Gott: mit Haut und Haaren einer von uns Menschen

Homilie am Hochfest der Gottesmutter, Neujahr am Heiligen Berg in Bärnbach

1. Jedes bürgerliche neue Jahr beginnt mit einem großen Feiertag, der viele Festinhalte beherbergt: es ist Oktavtag – der achte Tag – von Weihnachten und damit wird die Geburt Jesu aus Maria, der allerseligsten Jungfrau deutlich. Der 1.1. ist seit mehreren Jahrzehnten für die Päpste der Weltfriedenstag geworden. Der achte Tag nach der Geburt eines Knaben ist für jüdische Eltern aber auch der Tag seiner Namensgebung und damit der Beschneidung, also der sichtbaren Aufnahme des Jungen in die Gemeinschaft des erstberufenen Volkes Gottes, der Juden. Die Lesung aus dem Brief an die Gemeinde in Galatien und die letzten Worte des heutigen Evangeliums rufen uns diese ganz und gar menschliche Seite aus dem Leben unseres Herrn und Meisters in Erinnerung: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt.“

2. Viele Christen die Geschichte herauf tun sich alles andere als leicht mit der Tatsache, dass Jesus das Kind einer Jüdin war und damit selbst als Jude. Aber der Gott, an den wir glauben, ist eben nicht einer jenseits des Menschen und damit der Gesellschaft, in die er hinein geboren ist, sondern er nimmt die Wirklichkeiten unseres Daseins ganz und gar ernst. So ernst, dass er sich als Mensch unter all die Gesetzlichkeiten stellt, die für einen gläubigen Juden Geltung hatten: Nur indem er uns allen bis ins Letzte (des Todes) gleich geworden ist, ergab sich gleichsam die Möglichkeit der Erlösung aus den Verstrickungen des Menschen.

3. Vom Menschen Jesus zu abstrahieren und nur mehr den Christus des Glaubens zu sehen, ist demnach eine ganz und gar gefährliche Sache, da wir – wenn wir so denken – auf dem Weg sind, den Glauben aus dieser Welt zu entfernen, ihn zu entfremden, als nicht mehr für den konkreten Alltag geeignet zu betrachten und letztlich nur „überirdisch“ zu sehen. Freilich: Jesus als Menschen ernst zu nehmen – und damit haben sich die Christen schon zutiefst beschäftigt – bedeutet nicht, dass wir auf rein menschlicher Ebene ihm in allem gleich werden müssen (den Nicht-Juden wurde recht bald schon nach Beratungen der Apostel die Möglichkeit eröffnet, ohne Beschneidung Christ zu werden). Doch es heißt auch – und das gilt es gerade heute zu betonen, da der Glaube immer wieder davon „bedroht“ ist, bloß jenseitig betrachtet zu werden: ernst machen damit, dass sich Gottvertrauen, Glaube im konkreten Menschsein auswirkt und mein Dasein bestimmt. Wenn uns das heutige Fest in dem einen Aspekt der Namensgebung und Beschneidung Jesu auf diese Fährte setzt, dann fängt das Jahr des Herrn 2023 gut an – trotz, nein gerade wegen all der Herausforderungen, denen wir uns in den vielen Krisen gegenüber wissen, die uns hier und die ganze Welt bewegen.