Jedes Wort zuviel

Gestern wurde ich längere Zeit über gesucht … Ich wurde gebeten hier in der „Welt des Weltjugendtags“ Stellung zu beziehen zu den Vorgängen in Frankreich, in Deutschland usw. – praktisch vor unserer Haustür. Was denn „die Kirche“ dazu sage und wie sie sich einzubringen gedenkt in all das, was da vor sich geht, ob Schlechtigkeit neue Dimensionen angenommen hätte usw.

Das erste, was mir eingefallen ist: „Jedes Wort ist eigentlich zu viel.“ Trauer, Beschämung und auch Wut, die große und letztlich nicht beantwortbare Frage nach dem „Warum?“ schreien … Wonach? – Meine Antwort, die ich nach entsprechenden Worten suchend gegeben habe: All das schreit „… nach dem Evangelium.“ Ja: leben wir Kirche, leben wir das, was uns der Herr mitgegeben hat im Evangelium! Niemand hindert uns daran, so die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Niemand. Leben wir unseren Glauben!
Und: all das schreit auch danach, dass wir unsere Stimmen zu Gott erheben und beten, damit Er ernst genommen wird und nicht wir Menschen Gefahr laufen, unser Maß anzulegen.

Ich weiß, dass dies mitunter als weltfremd abgetan wird. Doch: wohin führt Gewalt? Wohin bringen uns Auswüchse an Worten und Taten – und damit meine ich nicht nur „die anderen“? Wohin Gerüchte, Verdächtigungen, Halbwahrheiten, Spekulationen usw. gepostet, (weiter-)gesagt, vielleicht auch medial verbreitet, mitunter auch um sich selbst in den Vordergrund zu rücken? – Es gibt Menschen, die diese Spirale in den letzten Jahrzehnten dort, wo sie lebten, durchbrochen haben. Und diese Menschen (!) haben die Welt verändert.
Wer Gewalt sät, darf sich nicht wundern, wenn er [Gegen-]Gewalt erntet – in welcher Form auch immer.
Das Evangelium und damit der Christ schlechthin, Jesus, kann einzig wirkliches Maß sein für unser Engagement. Das ist gelebter Glaube, gelebtes Christentum!

Ich weiß auch, dass einer solchen Einsicht oft und oft die Geschichte der Kirche vorgehalten wird, doch: das Evangelium zu entdecken war und ist Aufgabe der Christen in jedem Jahrhundert.

Ich weiß, dass Unsicherheit und Fragen sich breit machen. Und höre dann – einem Teil eines Korrespondentenberichts der Katholischen Presseagentur folgend den Papst auf dem Flug nach Krakau zu den mitreisenden Journalisten sagen: „‚Haben wir keine Angst, die Wahrheit zu sagen: Die Welt ist im Krieg, weil sie den Frieden verloren hat‘. Und damit keine Missverständnisse aufkommen, betonte er, dass dies kein Krieg der Religionen sei, sondern ein ‚Krieg der Interessen, des Geldes und der Ressourcen‘. ‚Religionen befinden sich nie im Krieg, sie wollen immer den Frieden.'“ Er rückt damit manches zurecht und nimmt nichts von der Schärfe der Situation. So denke ich mir: „Jeder Tag ist ein Geschenk, der mir in die Hand gegeben wird. Ich möchte meinen Beitrag dazu  leisten, damit dieser ein einzigartiger Tag wird, der mehr an Miteinander und weniger ‚aus-dem-Weg-gehen‘, Ignoranz, Anklagen, Beschuldigen usw. bringt. Trotz allem.

Ich muss einfach das und genau das genau so ausdrücken, weil ich hier auf den Straßen anderes erlebe zwischen jungen Menschen rund um den Erdball – wir haben eben nicht mehrere Planeten und daher gilt es, eine Welt auch zu  leben – trotz aller Unterschiede in Sprache, Kultur, Mentalität, Hautfarbe etc. – Ich kann nicht anders, weil ich eben aus der Ukraine hierher gekommen bin, in der die Schwestern und Brüder der ukrainisch griechisch-katholischen Christen vor etwas mehr als 25 Jahren wieder auferstanden sind nach Jahrzehnten der Unterdrückung und des Verbots ihren Glauben überzeugt zum Ausdruck bringen auch in der konkreten Hilfe für jene, die im eigenen Land fliehen müssen – ohne lange Vorhaltungen an „damals“. Ich kann nicht anders, weil ich gestern am Vormittag dem bewegenden Zeugnis einer jungen syrischen Christin lauschen hab dürfen, wie sie versucht – als einzige Überlebende eines Angriffs auf sie und mehrere Freundinnen, mit denen sie maturiert hatte – bei Gott Zuflucht zu nehmen, um weitergehen zu können im Leben.

Wir haben viel zu tun: die Welt braucht Christus!