aufeinander hören
Es wäre wohl noch viel zu sagen zum Thema „zuhören“. Ich möchte die Überlegungen, die mir in diesen Tagen kommen, erweitern um den Aspekt des „aufeinander hörens“. In so manchen Fragestellungen, in denen ich mich befinde – und ich denke da auch an meine Brüder im bischöflichen Dienst – mühen wir uns redlich darin, die Meinungen anderer zu hören. Aus den vorigen Einträgen dürfte schon klar geworden sein, dass dies einfach klingt, mitunter aber auch anstrengend ist. Da und dort kann es schon sein, dass dem nicht entsprochen wird – ich jedenfalls merke das, so hoffe ich, wenn’s passiert und die Antwort rausplatzt, ohne fertig gehört zu haben. –
Andererseits ist mir in so manchen Fragestellungen auch schon gekommen: Ist nicht auch Bereitschaft der zweiten Seite hierzu angebracht? Freilich: wenn es ein Amtsträger ist, eine Person also, die eine besondere Verantwortung hat, dann schwingt da immer auch mit – weil wir so ticken und es gewohnt sind: Das ist eine „schiefe Ebene“, nicht Augenhöhe – und gerade deswegen ist die „Gefahr“ groß, nicht aufeinander zu hören, sondern Einbahnstraße des geforderten Zuhörens zu leben. Ich hatte da schon als Kaplan meine Erfahrungen: in diversen Pfarrgemeinderatssitzungen wusste ich nicht, wann ich meine Überlegungen zum Ausdruck bringen sollte. Machte ich es gegen Anfang der Debatte hatte ich mitunter den Eindruck, dass sich danach niemand mehr seine Ansicht zu äußern getraut hat; sprach ich gegen Ende wurde es mitunter als entscheidendes Schlusswort gewertet … Zunächst und zuallererst stehe ich wie alle Getauften aber unter demselben Auftrag und derselben Berufung, Jesus Christus nachzufolgen. Dass ich darüber hinaus aus einer gewissen übertragenen Verantwortung dann auch Entscheidungen zu treffen habe ist eine andere Sache. Im Zweiten Vatikanischen Konzil wird dies in der dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“ in Nr. 10 dann theologisch vertiefend und auf das Zueinander der geweihten Amtsträger zu den übrigen benannt mit „Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes […] unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“.
Sind wir also bereit – etwa in Fragen der Pandemiebekämpfung – auch auf andere Meinungen, Ergänzendes und nicht nur Bestätigendes zu hören? Egal von wem das kommt – freilich unter der Voraussetzung, dass sich die Betroffenen redlich um Wahrheit mühen. Denn: wie es aussieht, werden ja nicht nur Fakten verbreitet, sondern mitunter auch bewusst Falschmeldungen und Lügen … Wie schwer dies ist wurde mir etwa beim Anhören einer kürzlich auf Ö1 ausgestrahlten Sendung deutlich zum Thema „Impfpflicht“: https://bit.ly/3dpj1Ig.
Oder um ein anderes Thema innerkirchlicher Debatten in Erinnerung zu rufen: Wie geschieht in Fragen rund um die Weihe von Frauen die Debatte. Sind wir wirklich bereit alle Fragestellungen auf den Tisch zu legen oder meine ich, dass die meinige, dass die europäisch geprägte Theologie – so es diese Einheit überhaupt gibt – die einzig wahre ist etc.? Bin ich bereit auch auf die Verantwortungsträger zu hören, die sich eben auch in der Nachfolge wissen und nicht bloß „Chefs“ sind? Ich weiß nicht, aber: Trügt mich der Schein, dass es mitunter – auch aufgrund veröffentlichter Meinung und des „mainstreams“ – gar nicht möglich ist, andere Sichtweisen einzubringen, um gemeinsam nach dem zu suchen, der die Wahrheit ist? Auch wenn ich das so schreibe kann es schon wieder falsch gelesen werden, weil dahinter ggf. sofort ein Nachdenkverbot vermutet werden kann … Andererseits wird aber auch deutlich, dass es vielleicht eben doch nicht die einfachen Lösungen gibt zu -zig Fragen, die mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten sind – und das ist angesichts der Komplexität unserer Welt alles andere als leicht zu ertragen.
Und wieder einmal: wie notwendig wir doch die Synode haben …