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Wenn Gott einen an-geht

Nun also ist es offiziell: Papst Franziskus hat mich zum 58. Bischof der Diözese Graz-Seckau ernannt. Das wurde heute offiziell bestätigt. Wie’s mir damit geht? – Anbei das, was ich für die heutige Pressekonferenz vorbereitet habe:

Bei der Priesterweihe ist es üblich, dass die Kandidaten sich einen sogenannten „Primizspruch“ aussuchen. Meiner ist mir angesichts eines Bildes gekommen: „Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest.“ (Gen 32,27). Da kämpft der zurückkehrende Jakob am Fluss Jabbok mit Gott. So jedenfalls wird es rezipiert. Es wird auch davon berichtet, dass Jakob seit dieser nächtlichen Auseinandersetzung hinkt – für mich ist dies stimmiges Bild und Erfahrung:
Gott ist einer, der mich im besten Sinn des Wortes an-geht. Auf unterschiedliche Weise.
Einige Schlaglichter:

  • Geboren bin ich in eine Familie in Gleisdorf. Ich war das vierte Kind. Kurz nach meiner Geburt verstarb die Zwillingsschwester meiner älteren Schwester bei einem Verkehrsunfall. Ein Jahr später kam schließlich meine jüngere Schwester zur Welt. Leid, Trauer, Sterben gingen bei uns in der Jahngasse ein und aus: mein Vater war Bestatter. Täglich galt es im Wohnhaus unserer Nebenerwerbslandwirtschaft Menschen zu begrüßen, die einen Todesfall anzuzeigen hatten. Mir hat sich – alles spielte sich auf dem Bauernhof „mitten in der Stadt“ in der Küche ab – diese Erfahrung sicher tief eingeprägt.
  • Schließlich erkrankte meine ältere Schwester an Leukämie: mehr als 10 Jahre Krankenhausaufenthalte und Fahrten zur Kontrolle mussten von meinen Eltern, vor allem meiner Mutter gemeistert werden. Dann die erlösende Nachricht: Zwei von den damals auf der Kinderklinik Behandelten wurden geheilt, darunter meine Schwester.

Von Gott angegangen werden: alles andere als immer nur „Hoch-Zeit“.

 

  •  Für einen Gleisdorfer war klar – damals jedenfalls: er muss getauft werden, noch dazu, wenn er 100 Meter neben der Stadtpfarrkirche groß wird. Am 17.3.1963 war das der Fall. Meine Mutter erzählte mir vor kurzem wieder einmal: der Taufpriester, Kaplan Josef Fuchs – er wohnte eine Zeitlang während des Pfarrhofumbaus bei uns – ließ uns nicht beim Seiteneingang in die Kirche, sondern rollte vom Haupteingang aus den roten Teppich aus: „Aus diesem Bursch wird noch was Besonderes“ soll er damals gesagt haben.
  • Für einen Gleisdorfer so nah neben der Kirche groß zu werden bedeutete damals auch, die Karriere eines Ministranten einzuschlagen. Sogar bei der Erstkommunion. Und dann eine Panne: Dechant Josef Fink war damals gewohnt an mir vorüberzugehen. So auch bei dieser Feier. Ich musste mir also die Erstkommunion „erkämpfen“, indem ich den Dechant am Messkleid zurückzog: „Ich darf heute auch schon!“ Damit war die „kirchliche Karriere“ vorgezeichnet und ich stand sogar beim Fotografen danach im Ministrantengewand.
  • Es folgten 10 Jahre Ministrantendasein und Gruppenleitung, Engagement in der Jungschar und beim Jugendchor. Die Schulen (Volksschule Jahngasse, Bundesgymnasmium und -Realgymnasium Gleisdorf) mussten fast „nebenbei“ gehen.
  • Nach der Firmung 1977 dann auch Eintauchen in eine Übung, die mir nach wie vor nicht fremd ist: ein Wort der Bibel lesen und betrachten, vor allem aber auch, es leben. In einer Gruppe trafen wir uns da regelmäßig. Erst Jahre später kam dann die Erkenntnis: „Erst das Leben der Worte der Hl. Schrift bringt diese zur Vollendung“. Kirche ist ja nicht Hüter von Erinnerungen aus vergangenen Zeiten, sondern Hüter des lebendigen Feuers, das der Auferstandene auch heute dort ist, wo „zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind“ (vgl. Mt 18,20). Und das Wesentliche leuchtet dann durch Erzählen des Erfahrenen und unter Umständen auch dann im noch so Kleinen auf. Und zwischendurch zwei Mal die Frage von Priestern, ob ich denn nicht Priester werden wolle. Mit Zehn antwortete ich meinem Heimatpfarrer: „Das kann ich mir nicht vorstellen, ins Knabenseminar zu gehen (heute: ein gewisses Bischöfliches Seminar), weil mich die Eltern zu Hause brauchen.“ Mit Vierzehn nahm mich der Kaplan nach Horn mit ins damalige „Spätberufenenseminar“. Als klar wurde, dass die Schmutzwäsche nur zu Hause gewaschen werden konnte, war es für mich entschieden: ich bleib daheim.

Von Gott angegangen werden: Er begleitet das Leben.

 

  • Durch einen Kaplan, den ich in der Maturaklasse als Religionslehrer bekommen habe – heute ist er der Schriftleiter des Sonntagsblattes – wurde ich dann zum Begegnungstag im Priesterseminar eingeladen. Das Kind vom Land fuhr in die große Stadt mit den „Öffis“. Sonntags. Viel zu früh kam ich an, der Eingang Bürgergasse 2 ins Priesterseminar war bald gefunden. Deswegen wartete ich beim Schauspielhaus und dachte mir (bitte jetzt weghören): „Irgendwann in der Schule habe ich ja mal gelernt, dass es in Graz einen Dom geben muss. Wo der denn sein kann?“. Im Herbst danach, 1981: Eintritt ins Seminar. Wir waren damals über 70, zeitweilig über 80 – eine tolle Lebensgemeinschaft.
  • Relativ zu Beginn des Studiums an der Karl-Franzens Universität in Graz kam dann die Einladung des besagten Kaplans, dass sich alle, die Religionspädagogik oder Theologie studieren und aus unserer Pfarre kommen, sich über das, was sie dabei „lernen“, austauschen. Bei einem Einkehrtag zu Beginn wurde uns eine Berufungsstelle aus der Bibel mit auf den Weg gegeben mit der Frage: „Was hättest du begonnen, wenn du nicht diesen Weg eingeschlagen hättest?“ Ich wusste keine Antwort: eine Krise begann. Und die war weitgehend. Plötzlich tauchte da auch die Frage der Ehelosigkeit auf und mir wurde klar: diese Antwort ist von mir zu geben, wenn ich den Weg weitergehen will. Eine Auseinandersetzung, die ich als sinnvoll bezeichnen möchte, begann.
  • Aktivitäten in der Katholischen Jungschar auf Diözesanebene, im Grazer Dom – zunächst in der sogenannten „Domassistenz“, beim Katholikentag und Papstbesuch 1983 sowie danach 1987 ließen in mir immer wieder die Frage hochkommen: „Engagierst du dich weil du gesehen wirst oder weil dir Gott ein Anliegen ist?“ Spiritual Toni Wittwer hat mir damals über die bedrängende Frage hinweggeholfen, indem er lapidar bei Exerzitien meinte: „Wenn du das gern tust, dann wird da schon was dahinter sein!“
  • Gott sei Dank war ich für eine Priesterweihe zu jung (Mindestalter 25) und außerdem konnte mich Regens und Dompfarrer Gottfried Lafer auch gut als Zeremoniär im Dom brauchen. So wurde mir ermöglicht, unmittelbar nach dem Magisterium das Doktorat anzuschließen. Auf einem internationalen Kongress der Fokolarbewegung für Seminaristen aus Europa wurde mir deutlich: „Wenn ich Priester werden will, dann geht es nicht zunächst darum, diesen Beruf anzustreben, sondern darum, aufmerksam zu sein und nach dem Willen Gottes zu suchen.“ Das ist Aufgabe zeitlebens und entlastet, wenn sich auf dem Weg Hindernisse auftun oder Ereignisse Platz greifen, die die Berufsausübung unmöglich machen. Wir begannen dies miteinander im Priesterseminar zu leben. Einige fanden aus dieser Auseinandersetzung zu einem anderen Lebensweg, einige wurden Priester.

Von Gott angegangen werden: immer wieder sich einlassen auf das, was „dran“ ist.

 

  • Verschiedene Wirklichkeiten von Kirche begleiteten mich nach der Weihe zum Diakon (17.12.1989) und zum Priester (1.7.1990). Zunächst im Grazer Dom, kam ich mit 1.9.1999 nach Hartberg, eine oststeirische Pfarre, nicht unähnlich meiner Heimat. Im Zentrum eine kleine Stadt und rundherum -zig Dörfer. Und hier geschah das Kennenlernen und Vertiefen von Kirche, die im Volk fest verankert ist, und die sich – Pfarrer war übrigens der jetzige Zisterzienser August Janisch – den Herausforderungen einer sich rapid ändernden Gesellschaft stellt: Flüchtlingsarbeit nach dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs. Fragen kamen hoch: „Wenn sich das Rundherum ändert, muss sich dann nicht auch die Kirche ändern in ihrer Art das Leben zu äußern?“
  • Im Pfarrverband Knittelfeld – Lind-Maßweg – Schönberg ob Knittelfeld erlebte ich eine andere Situation: ich ersetzte zwei Kapläne, der benachbarte pensionierte Pfarrer starb im November 1993. Binnen zwei Monaten waren es zwei Priester weniger. Zwei Jahre später: die Erweiterung des Pfarrverbandes um St. Margarethen/Knittelfeld und Rachau. Eine kleine und eine große Pfarre, eine Kirche im Umfeld der Industrie mit den damit verbundenen Herausforderungen etwa des täglichen Umgehens mit Ausgetretenen stellt die Frage: „Sind wir uns als Kirche schon hinreichend bewusst, dass wir mit den Menschen und ihren Suchbewegungen umzugehen haben?“
  • Bruck: Ab 1998 ein Jahr als Kaplan und dann als Pfarrer im Pfarrverband Bruck/Mur – St. Dionysen-Oberaich und ab 2005 auch von Pernegg. Die Obersteiermark hat wiederum andere Erfahrungsräume von Kirche und es stellt sich die Frage: Dienen unsere Strukturen dem Leben? Wie ist das mit dem ’neuen Wein in neuen Schläuchen‘?
  • Bischof Egon Kapellari – an dieser Stelle einfach ein großes „Vergelt’s Gott!“ – bat mich 2006 das immer bedeutsamer werdende Feld der „Berufungspastoral“ zu beackern, also das Grundthema jeden kirchlichen Lebens wachzuhalten, was es denn heißt „mit Gott zu leben“. Schwerpunkt dieser Arbeit sollte das Bischöfliche (Knaben-)Seminar sein und das in ersten Planungsschritten angedachte „Bischöfliche Zentrum für Bildung und Berufung“, heute „Augustinum“, das 2008 bis 2009 im Gebäudekomplex Ecke Lange Gasse – Grabenstraße saniert wurde. „Wie lernen wir heute ‚wie Glauben geht’“ (vgl. Bischof Klaus Hemmerle). In der Begegnung mit den jungen Menschen und über meine anderen Aktivitäten darüber hinaus machte ich die wache Entdeckung: „Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran neu die Botschaft lernen kann, die ich dir zu überliefern habe.“

Von Gott angegangen werden: in unterschiedlichsten Herausforderungen und Gestalten wird dies bewusst.

  •  Vor einigen Tagen berichtet die Presse von einer „geheimen Liste“. Ich erfahre dies in der Pfarre Graz-Graben und höre, dass dies auch im Radio schon gesagt wurde.
  • April 2015: Ich lese, da ich diesmal nur eine Messe feierte, das Interviewbuch des Alterzbischofs von Poitiers zu Ende: „Aufbruch zum Miteinander“. Es steigt mir innerlich hoch, wie Kirche gesehen und erlebt werden kann. Es geht mich an.
    Für den Abend hatten wir Priester in der Fokolarbewegung schon seit längerem jene Frauen eingeladen, die in einer Wohngemeinschaft, „Fokolar“ genannt, hier in Graz miteinander leben, um einen gemütlichen Abend zu verbringen. Beim Einräumen des Geschirrspülers überhöre ich das Vibrieren meines Telefons. Ich sehe: Telefonnummer aus Wien, auf die Mailbox wurde gesprochen. Ich höre in meinem Zimmer die Mailbox ab: „Grüß Gott, lieber Monsignore Krautwaschl, hier ist der Apostolische Nuntius“. Vor Schreck drücke ich aufs Handy und lösche die Nachricht. Einige Anrufe – welche Nebenstelle? – fruchten nichts. Endlich gegen 20:30 Uhr dann noch einmal das Telefonat und die Bitte diesen Dienst zu übernehmen. Nach einer kurzen Information an den Diözesanadministrator – auch ihm ein großes „Vergelt’s Gott!“ für seinen umsichtigen Dienst in diesem Amt – eine Nacht ohne Schlaf.
  • Am Morgen ging ich in den Dom zur Messe, frühstückte bei Heinrich Schnuderl und informierte meine beiden Amtsvorgänger, ehe ich nach Wien aufbrach, um in wirklich brüderlicher Atmosphäre den Grund für mein heutiges Hiersein zu besprechen. Unterwegs schaute ich bei meiner Mutter vorbei, um es ihr zu sagen. Unter anderem hat sie in diesem Zusammenhang mir gestanden: „Ich habe bei deiner Primiz damals kein neues Kleid gekauft, wieso sollte ich das jetzt tun?“

Von Gott angegangen werden: er spart nicht damit, das – bildlich gesprochen – „Hinken“ zu erleichtern.

 

Junge Leute begegnen den Fragen des Glaubens heute anders. Vertrauen wir dem auch: Gott ist mit ihnen?

Menschen in geglückten, schwierigen oder gescheiterten Beziehungen: was heißt das für die Verkündigung und vor allem das Leben miteinander?

Menschen, die hier Heimat haben oder suchen mit ihren unterschiedlichsten Lebens- und Glaubensgeschichten und -gestalten: ist Gott nicht längst schon mit und bei ihnen, noch ehe wir mit dem, was Kirche heißt, bei ihm ankommen und welche Auswirkungen hat das?

Einige von vielen Fragen – ich bin und bleibe bei alledem auch ein Suchender: mit dem Kompass des Evangeliums und der kirchlichen Tradition als Richtschnur und Wegmarken. Denn: ein Bischof ist Hirte und nicht Alleswisser, erst recht nicht der Beste in Leben. Das können auch meine Zeugnisse aus der Schule bestätigen: Deutsch und Turnen waren zeitlebens die schlechtesten Noten.
Er ist aber auch nicht der Beste im Glauben, zumindest nicht von vornherein :-). Aber ich darf mit den Vielen, die in der Steiermark auf dem Weg des Glaubens in unserer Kirche unterwegs sind, die Freude am Glauben teilen und erneuern; wir werden in einer so verstandenen Kirche vielfältig sein und die Seelsorge neu ausrichten und als Kirche die Gesellschaft mitgestalten. Auf unserem „Weg2018“ hin zum Diözesanjubiläum nehme ich vieles an Fragen mit, da bin ich alles andere als fertig, da hab ich kein Patentrezept und bin kein Wunderwuzzi. Aber ich möchte im Vertrauen beginnen:

Ich bin von Gott angegangen worden und ich will nicht von ihm lassen: Denn „Gott ist die Liebe (1Joh 4,16)“

Ostern 2015

„Wenn es Ostern nicht gäbe: Würde sich da was am Leben, an meinem Leben ändern?“ Irgendwie ist mir diese Frage in den letzten Tagen da in Mürzzuschlag gekommen – ich bin in diesen Tagen hier aus Aushilfe. Klar: dann gäbe es all die Feiern und damit auch die Feiertage nicht. Aber: sonst in meinem Leben?  Die Gedanken der Predigt am Karfreitag scheinen mir da mit eigenen Worten einen Antwortversuch zu verbergen ..

Vielfach begegne ich Menschen mit Angst vor  in verschiedenen Varianten: da gibt es die Angst vor der Krankheit, denn Gesundheit (sei ja das wichtigste Gut, Angst vor Scheitern und Ungenügen, Angst vor Zerbrechen von Beziehungen usw. usf. Und  natürlich auch Angst vor dem Tod. – Nebenbei: sind nicht alle Ängste Spielformen dieser letzten? Und ist damit nicht eigentlich  Angst vor dem Leben verbunden?. Denn das Leben bekommt erst durch Tod „Gewicht“. Würde alles gleich gültig sein, wäre es erstens gleichgültig und daher zweitens auch nichts wert. Erst die Sicherheit des Sterbens macht das Leben zu mehr als bloß einem Ablauf von gewissen Sekunden und Minuten.
Durch das, was wir in diesen Tagen weltweit feiern, wird dem „Entfliehen des Todes“ eigentlich der „Kampf“ angesagt: das Leben ist eines „durch den Tod hindurch“. Und daher könnten wir es uns auch leisten, heute  das Leben jenseits und mit dem Tod bewusst für uns selber zu bedenken – wenn wir nach vor treten und unser Knie beugen vor einem, der dargestellt wird als am Kreuz Gehängter. Tod und Leben gehören zusammen! Und: nehmen wir das auch in unseren Alltag mit: jeder Augenblick ist kostbar! Jeder Augenblick hat es eigentlich in sich, zu einer Begegnung mit dem Ewigen zu werden!
Lassen wir daher nichts einfach nur so vorübergehen.

Auf geht’s!

Am heutigen Nachmittag beginnt mit der sogenannten „Chrisam-Messe“ im Grazer Dom die Feier der Heiligen Woche, der Karwoche. Am Gründonnerstag sind bekanntlich mehrere Inhalte zu bedenken:

  • die Feier der Eucharistie – seit dem Letzten Abendmahl ist uns ja dieses Sakrament geschenkt;
  • – damit verbunden: die Einsetzung des Amtes in der Kirche – denn: die Apostel haben mit Jesus das Letzte Abendmahl gehalten und Jesus hat ihnen den Auftrag gegeben, dies zu „seinem Gedächtnis“ zu tun;
  • der Beginn des Leidensweges Jesu, der am Kreuz zunächst tödlich endet, dann aber in „neuem Leben“ von Ostern erglänzt.
  • In der Frühzeit der Kirche wurden am Gründonnerstag in einer weiteren eigenen Feier auch noch die öffentlichen Büßer wieder in die Kirche aufgenommen: Ostern mitzufeiern macht deutlich, welches Geschenk jedem und jeder von uns Menschen gegeben ist!

Weil so viele Inhalte nicht in 1 Feier „Platz“ haben, gab es daher früher mal 3 Messen an diesem Tag. 2 sind „übrig geblieben“, wobei die Chrisam-Messe in der Steiermark bereits am Mittwoch gefeiert wird.

Wenn ich mit vielen steirischen Diakonen und Priestern heute um 17:00 Uhr in den Dom einziehen werde, dann werden mir wohl zum ersten Mal die Firmlinge, denen ich in den kommenden Wochen begegnen werde, ganz bewusst sein. 1 berührendes Element in dieser Feier, in der die Priester ihre Versprechen bei der Weihe erneuern, ist die Weihe der hl. Öle, mit denen im kommenden Jahr landauf, landab Sakramente gespendet werden: das Öl für die Kranken, das Öl für die Taufbewerber und der Chrisam, der bei der Firmung, bei der „Tauf-Weihe“, bei den Weihen von Diakonen, Priestern und Bischöfen wie auch bei Altarweihen Verwendung findet.

Wenn ich dann in den kommenden Wochen etwa 20 Firmungen mit jungen Leuten feiern werde, dann werde ich zur Salbung jenes Öl verwenden, über das unser emeritierter Bischof gehaucht und die anwesenden Priester in einem langen Gebet ihre Hände ausgestreckt haben. Ja: bei Gott gibt es keine Zeit – und daher sind alle Firmlinge schon „ganz drin“ bei mir. Und: in wenigen Wochen werden wir uns sehen!

„Neue Priester braucht das Land“

Das was Papst Franziskus in Neapel Priestern, Ordensleuten und Seminaristen mit auf den Weg gegeben hat, ist die meines Erachtens eigentliche Not wendende Perspektive für das Amt in der Kirche. Im blog von Radio Vatikan ist die Arbeits-Übersetzung rasch verfügbar gemacht worden … Hier können diese wichtigen Worte nachgelesen werden.
Erst gestern habe ich – und des Papstes Gedanken haben mich unwillkürlich daran erinnert – mit Kollegen einen kurzen Gedankengang von Bischof Klaus Hemmerle geteilt (in: Hemmerle, Klaus: Gottes Zeit – unsere Zeit. Gedanken für jeden Tag, München-Zürich-Wien: Neue Stadt 1994, 97). Schon 1969 (!) meinte er in einem Vortrag, lange vor seiner Bestellung zum Bischof von Aachen: „Persönlich habe ich erfahren, dass ich nicht in erster Linie Priester bin und dannnachher auch noch das Evangelium zu leben habe. Neun, die Sache ist genau umgekehrt: Ich bin Christ, bin zum Evangelium berufen, und nur weil ich es ganz und radikal leben will, nur weil ich als Berufung Gott selbst habe, nur deshalb kann ich ein Zeuge für diese Wahrheit, kann ich Priester sein und das Evangelium verkünden. So darf ich nicht das Priestertum erwählen, sondern Gott allein, der die Liebe ist. Deshalb muss ich auch mit einem Ja, mit einem Danke auf das Kreuz zugehen, wie es jeden Tag auf mich zukommt.“

Gott Raum geben – im eigenen Leben

In diesen Tagen bin ich als Priester gefordert. Ich bin bei Besinnungs- und Einkehrtagen engagierter Männer und Frauen dabei. Über 100 sind ins Mariapolizentrum, dem Seminarzentrum „Am Spiegeln“ in Wien gekommen. Menschen, die in den Anforderungen der Welt von heute Gott Raum zu geben versuchen. Diese Erfahrung tut mir als Priester mehr als gut: in Gesprächen, bei der Spendung der Sakramente – oft werde ich bei Aussprache und Beichte „gebraucht“, im Anstellen beim Essen, bei den verschiedenen Impulsen etc.: überall scheint das Licht Gottes durch die unterschiedlichsten Lebenswirklichkeiten durch.

Ich mache die Entdeckung – zum wiederholten Mal, und gerade deswegen ist sie immer wieder nötig: die Botschaft des Evangeliums ist nicht eine abgehobene, sondern will durch uns Menschen heute neu „Fleisch“ werden. Ich, Du und Wir sind dazu berufen, mitten in der Welt deutlich zu machen, wer Gott ist und wie er ist. Toll eigentlich: wie damals in Palästina, so gibt ER sich heute durch uns der Welt preis … Und: durch uns möchte ER heute „zur Welt gebracht“ werden.

Gott auf der Spur

Seit es Menschen gibt, gibt es Sehnsucht. Sehnsucht auch nach Gott. In Weihnachten wird die Sehnsucht gestillt, nicht weil sich der Mensch Gottes ermächtigt hätte, sondern weil Gott sich zum Menschen auf den Weg gemacht hat.

Seit es Christen gibt, spüren diese weltweit diesem großartigen Geschenk nach, was dies wirklich bedeutet, dass Gott in seinem Sohn einer wie wir wurde. Ein Mensch mit Haut und Haaren, mit Geburt und Tod …: Gott also in der Zeit.

Seit den Tagen des heiligen Franziskus wird diesem Nachspüren des „Größten im Kleinsten“ Gestalt in Krippen verliehen. In den vergangenen Tagen war ich in einigen Kirchen der Wiener Innenstadt auf einer „Kripperlroas“. Unterschiedlich wurde da dem einen Glauben Gestalt verliehen: mal in Lebensgröße, mal in großen und lebendigen Landschaftsdarstellungen, mal im Ausdruck des 20. Jahrhunderts, mal mit Mitteln des 19. – Eigentlich kommen wir nie ans Ende damit, Gott ins Bild zu bringen.

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Eingeladen zum Leben

Das „Wort des Lebens“ lädt rund um die Welt tausende Menschen ein, einen Monat lang sich ganz besonders einem Wort aus der Heiligen Schrift zu widmen. Es gilt, dieses in die Tat umzusetzen, in den Alltag des Lebens. Ein kurzer Kommentar, der hier zu finden ist, hilft sich auf Lebens-Aspekte der Bibelstelle einzulassen. – Ich bin schon gespannt darauf, was sich bei mir so tun wird mit diesem Wort …

Mitten hinein in die Nacht

Predigt zu Weihnachten (In der Heiligen Nacht)
1. Lesung: Jes 9,1–6
2. Lesung: Tit 2,11–14
Evangelium: Lk 1,1–14

1. Mitten hinein in die Nacht der Welt bricht sich Gott Bahn. Wie auch immer wir versuchen, die Botschaft der Hl. Nacht zu verkünden, was auch immer mitunter an Kitsch daraus gemacht wird. Der Kern – und nicht umsonst wird die Mette in der Nacht begangen – ist dieser: auch wenn die Welt noch so finster ist: Gott macht sie hell durch sein Kommen in genau diese Welt. Ja: Gott nimmt genau diese Welt ganz in sich hinein, er bleibt nicht „außen vor“, er macht deutlich, dass er sich selbst zum Akteur machen will und nicht bloß  „besserwisserisch“ das Schicksal der Welt von außen beurteilen und dann halt wieder mal gröber eingreifen will. Nein: von innen her, in der Welt will er deutlich machen, dass sie „gottfähig“ ist.

2. Nennen wir ruhig Finsternisse, die uns/mir so schnell einfallen:
– Leid, Schrecken, Tod von Menschen, die sie sich gegenseitig zufügen – in den Kriegs- und Krisengebieten
– Unheil und sorgenvolle Schreie von Menschen jeden Alters, geboren oder nicht, an den Rand gedrängt weil nicht mehr produktiv oder eben in der Mitte aller Schaffenskraft
– Not und Trauer von vielen, ja Millionen, die des Nötigsten zum Leben bedürfen
– Ungerechtigkeiten sondergleichen zwischen Nord und Süd, Reich und Arm, Ost und West – und auch da spielen sich wohl viele, viele Bilder vor unseren geistigen Augen ab
– die Einteilung der Welt und der Menschen in ihr mit einfachen Kategorien wie „gut und böse“ oder auch in Einflusssphären irgendwelcher Weltmächte
– kleine und größere Nöte des Alltags, weil es zu wenig Arbeit gibt, weil mir Bildung vorenthalten wird und damit die Würde des Menschen nicht entsprechend gelebt werden kann
– und und und …:
Ja: auch 2014 feiern wir die Geburt Gottes inmitten der Nacht der Welt und der Menschheit.

3. Was aber heißt das dann? Nun: Gott ist nicht fern, er erlebt genau das mit Haut und Haaren an sich selbst. Er teilt das Los der vielen Nöte, die zum Himmel schreien und macht damit deutlich: „Ich steh zu Euch! – Mein Ja zur Welt bleibt aufrecht, trotz allem – denn: ich kann doch nicht mich selbst in ihr zerstören um des vermeintlichen Neuanfangs willen?!“ Und: damit lädt er mich/uns ein, IHM ähnlich untereinander zu leben, nicht besserwisserisch zu sagen: „Dieses und jenes würde sich gehören, …“, sondern genau das, was mir nicht in den Kram passt, zu lieben. Er wurde Mensch, damit wir – mehr – Mensch werden… Ja: er lädt mich ein, die Finsternisse und Abgründe, in die Menschen heute sich verstricken, nicht bloß als Orte zu sehen, die uns mit unserer Botschaft des Heiles gut ausschauen lassen – unter dem Motto: „Wenn ihr euch nur bekehren würdet, dann wäre alles geritzt“ – sondern so wie Sein Sohn zur Sünde für uns geworden ist uns ganz zu den Not Leidenden, Verzweifelten zu begeben, nicht herab zu beugen, sondern den Dreck und das Elend selbst an unserer Haut zu spüren. Damit Heil erfahrbar wird. –

4. Die Heilige, die „geweihte“ Nacht macht mir deutlich: Kirche wird immer mehr sie selbst, wenn sie alles verlässt, wovon sie meint, dass es ihr Ureigenstes sei, so wie ER sich nicht zu schade war, das was ER war gering zu achten und zu verlassen. Und ich entdecke, indem ich das sage, wie sehr ich selbst und wohl auch wir noch in den uns liebgewordenen Bereichen verbleiben würden; ja: ich erfahre die Versuchung zur „Machtausübung“, auch wenn sie subtil gehandhabt wird und geistlich vielleicht genannt wird. Oder anders: Nicht dann, wenn alles hell strahlt, wenn alle am Sonntag in die Kirche gehen würden und die Beichstühle voll wären, sind wir am Ziel, sondern wenn wir uns in den Dreck zum Letzten hinabbeugen und das Holz der armen Krippe, in der auch heute viele geboren werden, an unseren eigenen Händen spüren. – Ich hab noch viel zu lernen, wenn ich Weihnachten wirklich ernstnehmen würde …

Gott baut sich ein Haus

Predigt am Morgen des 24. Dezember 2014
Lesung: 2Sam 7,1–5.8b–12;14a.16;
Ev: Lk 1,67–79

1. David ist ein Mensch durch und durch. Er möchte was gelten, schaffen, fruchtbar sein. – Er wird eingebremst von Gott – durch den Propheten. Unsanft. Und das, obwohl er eine eigentlich ganz selbstverständliche und für menschliche Dimensionen logische Frage hat: ich wohne in einem Haus, die Lade Gottes nicht. Also: was liegt näher, als auch dem Herrn etwas IHM entsprechendes zu bauen. – Dieser allzu verständliche Wunsch wird vom Propheten als Irrung entlarvt. Weil es um Gott geht und nicht bloß darum, etwas „gut Gemeintes“ umzusetzen.

2. Menschen heute haben auch oft Gutes im Kopf. Und wollen es umsetzen, in- und außerhalb der Kirche. Beispiele zu letzterem fallen mir naturgegebener Maßen eher ein: was es da nicht alles an Reformvorschlägen gibt um Kirche im Heute „neu“ ankommen, wieder erstarken zu lassen. Manche treten dann auch mit einem gewissen messianischen Gehabe auf: „Wenn Du nicht diesen Weg gehst, dann läufst du in die Irre.“ Tatsächlich: Eigene Wünsche und Vorstellungen über den „rechten Weg“ der Kirche geben sich mitunter ganz fromm, aber eben auch beinahe „allein seligmachend“. Und vor lauter „Man müsste, man sollte“ diese oder jene Veranstaltung besuchen, diesen oder jenen Wallfahrtsort aufsuchen, diese oder jene Maßnahme setzen, damit Kirche (über)lebt etc. kommt mir mitunter schon vor, dass Gott außen vor gelassen wird.

3. Da tun Worte aus dem Mund des Propheten Natan gut: „Gott selbst wird sich ein Haus bauen!“ Nicht wir. Wir sind tatsächlich oft in Gefahr das Jesuswort an Petrus abzuändern – gerade in unseren Breiten: Es heißt ja: „Du bist Petrus – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ und nicht, so jedenfalls gebärden wir uns mitunter: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen wirst du deine Kirche bauen.“ Gottvertrauen ist tatsächlich etwas, was uns in unserer Kirche, die so gut durchorganisiert ist, (mehr als) nottut – und damit: Glaube. Wir sehen Zahlen und nehmen manches bzw. vieles wahr, was weniger wird – und sofort haben wir Lösungen parat: Weihezulassungskriterien müssen geändert werden bzw. Pfarren aufgelöst, damit der Pfarrer nicht mehrere Pfarren hat etc. etc. – und wir übersehen, dass sich in den letzten Jahrzehnten halt einiges in der Gesellschaft geändert hat, was den Bezug und das Leben in und mit der Kirche anlangt. So zum Beispiel:
– Firmung wird oft und oft als Abschiedssakrament aus der Kirche gebrandmarkt – und wir übersehen, aus welchem Grund sollten Jugendliche, die vorher nie mit der Kirche gelebt haben, aufgrund 1 singulären Ereignisses plötzlich zu „Überchristen“ werden, wenn auch die Erwachsenen da nicht mitleben?
– Wir hören: Dort geht dieses und jenes gut und meinen, dass wir sofort auch in unserem eigenen Bereich dasselbe umzusetzen hätten, und alles würde wieder gut werden, zumindest halt so, wie es (angeblich) immer schon war bzw. wie es halt war zu einer Zeit, die wir noch als „goldene“ in Erinnerung haben.
Die Reihe an Maßnahmen, die dann überlegt und gesetzt werden könnte wohl ins unendliche fortgesetzt werden. Allen aber ist anzumerken: eine bestimmte Gestalt an Kirche, die uns lieb und teuer war – über Jahrhunderte – soll möglichst fortgesetzt werden; oder ein Aufbruch, der sich abspielt, ist nur dann wertvoll, wenn alle mittun und wenn möglichst das „frühere“ wiederhergestellt wird … „Teuflisch“ was sich da abspielt und letztlich Gott-los ist, weil wir planen und „machen“.

4. Wie gut da der heutige Morgen und die Feier von Weihnachten tun: Gott baut sich unter den Menschen selbst ein Haus – so wie er aus dem Erstorbenen der Elisabeth Fruchtbarkeit wachsen lässt. Diese Botschaft Gottes muss (!) wieder neu bei uns eindringen, dringend nötig haben wir sie.