Für die Anderen da sein

Bei der schon über 300 Jahre bestehenden „Sebastianiprozession“ in der Pfarre Lind-Maßweg habe ich heute am 2. Sonntag im Jahreskreis folgende Worte für die Predigt vorbereitet.
„‚Jedem [..] wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.‘ (vgl. 2. Lesung V7). Das was wir in der Lesung des heutigen Sonntags gehört haben, ist Realität: Jede und jeder hier in dieser Kirche ist reich beschenkt. Denn: wir alle sind „Einzelstücke“, unendlich kostbar, unvergleichlich. Und: Gott liebt jede/n von uns einmalig, unendlich. Das ist die eine Realität, die zu verkündigen ist, und die wir – mitunter auch schmerzlich – wahrnehmen. Denn auch wir erliegen manchmal der irrigen Meinung, dass die Welt viel schöner und einfacher zu gestalten wäre, wenn alle gleich wären. Dem ist aber nicht so. Denn: nur durch die Unterschiedlichkeit, die uns auszeichnet, werden wir liebesfähig; wären wir alle gleich, wäre ein liebendes Miteinander eigentlich unsinnig. Nur weil wir anders sind, können wir einander lieben.

2. Gerade deswegen erinnert Paulus seine Korinther daran, dass dies ergänzend zur Einzigartigkeit des Menschen mit seinen ganz besonderen Begabungen und Charismen wesentlich dazu gehört. Ja: die Individualität darf nicht verkommen zur Egozentrik. Das, was uns geschenkt ist, hat allen zu dienen. Denn wir sind als Menschen zur Liebe berufen. Jede und jeder. Liebe aber heißt das den Anderen zur Verfügung stellen, was einen selbst ausmacht, sich selbst – und damit das Eigene – also hinein begeben in das Miteinander. Wie fremd doch eine solche zutiefst unserem Herrn Jesus Christus entsprechende Lebensart uns in unseren Breiten oft ist. So jedenfalls erscheint es mir mitunter. – Wenn ich etwa an die unseligen Streitereien unter uns Katholiken denken, wer denn nun rechtgläubiger sei, wo dann auch von der einen zur anderen Seite schwere Geschütze aufgefahren werden. Doch eigentlich wäre angesagt, uns gegenseitig zu ergänzen, denn du könntest ja was haben, was mir fehlt! – Oder ich denke an die „Privatfehden“, die zwischen einzelnen Gemeinden oder auch/und Pfarren ausgetragen werden, wer denn nun „mehr“ und „bedeutsamer“ ist etc. Dabei geht es darum, den Nächsten ebenso zu lieben wie mich, und wenn es die Nachbarpfarre ist. – Ich denke aber auch an gesellschaftliche Herausforderungen: wie oft ich doch den Eindruck gewinnen muss, dass Menschen meinen, sie seien der Nabel der Welt und alles habe sich um sie herum zu drehen. Und wenn dann mir etwas gegen den Strich geht, werde ich unrund und die halbe Welt um mich herum wird angeklagt. Dabei bin ich doch als Einzelne/r dazu aufgerufen, das was mich auszeichnet, in Liebe den Anderen zur Verfügung zu stellen, damit alle genug haben, damit die Menschheit eine Familie ist. In Ehen und Familien ist genau dies meines Erachtens ja das tägliche Brot – und wie viele doch gerade daran scheitern oder zu scheitern drohen! – Am heutigen „Welttag des Migranten und Flüchtlings“ sei bewusst an diesen Aspekt des Inhalts des eben Gesagte erinnert und daran,  was unser Papst in seiner Botschaft dazu sagt und wohin et unsere Blickte lenken will. Auch muss an die Situation unserer Schwestern und Brüder in den vielen Gebieten der Verfolgung von Christen in unserer Welt erinnert und dies uns als Auftrag und einzubringen betrachtet werden.  – Auch im Großen und Ganzen der Welt spielen sich immer wieder ähnliche Mechanismen ab, die uns dann auch, dem Gesetz der Medien gehorchend, schwarz-weiß präsentiert werden, als ob es meist nur die Guten und die Schlechten gäbe. Dabei sind wir, und ich erinnere an die letzte Enzyklika von Papst Franziskus, alle miteinander Bewohner des einen Hauses, das sich Erde nennt und unsere Aufgabe wäre es, diese Realität in die kleinsten Lebensbereiche hinein zu buchstabieren.

‚Jedem [..] wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.‘ Das, was logisch und klar klingt, weil so Liebe gelebt wird und wir als Menschen, als Christen so zu einem Leib zusammenwachsen, ist im Alltag uns immer wieder in Erinnerung zu rufen und je neu anzupacken. Wir haben diese Wirklichkeit am heutigen Sonntag wieder vernommen, damit wir sie in unserem Alltag leben. Also: „Herr, erneuere die Kirche – und fange bei mir an!'“