alles in Ordnung.“ Oder – wenn ich auf mich selbst schaue: bis eine Erkenntnis, die ich als wichtig erachte, vom Hirn bis in die letzten Fingerspitzen gelangt ist und sich in dauerhaft neuem Lebensstil erweist, scheint es mitunter schier unüberwindbare Hindernisse in mir zu geben. Bekehrung tut not. Und gerade deswegen betont die Instruktion in diesem Abschnitt erneut die Notwendigkeit der pastoralen Umkehr. Diese ist freilich alles andere als einfach, da nicht nur durch die Professionalisierung kirchlichen Betriebes, zumal in unseren Breiten, mit dieser auch eine gewisse Bürokratisierung einhergeht. Und da spreche ich noch nicht davon, dass wir in unserer Arbeit „vor Ort“ auch herausgerufen sind, staatliche Vorgaben einzuhalten, wenn wir Kirche „organisieren“. Ich denke da zunächst an so manche innerkirchliche „Behäbigkeit“, (missionarische) Impulse einfach mal zu leben – auch ohne dass am berühmten „grünen Tisch“ vorab alle Für’s und Wider’s abgewogen und eine kritische Reflexionsschleife – vielleicht sogar mehrmals durchlaufen wird, um es überspitzt zu formulieren. In den letzten Wochen und Monaten der COVID-Krise in der Welt und damit auch unserer Kirche erinnere mich an einige Ereignisse, vor allem zu Beginn, durch die mir das blitzlichtartig durch den Kopf gegangen ist. Ein Beispiel hierfür mögen genügen: „Hat Dein Ordinariat schon auf Krisenmodus umgeschaltet und damit das in den Blick genommen, was jetzt notwendig, richtig und wichtig ist?“ hat mich ein bischöflicher Brüder einige Tage nach dem lockdown wohl Ende März 2020 gefragt. Und tatsächlich: in manchen Bereichen wurde so weitergearbeitet, als ob es den „Normalbetrieb“ zu gewährleisten gelten würde – und damit wurde teilweise den Mitarbeitenden in der Seelsorge, die ohnedies sich mit wahnsinnig viel Neuem umherschlagen mussten, mitunter Zusätzliches aufgebürdet. Ich musste mir dann in einer persönlichen Reflexion dann zwar eingestehen, dass es durchaus möglich ist, sich aufgrund von krisenhaften Phänomen in Mehr-Arbeit zu stürzen, um den Fragen der Krise und den damit notwendigen Veränderungen auszuweichen, doch sich die „Ruhe zu gönnen“, um nach dem „Willen Gottes dieses Augenblicks“ zu fragen will auch gelernt sein. – Ein zweites Beispiel, das mir schon vor Jahren begegnet ist: ein priesterlicher Freund von mir war mehr als 10 Jahre Spiritual. Als dann vom Ordinariat auf der damaligen Homepage der Diözese eine Liste von Personen veröffentlicht werden sollte, die geistliche Begleitung anbieten, wurde es ihm zunächst verweigert, da er die Ausbildung dafür nicht hätte … Wir stehen uns – bei allen berechtigen Fragen, die aufgeworfen werden – mitunter selbst im Weg: innere Abläufe etc. gewinnen gegenüber dem, „was der Geist den Gemeinden sagt“. Die evangelisierende Strahlkraft und damit die Sendungsperspektive von Kirche läuft da schon Gefahr, auf der Strecke zu bleiben. Mitunter beschleicht mich der Verdacht, dass wir uns auch aufgrund unserer „Über-Organisation“ schwertun, Veränderungsnotwendigkeiten zu akzeptieren, die eine „Systemveränderung“ mit sich bringen.

Wenn ich an den Beginn meiner Tätigkeit als Bischof zurückdenke: einiges an Veränderungsnotwendigkeit stand an – davon war einiges „in der Luft“. Mir war eigentlich von Anfang an klar, dass – will ich Kirche in ihrem Wesen ernstnehmen – es nicht nur um „Kosmetik“ in manchen Organisationsabläufen etc. gehen kann. Beim ersten großen Referat vor den Pfarrern unserer Diözese im Herbst 2015 habe ich von manchen Punkten gesprochen, die dann in den Begriff „Perspektivenwechsel“ gefasst wurden[1], also Bekehrung um ein geistliches Wort zu gebrauchen. Was nutzt es, wenn zwar Reglements verändert werden würden, deren Sinn und Stoßrichtung, vor allem aber jene die dem entsprechend leben sollen nicht im Blick sind? Andererseits: nur „Geistliches“ zu betonen würde Gefahr laufen, die Realität aus dem Blick zu nehmen. Kirche ist eben eine Wirklichkeit, die beides in sich vereint: Geistiges und „Handfestes“ sozusagen. Und wir wagten uns dann ab 2016 verstärkt daran, Veränderungsschritte anzupacken. – Es ist daraus nicht nur ein schneller Prozess mit vielen damit verbundenen Risiken geworden, auch deswegen, weil uns dabei deutlich wurde, wie viel an Inhalten zu bedenken sind, sondern auch einer, der wohl noch Jahre brauchen wird, um wirklich unser Verständnis von Kirchesein von innen heraus umwandelt und erneuert. – Da wir eine sehr gut strukturierte Kirche sind, wählten wir den Weg über die Entfernung einer Struktur – die des Dekanats als einer Ebene, die im Leben der Christgläubigen unserer Diözese ohnedies nicht „besonders verankert“ war – um dadurch gegebenenfalls die Frage – neu – aufstehen zu lassen, von der wir uns in der Seelsorge ohnedies leiten lassen müssten: „Was willst du, Gott, von der Kirche von Graz-Seckau am Beginn des 21. Jahrhunderts. Dass ohnedies in der Vorbereitung auf unser Diözesanjubiläum 2018 noch unter meinem Vorgänger bekanntgegeben wurde, dass es an dessen Schluss einen „Kompass“ geben werde, wie wir uns als Kirche verstehen, „erleichterte“ den Start. Freilich muss ich sofort ergänzen: die Dynamik, mit der manches losging, konnte ich nicht erahnen, auch weil wir für die einzelnen Schritte versuchten möglichst viele einzubinden.

Klar war von Anfang an und auch kommuniziert, dass wir diese Wege in Übereinstimmung mit der Weltkirche gehen – es ist ja leichter, einzufordern, dass „die anderen“ sich ändern müssen ehe ich Bereitschaft hierzu zeige. Die Referate vor den Pfarrern und anderen in der Seelsorge und im Ordinariat Angestellten jeweils zu Beginn des Arbeitsjahres in den kommenden Jahren machen diesen Suchprozess deutlich[2]. Deutlich wurde dabei auch, dass wir in unserem Leben von Kirche Gefahr laufen, von Bildern angeleitet zu sein und zu werden, die wir nicht abgleichen – in der Umsetzung so mancher Überlegung unserer diversen Prozesse, die gestartet wurden, kam dies mitunter deutlich zum Vorschein. –

An diesem Punkt komme ich wieder auf die vorliegende Instruktion zurück: Könnten diese grundsätzlichen Fragen nicht auch auf die Rezeption derselben in unseren Breiten Auswirkung haben? Dass wir etwa – um es vereinfacht zu sagen – konkretes kirchliches Leben vor Augen haben und ein solches gewohnt sind, daher aber auch meinen, dass „ohnedies alles in Ordnung“ sei, sich die Welt halt immer weiter weg vom Christsein entwickle etc. – Die Frage, ob denn wir innerhalb einer sich rasant verändernden Gesellschaft das eine oder andere an uns ändern sollten, stellt sich in einer solchen Sichtweise eigentlich nicht unbedingt im Vordergrund: Bekehrung fällt eben schwer, ist aber notwendig, weil dies Grundhaltung jedes getauften Menschen sein soll.

[1] https://www.katholische-kirche-steiermark.at/portal/dioezese/dioezesanleitung/bischofwilhelmkrautwaschl/bischofspredigten/article/2717.html

[2] vgl. u.a. 2018: https://www.katholische-kirche-steiermark.at/portal/dioezese/dioezesanleitung/bischofwilhelmkrautwaschl/bischofspredigten/article/2499.html