Für das „Hausfest“ im Priesterseminar am 8.12. hatte ich heuer folgende Predigt vorbereitet.
- Um leichter verstanden zu werden könnte das heutige Patrozinium unserer Priesterseminar-Kapelle auch als „Erwählung Mariens“ bezeichnet werden. Wie jedes Patrozinium, so kann auch dieses als „Wegweisung“ verstanden werden, als Leitlinie für das Dasein.
Mit diesem Fest wird deutlich, dass Gott von Anfang an Maria gleichsam „zugerüstet“ hat, Mutter seines Sohnes zu werden, ihn zur Welt zu bringen. Genau das ist aber auch unsere Berufung: Gott hat uns in der Taufe dazu zugerüstet, Jesus zur Welt zu bringen –in diese Welt, wie sie sich uns darstellt; in genau diese Welt und damit in die Wirklichkeiten, in denen wir uns bewegen. Das „Zukunftsbild“ für unsere Diözese will dies auch deutlich machen: wir wissen uns in Seinem Namen in diese Welt gesendet.
Denken wir daher nicht zu klein von uns. Unsere Berufung. ist es, IHN zur Welt zu bringen. „Wie aber soll das geschehen?“ höre ich auch den einen oder die andere von uns da fragen. - Ermes Ronchi, dessen Exerzitiengedanken für die römische Kurie aus 2016 im Buch „Die nackten Fragen des Evangeliums“[1] ich in den vergangenen Monaten mit äußerst großem Gewinn betrachtet habe, beschreibt im Kapitel über diese Frage Mariens an den Engel u. a.: „Maria wahrhaft verehren, das heißt: ein schlichtes Zelt für den Logos, das Wort werden – wie sie, die sich ganz vom Heiligen Geist hat leiten lassen. – Maria wahrhaft verehren, das bedarf nicht einer Vielzahl von Frömmigkeitsübungen, es heißt, wie sie für Christus Mutter zu werden, ihm Fleisch und Blut zu geben, ihm in unserem Leben Gewicht und Bedeutung zu geben. – Maria wahrhaft verehren heißt [..] nicht so sehr, sie um Hilfe zu bitten, als vielmehr wie sie Gott zu helfen, sich zu ‚inkarnieren‘ in Häusern und Straßen unserer Welt, in der Zuwendung zu den Menschen, in einer Umarmung …“.
- Soweit ich das sehe, ist dies auch hier möglich. Denn – und das Evangelium, das am heutigen Festtag wie an so vielen im Laufe eines Jahres verkündet wird, bringt mir eindrücklich die Alltäglichkeit der Begegnung mit Gott nahe. Es ist ein ganz normaler Ort, nicht einmal Tag und Zeit sind angegeben, an dem der Engel die Botschaft bringt. Und damit ist dann auch ernst zu machen, denn unser aller Berufung ist es ja nicht – wir sind ja in keiner päpstlichen Klausur und nur dem Schweigen verpflichtet – Ihn rund um die Uhr in der Gestalt des Brotes anzubeten. Unsere Berufung ist es, IHN in die Welt zu bringen – und die ist für Seminaristen die Lebens-Gemeinschaft des Seminars untereinander und mit allen, die hier leben und arbeiten, das Miteinander mit den Studierenden, mit der Fakultät, mit der Familie, der Gemeinschaft, aus der jeder herkommt und die wohl alle auf dem Weg der Entscheidung ein Stück weit an der Berufungsklärung „beteiligt“ waren. Denn Berufung geschieht nicht im luftleeren Raum. Bei Maria kam es im Alltag – sagen wir es bildhaft – in der Küche zum ‚Ja‘ – nach der Frage wie es denn geschehen solle. Berufung zu einem Dienstamt geschieht – und das wird bei der Weihe ohnedies deutlich – in der Gemeinschaft der Kirche, also mitten drin im alltäglichen Leben. Daher möchte ich jene, die hier leben, um ihre Berufung zu „unterscheiden“, ermuntern, sich einzulassen auf das Leben im Alltag heute und hier, aber auch im Leben später als Priester in dieser Welt: denn wenn wir davon reden, dass die Berufung zum geweihten Amt Dienst ist, dann ist dieser eben nicht auf sich selbst orientiert, sondern ist im Miteinander der Kirche zu leben. Das bedeutet aber auch, ernst zu machen damit, dass die Welt nicht ein Gegenüber ist zum „Bollwerk“ Kirche, sondern vielmehr die Chance, ja Ermöglichung Gott zu entdecken.
Und für das Volk Gottes von heute und morgen ist das Leben eben zu einem überaus großen überwiegenden Teil Alltag, Alltag der Gottesbegegnung.
_________________________________________________________
[1] Ermes Ronchi: Die nackten Fragen des Evangeliums, München: Neue Stadt 22017.