Bibel und (mein) Leben

Bei der Festveranstaltung zu „75 Jahre Theologische Kurse“ war ich eingeladen einen Impuls zur Bibel zu geben …
Hier dokumentiere ich was ich vorbereitet hatte …
„Lange war mir Leben aus dem Glauben etwas, das einfach dazugehört. Ich habe mich nie wirklich gefragt, wie denn und was denn: am Sonntag hieß es zur Kirche zu gehen. Für einen, der 150 m neben der Stadtpfarrkirche aufwuchs, war das ohnedies (fast) kein Problem. Wir bereiteten uns auf dem elterlichen Bauernhof schon am Samstag auf diesen besonderen Wochentag vor: alles wurde geputzt – auch wir wurden gebadet und einmal so richtig gewaschen. – Gott wurde mir eigentlich nie zur Frage. Er gehörte zum Leben dazu wie das Atmen, das Trinken und das Essen.

Ich war, wenn ich mich recht entsinne, knapp 14 Jahre alt. In unserer Pfarre Gleisdorf begann ein neuer Kaplan zu wirken. Er kam aus Sizilien und tat sich mit der deutschen Sprache noch schwer. Als eifriger Ministrant unterstützte ich ihn bei seinem Ankommen wo es nur ging. Darüber war er sichtlich froh. Er lud mich alsbald einmal ein zu einem besonderen Kreis: wir setzten uns 14-tägig in einer kleinen Gruppe zusammen und lasen aus der Bibel. Interessant war: die Erwachsenen – ich war stolz, dass ich als Heranwachsender dabei sein durfte – tauschten sich darüber aus, wie sie die Bibel in ihrem Alltag zu leben versuchten – anzufangen wusste ich damals nicht viel damit.

Jahre später, ich studierte bereits in Graz und wohnte im Priesterseminar, begegnete mir diese Übung erneut. Durch das Studium wurde in mir Interesse an der Bibel geweckt, an einer bestimmten Art damit umzugehen. Reflexion war angesagt – und allein diese tat es mir an. Nach einer internationalen Tagung mit anderen Seminaristen hat mich ein Kollege eingeladen, uns zusammen zu tun und gemeinsam zu überlegen, was denn „Leben aus dem Glauben“ und damit „Leben mit der Bibel“ im Priesterseminar bedeuten könnte. Wir trafen einander immer wieder, nahmen ein Wort aus der Heiligen Schrift und versuchten, dieses in den kommenden Tagen zu leben. Dabei machte ich die Entdeckung: die Bibel ist nicht nur etwas, das meditiert und betrachtet werden kann. Vielmehr, die Bibel ist Wort Gottes, also Gespräch des Schöpfers der Welt mit mir ganz persönlich. ER spricht mich an und lädt mich ein, Seinem Wort in meinem Leben Raum zu geben. Wir machten dann aber die Entdeckung: das ist in einem Umfeld wie dem des Priesterseminars alles andere als leicht. „Das Wort Gottes leben?“ hörten wir – ausgesprochen oder nicht: „Was soll das?“ Eine Zeitlang versuchten wirklich alle, der Weisung Jesu entsprechend zu lieben und uns gegenseitig ernst zu nehmen. Dabei luden wir uns alsbald den Spott mancher Kollegen auf, die lapidar meinten: „Ihr wollt ja nur dem Regens gefallen und euch einschmeicheln.“

Gottes Wort zu leben und damit ernst zu machen, dass Er mit uns, den Menschen in Kontakt treten will, ist auch heute noch alles andere als selbstverständlich. Wiewohl wir immer und immer wieder merken, wie genau dies der Welt nottun würde. Wir brauchen nur einmal bewusst Nachrichten lesen oder diese hören bzw. sehen, dann werden wir ohne nachzudenken sagen können, ja sagen müssen: Leben nach dem Wort Gottes würde da so manches verändern. – Ich spreche nach wie vor die Einladung Gottes an jede und jeden von uns aus, sich ernsthaft mit seinem Wort auseinander zu setzen. Leider ist aber Christsein und damit Kirche – die Jahrhunderte herauf unbemerkt, weil gesellschaftlich abgestützt – eher zu einem System verkommen, das Lehren, mitunter auch ungeordnet, aneinanderreiht. Im Heute sich radikal wandelnder gesellschaftlicher Verhältnisse, im Heute ganz neuer Herausforderungen durch demographische Entwicklungen, die nicht aufzuhalten sind, im Heute eines Pluralismus für den mitunter alles gleich gültig und damit letztlich alles auch gleichgültig wird, im Heute unserer Tage ist mit der lebendigen Beziehung zu Gott und der lebendigen Begegnung mit seinem Wort eine Alternative uns in die Hand gegeben, die so manches auf neue und wirklich tragfähige Fundamente stellen könnte. Nur: nutzen wir diese Auseinandersetzung? Nutzen wir das persönliche wie gemeinschaftliche Betrachten der Bibel, das persönliche wie gemeinschaftliche Leben des Wortes Gottes inmitten unseres Alltags? Damit käme ja Sein Wort erst zur Geltung, aber auch zur Vollendung: „Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt und sie zum Keimen und Sprossen bringt, wie er dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen, so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe“  lesen wir bekanntlich beim Propheten Jesaja.

In den letzten Jahren ist mir überdies eine andere Übung bekannt geworden: Das „Bibelteilen“. Diese ist zwar von einem aus Deutschland stammenden Bischof verbreitet worden, hat bei uns aber erst über den Umweg von Afrika und Asien langsam Heimat gefunden. Wir tun uns manchmal sehr schwer damit, das Wort Gottes wirklich mitzunehmen in den Alltag. Wir schieben da mitunter vor, dass wir als Nichtwissende, nicht Gelehrte etc. eben nicht recht umgehen könnten mit dem in einer gewissen Zeit und in einem ganz anderen Kontext vom Geist eingegebenen niedergeschriebenen Gotteswort in Menschenwort. Erst jüngst hat etwa unser Pastoralamt eine Initiative in diese Richtung gestartet. Bei einem Kennenlernabend des „Bibelteilens“ bekam die Referentin des Pastoralamtes zu hören, dass dies „bei uns sicher nicht geht“. – Wir haben noch viel zu lernen im Umgehen mit dem, was unser Leben grundlegt.

Genau darin sehe ich den Auftrag der theologischen Kurse, die heuer ihr 75-jähriges Bestandsjubiläum feiern: Werden Sie nicht müde, in dieser unserer Welt, die mehr und mehr auch ohne Gott gut auszukommen meint, das Fundament schlechthin unseres Glaubens und damit auch unseres Lebens „unter die Leut'“ zu bringen. Sein Wort ist Leben – und in Jesus Christus ist es uns allen deutlich vor Augen gestellt!“