Gedanken V

Was ich schließlich auch noch mitnehme aus Brasilien ist folgender Gedanke: Es geht angesichts der jungen Kirche/n des globalen Südens nicht darum, bloß die Begeisterung zu kopieren – das stößt viele der Unsrigen wohl nur ab, sondern darum unserer Kirche hier mit jener Art Injektion, die uns von IRPAA zur Bewässerung landwirtschaftlicher Güter im semiariden Gebiet vor Augen geführt wurde, weiterzuhelfen und voranzubringen, die auch nachhaltig wirkt: „Tröpfenbewässerung der Kirchenentwicklung“. Wir sind es gewohnt, große Pläne zu schmieden, alles durchzudenken und dann „Horuck“ umzusetzen. Als Menschen und als Kirche, die eben aus dem Gehen, aus Wallfahrten und Prozession lebt, braucht es Zeit: Das Ziel kann und darf nicht aus dem Auge verloren werden, aber es ist nachhaltig anzuvisieren und nicht einfach mit einem „umgelegten Schalter“ zu erreichen. Es gilt aus der uns bekannten „Macher-Mentalität“ herauszukommen, da es ja auch „Seine“ und nicht „unsere Kirche“ ist, die wir gestalten. Gerade deswegen sind Partnerschaften wie die zwischen Diözesen Hilfe im Voranschreiten, Hilfe aber auch uns selbst auf unseren Wegen der Nachfolge zu vertiefter zu erfahren.

Ein Aspekt hierfür scheint mir tatsächlich der Blick auf die Sendung der Kirche zu sein, der ein wesentlich anderer als der des Selbsterhalts ist, von dem wir uns im „alten Europa“ oft leiten lassen, der aber wohl allen Kirchen des „reichen globalen Nordens“ zueigen ist, die wir es nicht „schaffen“ [wollen?] auch manches hinter uns zu lassen, weil wir um unsere Bedeutung ringen, trotz (oder auch wegen?) des riesigen Glaubwürdigkeitsverlusts der letzten Jahre und Jahrzehnte. Orientierung am Evangelium, das den Menschen zum Leben [in Fülle] führt, tut auch uns not – glauben wir überhaupt noch daran?

Gedanken IV

Schließlich seien heute und morgen letzte Gedanken im Nachklang zur Reise in unsere Partnerdiözese angefügt, nämlich der, wieso ein solches Unterfangen Sinn macht? Zwei Anläufe:

a.   Partnerschaft
Ja, es geht um Augenhöhe – auch Bischof João hat dies bemerkt. Natürlich „kostet“ Partnerschaft auch etwas, aber: Wenn wir uns nicht auf-machen, eben nicht bei uns selbst bleiben, auf andere zugehen und miteinander „leben“, einander bestärken, an den Erfahrungen teilhaben lassen, die uns prägen, etc. so dürfen wir uns nicht wundern, dass Leben stirbt. – Und diese Erfahrung machen wir im europäischen Kontext von Kirche immer und immer wieder.
Aber auch die Geschichte lehrt uns, nicht „von oben herab“ auf andere zuzugehen, sondern tatsächlich als Brüder und Schwestern zu agieren. Ganz abgesehen davon, dass es mitunter schon auch heute noch eine Art „versteckten Kolonialismus“ gibt, die andere in subtile Abhängigkeiten bringt … Partnerschaft ist eben nie nur Einbahn. b.           Besuche
Bischof João hat es ohnedies ausgedrückt: „Wir sind nicht Objekte.“ – Oder um es mit Sr. Elfriede Prem zu Beginn der 90iger-Jahre auf einem ihrer Heimatbesuche in Hartberg auszudrücken: „Kommt uns besuchen, denn wir sind nicht Geldempfänger, sondern Menschen.“ Besuche lassen uns nicht im „Sterbenskreislauf“ des „um sich selbst Kreisens“ zurück, in dem die „alten Kirchen“ des globalen Nordens ohnedies schon des längeren verstrickt sind. Daraus sind wir auch nicht „freizukaufen“, indem einfach Gelder gespendet und gesendet werden. Es brauch die Mühe und den Einsatz, wirklich auf die anderen zuzugehen. Es braucht Liebe im wahrsten Sinn des Wortes …

Gedanken III

Ach ja: Im Nach-Denken über Erfahrungen in Brasilien muss m.E. auch dieser Aspekt kurz beleuchtet werden: das „Zusammenspiel“ zwischen den kleinen Gemeinschaften im Dorf und der Pfarre. Es geht hier nicht darum, unsere gewachsenen Strukturen schlechtzureden, sondern darum, deutlich zu machen, dass Pfarre eben weit mehr ist als „Pfarrer“ und Engagement in der Leitung und Koordination von Gemeinschaften in einem Dorf etwa durch Frauen nicht automatisch sofort die Frage nach der Weihe mit sich bringt. Dies wird m.E. eben anders gelebt, auch wenn Fragen bzgl. der Erfahrbarkeit von Sakramentalität der Kirche bleiben. Ähnlich wie in Afrika ist es ein selbstverständliches Zu- und Miteinander unterschiedlicher Erfahrungen von Kirche: da gibt es zum einen das, was vor Ort im Kleinen, im Dorf etc. selbstverständlich gelebt werden kann und das, was dann das eine oder andere Mal mit der Präsenz durch Priester hineingenommen wird etwa in die (große) Danksagung, Eucharistie der Kirche. Mitunter hege ich den Verdacht, dass wir Kirche weit mehr priesterzentriert und damit eucharistiezentriert denken als theologische Vernunft es uns weismacht. – Ob das, wie in Brasilien Kirche theologisch gelebt wird, tatsächlich „das Gelbe vom Ei“ ist, wage ich nicht zu unterstreichen, aber nachdenklich macht es allemal.

Dies hat wohl auch seinen Grund darin, dass weit mehr als bei uns die Sendungsperspektive der Kirche im Blick ist: „Wozu sind wir da?“ Und das wird tatsächlich dann auch evaluiert und in – ich sage es mal – Pastoralpläne gegossen. Da bleibt dann eigentlich keine Zeit für innerkirchliche Debatten, sondern Einsatz und Leben ist gefragt – und daraus ergibt sich dann etwa für die konkrete Situationen eine bestimmte Gestalt von Kirche, die sich bei Änderung der Bedingungen auch rasch wieder verändern kann (z.B. weil etwa die Pfarrstrukturen viel größer sind besteht mehr Möglichkeit flexibel auf so manche Angelegenheit zu reagieren). Dies wiederum bedingt – auch weil die Ressourcen beschränkt sind – nicht bei sich selbst stehen zu bleiben, sondern das „je Mehr“ von Kirche immer auch schon in die konkrete Lebensgestalt bei uns einzubeziehen: nicht dann, wenn wir „Festungsmauern“ hochziehen, wird Leben gezeugt, sondern dann, wenn wir lieben … (Das was im Leben miteinander gilt, gilt auch für eine Gesellschaft und damit auch die Kirche.)

Gedanken II

Was ich mir noch mitgenommen habe aus Brasilien und näherhin unserer Partnerdiözese Bom Jesus da Lapa?

Kirchliche Herausforderungen nach der Pandemie werden auch dort erst langsam deutlich und debattiert – etwa in der nächsten Vollversammlung der Bischofskonferenz. Eines ist aber auch deutlich: das, was dort gelebt wird – die Hinwendung zu den Nöten der Menschen als „pastorale Ausrichtung“ ist auch für uns wichtig und eine richtige Spur. Freilich: diese kann und will nicht immer recht behagen, da wir ja meinen „einen Betrieb aufrechterhalten zu müssen/sollen“?! Aber: Wenn Menschen in dieser Weltgegend so sehr mit den klimatischen Bedingungen zu kämpfen haben, die ihnen durch so manche menschengemachten Umstände dann auch noch erschwert werden, dann sollte/müsste die Spur damit deutlicher werden, um die es geht und die wohl auch Papst Franziskus immer wieder in Erinnerung ruft, wenn er vom Hirtesein spricht und damit auch meint, dass mitunter vor, mitunter mittendrin, mitunter aber auch hinter der Herde nachzugehen ist.

Der Einsatz für die Menschen, damit sie vor Ort auch weiterhin leben können – IRPAA als Beispiel – ist eine Konkretion dieser „Option“ und damit Priorisierung, womit auch klar ist – aber angesichts der geringen Finanzmittel ist es ohnehin nicht anders denkbar, denn „Personal“ wie wir es im österreichischen Kontext kennen, ist hier in den Diözesen praktisch auf die Priester beschränkt, nur in NGOs oder Vereinen können auch Laien angestellt werden – dass bei weitem nicht alles, was gut und schön wäre auch entsprechend gemacht werden kann. Ich glaube, auch hier liegt eine gewisse Lernerfahrung für uns begründet … Hinzu kommt – und das wurde bei der Reflexion in Bom Jesus da Lapa mit unseren Freunden deutlich: wir hoffen, dass sie mit ihren Entwicklungen nicht in dieselben Fallen tappen wie wir in so manchen Zeiten, etwa was Beauftragungen anlangt für den Dienst an den Menschen in der Kirche und damit die Fragestellungen rund um Konzentration seelsorglicher Aktivitäten auf Priester etc.

Noch ein Wort zum „semiariden Klima“ und damit zu einem klaren Schwerpunkt kirchlich motivierter Arbeit hier: wenn dieses große Gebiet in Brasilien, das sich in diesem Klima befindet, im Vergleich etwa mit Israel um einiges mehr an Niederschlag zu bieten hat, aber auch aufgrund ungerechter Verteilung gefährdet ist: was heißt dann im umfassenden Sinn „biologisch“ zu arbeiten? Müsste/Sollte dann nicht auch zur Zertifizierung etc. all das „Rundherum“ bedacht werden und nicht bloß Anbaumethode, sprich: müsste dann nicht auch der Mensch und dessen Lebensraum, in dem er wirtschaftet mit bedacht werden? – Ein Mitarbeitender von IRPAA meinte eben, dass es eigentlich um eine „agrarökologische“ Zertifizierung gehen müsste, in der auch nachhaltige Bewirtschaftung u.a.m. entsprechend berücksichtigt werden …

Gedanken I

Nach meiner Rückkehr von intensiven Tagen in Brasilien und hier wiederum hauptsächlich im Bundesstaat Bahia habe ich mich noch einmal hingesetzt und die Tage Revue passieren lassen. Hier sollen manche davon – ungeordnet – Platz finden …

Ja – um Papst Franziskus zu zitieren: „Brasilien ist ein Kontinent, kein Staat“. Auch wenn ich mich insgesamt in einem „kleinen Gebiet“ aufgehalten habe: auch hier wurden die Unterschiede deutlich, nicht zuletzt durch den Bischof von Barra, den ich hier am 10. Februar zitiert habe: Reich und Arm sind eben sehr unterschiedlich verteilt – und erst in den letzten Jahren ist – covid-bedingt – in Brasilien der Hunger vieler erneut zu einer Tatsache geworden. Nicht umsonst widmet die brasilianische Bischofskonferenz daher heuer erneut ihre Fastenaktion diesem Thema. Natürlich ist hier gleich zu ergänzen, dass unsere Vorstellungen davon, was „Armut“ und „Hunger“ heißen, wohl von anderen Bildern geleitet sind als jene in Brasilien – ich mache es deutlich an einem Beispiel: an einem Abend habe ich Mitarbeitende der CPT und unsere kleine Gruppe zu einem kleinen Abendessen eingeladen; zu neun wurden wir um umgerechnet € 40,00 gut satt und hatten auch genug zu trinken; diese Summe reicht in Österreich in einem Restaurant mitunter nicht für eine Person … Gerade deswegen ist es wichtig, notwendig und richtig, bis ins Letzte zuzuhören, damit die Menschen wirklich verstanden werden.

Die Kirche hier hat mit solchen Unterschieden auch zurecht zu kommen, denn: sie besteht aus den Menschen, die hier leben. Hinzu kommen die unterschiedlichen „Auseinandersetzungen“ mit anderen christlichen Denominationen, von denen uns bei der Brasilianischen Bischofskonferenz berichtet wurde. Hinzu kommt, dass zu einem angestrengten und tiefen Zuhören auch gehört, „hinter“ die Begrifflichkeiten zu schmecken: „Was verstehst du darunter, wenn du z.B. von ‚Synodalität‘ sprichst?“

Wir haben voneinander viel zu lernen, damit wir wirklich auf selber Augenhöhe in unserer katholischen, weil eben weltweiten, Kirche voranschreiten.

Blickwinkel

Mein letzter Tag in Brasilien galt „weiteren Blickwinkeln“, die ich in diesem Sinn wirklich „ums Ecke“ erhalten habe, da hier in Brasilia, der aus dem „Boden gestampften“ Hauptstadt wirklich alles nahe beieinander liegt [allerdings waren es gestern ohnedies knapp 8 Stunden Fahrzeit, um von Bom Jesus hierher zu gelangen, aber auch das ist für brasilianische Verhältnisse noch „ums Eck“].

Mein erster „Sprung“ ging in das Sekretariat der brasilianischen Bischofskonferenz, wo der Sekretär der CNBB (http://www.cnbb.org.br), Bischof Joel Portella Amado, dem Botschafter unserer Republik und mir weitere „Einblicke“ geboten hat in die Situation von Kirche und Gesellschaft in Brasilien. Was ich mir daraus vor allem mitnehme? Nun: „Brasilien ist ein Kontinent – und nicht bloß ein Land“ – so jedenfalls hat es unser Papst den mehr als 300 Bischöfen gegenüber gesagt, die in mehreren Gruppen im vergangenen Jahr „ad limina apostolorum“-Besuche absolvierten. „Mein kleiner Einblick“ – wiewohl der Generalsekretär sich erstaunt über die gewaltige Route zeigte, die wir hier in den letzten Tagen zurückgelegt haben – wurde erweitert um den Süden, den Westen, Amazonien etc., die Herausforderungen verschiedener Klein- und Kleinstgruppen unter den Christen [wobei die Zahl der Orthodoxen sich sehr in Grenzen hält], Fragen rund um den synodalen Prozess der Weltkirche und dessen Verständnis [etwa: „Verstehen wirklich alle dasselbe unter ‚Synodalität‘?“] und so manche Fragestellungen angesichts der Herausforderungen, die sich der Kirche nach der Pandemie hier stellen – und wohl auch bei uns.

Mit dem Botschafter besuchte ich auch die katholische Kathedrale, ein groß-artiges Bauwerk mit einer wirklich guten Akustik, auch mitten hinein in die bis ins Letzte geplante Hauptstadt [mit dem Nebeneffekt etwa, dass jedes Land, zu dem Brasilien diplomatische Beziehungen unterhält, eine gewisse Anzahl an Hektar für eine Botschaft zur Verfügung gestellt wurden, manche Länder sich den Bau aber bis heute nicht leisten konnten und „neue Staaten“ bzw. „neu aufgenommene diplomatische Beziehungen“ dann keinen Platz mehr für eine Botschaft bieten …] unterirdisch gebaut, sodass nur ein kleiner Teil über der Erde zu sehen ist …

Zu Mittag aß ich mit dem Botschafter, seiner Gattin und dem Konsul – auch eine Art „Valentinstagsgeschenk“, das die Österreicher am Abend, als ich schon weg war, vielen anderen Botschaftern geboten haben. Unser Austausch machte wieder einmal deutlich, wie wichtig das vorbehaltlose Zuhören ist, damit Dialog unter verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und damit auch Staaten erst möglich wird. Lassen wir es uns nicht nehmen und mühen wir uns daher mehr und mehr, auch vor Ort, andere (weitere?) Blickwinkel wirklich ernst- und anzunehmen um nicht der Gefahr zu erliegen, dass meine Sichtweise die alles entscheidende ist … Und gerade wir als Kirche sind eigentlich von unserem Wesen her zu Dialog herausgefordert, ist doch auch unser Gott in sich „Dialog“ und das Wort „zwischen uns“ gem. Mt 18,20 der Auferstandene selbst.

„Obrigado Brasil!“

Subjekte, nicht Objekte

Der letzte Tag in Bom Jesus da Lapa hat ganz einfach begonnen: Austausch der Erfahrungen aus den letzten Tagen. Und Bischof João beginnt mit einem Sr. Elfriede Prem ähnlichen Satz, der mich damals – zu Beginn der 90iger-Jahre als Kaplan in Hartberg schon gefesselt hat: „Ich schätze an dieser Partnerschaft vor allem, dass wir hier als Subjekte und nicht als Objekte betrachtet werden.“ João ergänzt, dass er das u.a. daran festmache, dass ich mich selbst für die Arbeit der Partnerschaft interessiere. Damals war es Sr. Elfriede, die nach wie vor hier in Brasilien wirkt, auf einem Heimataufenthalt in Hartberg, als sie die Freunde des Vereins eingeladen hat, doch mal ihre Arbeit anzusehen. Sie meinten aufs die vorgebrachte Gegenargumentation, ob es nicht weit sinnvoller sei, Geld zu senden als dieses wertvolle Gut für Reisen zu verwenden, schlicht: „Wir sind nicht Geldempfänger, sondern Menschen.“ Das saß. Und das sitzt heute mir noch im Genick: Wir, ich – nehmen wir wirklich alle als Menschen ernst, auch jene, die auf unsere Hilfe angewiesen sind? Da kann m.E. Europa, da kann China, da können alle „reicheren Staaten“ dieser Welt und deren Repräsentanten sich in Gewissenserforschung begeben – auch ich tue es …

Nun denn: mit diesem Besuch in Bom Jesus – nicht nur zur traditionellen „Romaria da terra“ 9 Tage lang bis hin zum Fest der „Verklärung des Herrn“ am 6.8. mit rund 700.000 Pilgern – wurde unsere Partnerschaft tatsächlich gut vertieft, auch weil die Gastgeber uns eine Fülle dargeboten haben für die Wirklichkeit ihres Lebens in der Diözese, die gerade mal 60 Jahre alt geworden ist. Beim Rund-Lauf mit den Erfahrungen blieben auch die eine oder andere kritische Anfrage an das Leben hier nicht erspart – so wie es eben Freunden zueigen ist, die sich wirklich mögen.

So freue ich mich schon auf weitere reale und auch virtuelle Begegnungen mit den Freunden „am anderen Ende der Erde“ …

Wallfahrt

Der einfache – und starke! – Glaube der einfachen Menschen hier im Nordosten des riesigen Landes Brasiliens wurde bei der Wallfahrt zum „Bom Jesus“, dem „gütigen Jesus“, deutlich: Einige tausend Menschen aus allen Pfarren der Diözese haben sich vor der seit Jahren in Bau befindlichen Kathedrale mitten in der Stadt versammelt, um gemeinsam zum Heiligtum in Grottenfelsen am Rand des Rio Sao Francisco zu pilgern. Eigentlich war es ein Volksfest: 2 Musikkapellen – mich wundert, dass sie sich nicht gegenseitig gestört haben – und ein Wagen, auf dem die Bans gefahren ist und ebenfalls immer wieder musiziert hat, „angepeitscht“ von Pfarrer Heber, der uns vor einigen Jahren am Beginn der Partnerschaft, besucht hat. – Irgendwo doch unseren Prozessionen in der Oststeiermark ähnlich: Blasmusik, Glocken, Rosenkranz – alles hat seinen Platz.

Zu diesem Heiligtum pilgern Tausende und holen sich Kraft für ihr eigenes Leben, das oft und oft dahin fristet: eine große Kathedrale, gebildet im Felsen durch eine Grotte beherbergt Hunderte, weitere feiern in einer zweiten oder auch im Freien mit. Der – neue – Kardinal aus Brasilia steht der Feier vor und predigt: die Geschichte der Diözese ist eng mit dem „Bom Jesus“ verbunden – und diese Verbundenheit zeichnet uns Christen eigentlich aus. „Perfekt“ aufgelegt für unseren Gruß aus der Steiermark: die Segenszeichen der Dreikönigsaktion und die Armbänder „aufleben“ eines Ostergrußes finden am Ende der Messfeier reißenden Absatz – die Mühe, die Geschenke  aus Graz mitzunehmen, hat sich geloht – und mit einem kleinen Zeichen bleibt die Verbundenheit zu Graz hier sichtbar. Diese wollen wir auch in den nächsten Jahren leben.

Und zum 12. Bischofsweihetag, den Dom João heute begeht, haben wir auch Geschenke mitgebracht: ein Likör zum „60iger“ [der Diözese] und eine Teufelsgeige … Auch wenn manche vorher gefragt haben, was denn ein „Teuferl“ in der Kirche zu suchen habe [interessant ist diese Frage allemal, da bei den Karnevalsumzügen, die wir in diesen Tagen gesehen haben, interessanter Weise immer auch ‚Teufelchen‘ mit von der Partie waren], so verstummten diese recht schnell, da auch der Bischof mir ein „teuflisches Geschenk“ überreicht hat: einen Pferdekopf, der an den Schiffen angebracht wird, um das Böse abzuwehren …

Beim Mittagessen dann noch ein interessanter Austausch im kleinen Kreis mit dem jungen Kardinal (er ist erst im 56. Lebensjahr) und unserem Partnerbischof: ja die Größe und damit Katholizität unserer Kirche hat es schon in sich! Danach ging es in einen – erstmals! – „freien“ Nachmittag, ehe wir die abendlich-heiße Stimmung in Bom Jesus genossen.

Achtung

Die Quilombolas sind die Nachfahren der von den Portugiesen nach Brasilien geholten Sklaven – die Indigenen entgingen der Unterdrückung, indem sie sich ins Hinterland zurückzogen. So manchen dieser Sklaven gelang mit der Zeit die Flucht – sie siedelten sich in weiter entfernten Gebieten an. Und blieben dort. Nunmehr sind sie als Gemeinschaft anerkannt und haben auch Recht auf Land – aber in der Realität ist dies des Öfteren anders. Davon konnte sich unsere Gruppe am gestrigen Samstag überzeugen: Am Ufer des Rio Sao Francisco – praktisch „mitten“ in Bom Jesus haben sich einer der Gemeinschaftssiedlungen so manche Vertreter solcher Gemeinschaften getroffen und gemeinsam mit einer Indigenen-Abordnung von ihren Herausforderungen erzählt, die nicht ohne sind – ganz einfach auch, weil ihnen das von ihnen genutzte Land abspenstig gemacht werden will. Was da und dort auch zu Auseinandersetzung in den Gemeinschaften führt, wollen doch einige „nur im Frieden“ leben …

Andererseits gilt eigentlich hier, dass die Indigenen die „Herren“ des Landes waren – lange bevor es von Europa aus erobert wurde, die Schwarzen sind demnach die Siedler und die Weißen die Profiteure eines nach wie vor weit verbreiteten „Rassismus des Alltags“, wie uns einer aus einer Quilombola-Gemeinschaft berichtet. Was sie und die vielen Kleinbauern – oft mit Gemeinschaftsweiden, da im semiariden Klima es eben da regnen kann, wohingegen es ein wenig weiter trocken bleibt, sodass eingezäunte und parzellierte Flächen nicht das entsprechende sind, um wirklich (über-)leben zu können – „eint“ ist einfach und eben deswegen auch einfache Gläubigkeit, das Gottvertrauen, mit dem auch den stärksten Gegnerschaften entgegengetreten werden kann ohne zu jammern …

Wir haben viel zu lernen und zu vertiefen: alle Achtung vor diesen einfachen Menschen, die oft mit Hilfe von uns ihr eigenes Leben neu entdecken mit jener Würde, von der wir sagen, dass sie allen Menschen zueigen ist.