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Gedanken zum Nationalfeiertag

Ausgehend von den Lesungstexten der Kirche am Donnerstag der 29. Woche im Jahreskreis (Lesung: Röm 6,19–23; Evangelium: Lk 12,49–53) habe ich mir Gedanken zu unserem Nationalfeiertag gemacht:

1. Paulus fordert die in Rom auf, die in der Nachfolge Jesu Christi stehen, das Leben in all seinen Dimensionen – also auch mit den „Gliedern des Leibes“ – in den Dienst der Gerechtigkeit zu stellen, damit die Heiligkeit, also das Leben auf ewig bei Gott, erlangt wird. Mir ist dabei der Gedanke gekommen, ob das nicht auch in gewisser Weise eine aus dem Glauben geprägte Beschreibung dessen ist, was uns als Österreicherinnen und Österreicher und damit Glieder eines Gemeinwesens auszeichnet, das heute den Nationalfeiertag begeht – im Gedenken an das Gesetz zur immerwährenden Neutralität?

2. Ja: es geht um Gerechtigkeit – und das ist mehr als Recht sprechen und auch mehr als Recht haben. Letztlich ist es – wenn ich es versuche biblisch auszudrücken – „schalom“, was ja weit mehr als bloßen Waffenstillstand bedeutet. Dieser Friede geht uns in der Welt von heute an zahlreichen Plätzen ab. Ich muss wohl keine Beispiele im Heute unserer Tage hierfür nennen – wir alle stöhnen ja unter so manchen Lasten, die uns leiden lassen, weil es an Gerechtigkeit, weil es an Frieden fehlt, für jene die nach uns das „gemeinsame Haus“ bewohnen wollen, im Kleinen der Gesellschaft wie auch im Großen der Welt, der Völker und Nationen. Blicken wir auf zu unserem Gott, den wir als „Vater“ ansprechen: damit ist eigentlich allen Menschen dieser Welt ein Orientierungspunkt geschenkt und ein Ziel, von dem aus betrachtet die rechte Richtung für die Gestaltung des persönlichen wie gemeinschaftlichen Lebens anzugehen angezeigt wird. Ja: die Beziehung zu Gott hindert nicht daran, andere wirklich ernst zu nehmen, sondern eröffnet – in rechter Weise gelebt – erst die Möglichkeit, wirklich jedem und jeder in der Art und Weise zu begegnen, die ihm bzw. ihr gebührt.

3. Diese rechte Ausrichtung auf IHN bringt es auch mit sich, dem Nächsten bzw. der Nächsten wirklich auf „Augenhöhe“ zu begegnen, weil wir uns alle dadurch als Schwestern und Brüder verstehen und annehmen. Damit aber werden wir einander auch in der Art und Weise gerecht, wie sie uns als Menschen gebührt – wir begegnen einander in jener Würde, die uns auszeichnet, weil der Schöpfer zum Menschen „ja“ gesagt hat. In Debatten dies vertieft zu bedenken wäre m.E. notwendig, damit wir auch [neu] lernen, in die Haut des Anderen zu schlüpfen, um seine Beweggründe zu verstehen und ihren Blickwinkel nachzuzeichnen. Wenn sich in diesen Tagen die Synode in Rom darum müht, gibt sie ein weltweites Zeichen dafür, dass es nicht darum geht, sich durchzusetzen, sondern darum, aus unterschiedlichen Perspektiven im Ernstnehmen meiner Nächsten nach dem zu suchen, was Gott von uns will, den wir alle als Vater bezeichnen.

4. Lasst uns darum so die Welt (mit-)gestalten. Sie hat es bitter nötig. Wir sind in sie hineingestellt, um diesen Lebensstil in sie einzubringen. Nicht neutral im Sinn von „sich aus allem raushalten“, sondern neutral im Sinn von: eintreten dafür, dass allen dieselbe Wirklichkeit des Lebens ermöglicht wird.