instruiert werden – XXIV

24. Leitung der Pfarre I

Da – wie schon mehrfach in diesem blog geschrieben – zur Pfarre eben auch der „Pfarrer“ hinzuzudenken ist, widmet sich die Instruktion ausführlich dem Thema, wie diese „Gemeinschaft der Gläubigen“, die üblicherweise eine Pfarre bilden [vgl. can. 515§1]. Daraus – wie es oft geschehen ist – eine Überbetonung des priesterlichen Dienstes herauszulesen wird meines Erachtens dem Anliegen nicht gerecht, soll doch eben abgegrenzt werden, wie denn nun dieses (auch) soziologische Gebilde, das nebenbei auch staatlicherseits Rechtspersönlichkeit genießt, verantwortet bzw. „nach außen vertreten“ wird. Dass es im Gebilde „Pfarre“ unterschiedliche Berufungen, damit auch Funktionen und Rollen gibt, ist klar[1]; dass die Reihenfolge der Beschreibung derselben eine zumindest „unglückliche“ ist[2] und damit der negativ kritisierte Einwand der einseitigen Betonung oder gar der Klerikalismus-Vorwurf an die Instruktion entstehen kann, wurde schon andernorts benannt.

Ich möchte – wie auch schon des öfteren betont – den hermeneutischen Schlüssel der „pastoralen Umkehr“ auch hier anwenden. „Das Amt des Pfarrers dient der umfassenden Seelsorge“ heißt es eingangs zu 66 und in 69: „Es ist daran zu erinnern, dass der Pfarrer der Pfarrei dient und nicht umgekehrt sie ihm“ rechtfertigen diesen Blickwinkel meines Erachtens auch im Text. Ich möchte dies hier mit einigen Überlegungen bzw. Gedanken zum Begriff „Hirtendienst“ (vgl. Einleitung zum Kapitel VIII, 62) tun, der wohl das Bild abgibt für das, was im deutschen Horizont vielfach mit „Leitung“ widergeben.

  1. unterschiedliche Bilder
    Wie schon andernorts deutlich gemacht[3] läuft unser Begriff „Leitung“[4] Gefahr, nicht so sehr den „Dienst“ oder die „Hirtensorge“ in den Vordergrund zu rücken. Im blog habe ich auch schon dargestellt, was „Leitung“ im kirchlichen Kontext meint[5]: sakramentaler, also zeichenhafter Verweis auf den eigentlichen Herrn und das Haupt schlechthin der Kirche, Jesus Christus.
    Mit anderen Worten: ist der Pfarrer derjenige, der „den Hirten“ schlechthin repräsentiert, dann hat er ihm entsprechend diesen Dienst zu leben, der ein Dienst des Sklaven ist[6], ein Dienst der Erniedrigung bis zum Kreuz[7]. Anders ausgedrückt: Fußwaschung ist nicht nur rituell während der Feier vom Letzten Abendmahl zu vollziehen, sondern ist lebensbestimmend für den, der ein geweihtes Amt in der Kirche ausübt, zumal den Pfarrer.
    Dass sich dieser „Verweis-Charakter“ auf den eigentlichen Herrn dann eben in der „Grundverantwortung“ der Hirtensorge widerspiegelt, eben weil es Christus ist, der der Eucharistie vorsteht usw., ist zumindest in der Argumentation stringent. Dass die Geschichte herauf und wohl auch heute diese „innere Logik“ anders gelebt wird und sich oft andere Erfahrungen ergeben (haben) ist – leider – zu attestieren. Welche systemischen Mechanismen es im Gefüge von Kirche braucht, um in Hinkunft Pervertierungen und „Machtausübung“ zu vermeiden, wird derzeit heftig debattiert. Dass es welche braucht, eben weil auch Pfarrer/Priester Menschen sind, ist unumstritten[8]; dass dies aber nur unter „Macht-Kategorien“ debattiert wird, als die solche Erfahrungen erlebt werden, ist aber m.E. zu wenig, weil dies lediglich das „alte Denken“ und „Leben“ von Kirche fortsetzt. Solange wir nicht wirklich Phil 2 leben und Gestalt werden lassen, werden – so denke ich – die Debatten um die „Macht-Verteilung“ in der eben auch soziologischen Größe „Kirche“ nicht verstummen.
  2. Bezogenheit
    Das Bild von der Liturgie als „Höhepunkt und Quelle allen kirchlichen Lebens“[9] ist uns bekannt. Eine Quelle wird zum Tümpel, wenn das Wasser sich nicht ergießt in Bäche und Flüsse; um zu einem Höhepunkt zu gelangen braucht es einen Anweg. Mit anderen Worten: diese Bilder, die gebraucht werden, sind gedanklich zu vervollständigen. – Mir fällt dieser Vergleich ein, wenn von „Hirtensorge“ die Rede ist und damit auch „Leitung“ bei uns gemeint wird: einen Hirten gibt es nur, insofern es auch eine Herde gibt; es braucht eine Gemeinschaft, um „Leitung“ auszuüben. Nicht der Hirt, nicht die Leiterin ist das erste, sondern eben die Herde bzw. die Gemeinschaft. Das „Wie“ der Ausübung ist hier zunächst nicht im Blick. – Anders ausgedrückt: zunächst gilt es die Gemeinschaft entsprechend aufzubauen, damit in ihr sich die unterschiedlichen Aufgaben in rechter Weise entfalten können.
    Worum es mir jetzt und hier geht ist lediglich die Beschreibung dessen, dass ein – funktionierendes und gelebtes – Miteinander Voraussetzung ist für das, was Pfarre und in ihr dann eben auch der Hirtendienst ist. Oder noch einmal anders: dort, wo Pfarre – auch in ihrer missionarischen Dimension, wie es die Instruktion in Erinnerung ruft – gelebt wird, wird der Dienst an der umfassenden Seelsorge durch den Pfarrer recht verstanden und auch gelebt.

c.  missionarische Dimension
Das „Licht“ bzw. „Salz“, das die Christen sind, um so der Welt Orientierung und Geschmack zu verleihen, wird bekanntlich in den ersten Kapiteln der Instruktion ausführlich beschrieben. Die „pastorale Umkehr“ hin zu einer evangelisierenden Kirche auch auf der Ebene der Pfarren, die sich wirklich an alle wendet und niemanden „außen vor“ lässt, ist Angelegenheit der ganzen Gemeinde und wohl auch in die „umfassende Seelsorge“ einzurechnen, der der Dienst des Pfarrers gilt. Gemeinsam wäre demnach wohl im Namen Jesu Christi als dem Haupt der Kirche dieses Momentum unser aller Berufung vertieft anzupacken. – Hand aufs Herz – und auch darüber habe ich in den vergangenen Einträgen immer wieder gesprochen: „Denken wir beim Begriff ‚lebendige Pfarre‘ an Lebensäußerungen von Kirche, die diesem Aspekt gewidmet sind? Denken wir nicht viel eher an Liturgie oder Veranstaltungen in den ‚Pfarrzentren‘?“ Wenn nun der Pfarrer im Dienst an der Pfarre dieser Art von umfassender Seelsorge dienen soll, dann ist wohl in so manchen unserer Pfarren eine Umkehr notwendig, scheint mir und in so manchen Lebensäußerungen eine Neubesinnung.

[1] Dass darüber hinaus es mehrere Arten gibt, Priestersein in einer Pfarre zu leben und auch kirchenrechtlich mehrere Möglichkeiten die Verantwortlichkeiten zu klären muss angeführt werden: VIIIa – VIIId und VIIIh, danach (VIIIe) die Diakone, VIIIf die Gottgeweihten, VIIIg die Laien.

[2] vgl. oben https://krautwaschl.info/instruiert-werden-xvii

[3] vgl. oben https://krautwaschl.info/instruiert-werden-i Anm. 5.

[4] Und die Bilder, die in unserem Kontext hier mitschwingen, sind für das, was gemeint ist, „fatal“: „Chef“, „jemand, der ‚auf den Tisch haut'“ usw. usf. – wohl auch aufgrund so mancher Erfahrungen mit Vertretern dieser Zunft.

[5] vgl. oben https://krautwaschl.info/instruiert-werden-xix

[6] vgl. Mt 20,25-28 (parr.): Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Großen ihre Vollmacht gegen sie gebrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Wie der Menschensohn nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“

[7] vgl. Phil 2,1-11.

[8] Dass etwa der Dienst des Bischofs, wie ich ihn ausübe, „systemisch“ schon Funktionsträger kennt, die eine Art Korrektiv zu sein haben, sei am Rand erwähnt: ich denke in meinem Fall etwa an die Pressesprecher, den Ombudsmann und den – der Tradition der Jesuiten entnommenen – Dienst des „admonitus“.

[9] Zweites Vatikanisches Konzil, Instruktion über die Liturgie „Sacrosanctum concilium“ 10: “ die Liturgie [ist] der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“.