Kirche im Lockdown (?) – II

Der neue Generalsekretär der Bischofssynode Mario Grech hat Anfang Oktober der italienischen Zeitschrift „La civiltà cattolica“ ein Interview gegeben – Interviewpartner waren Antonio Spadaro und Simone Sereni (https://www.laciviltacattolica.it/articolo/la-chiesa-sulla-frontiera/). Ende Oktober erschien es auf Englisch (https://www.laciviltacattolica.com/bishop-mario-grech-an-interview-with-the-new-secretary-of-the-synod-of-bishops/). Im Interview nimmt der von Papst Franziskus zum Kardinal erhobene frühere Vorsitzende der Bischofskonferenz von Malta und Bischof der dortigen Diözese Gozo zu Fragen rund um die Kirche in der Zeit der Pandemie Stellung. Dies ist bedeutsam, um seine Gedanken zu verstehen, die uns mitten in der „2. Welle“ erneut bewegen. – Hier nun der 2. Teil des Interviews.

Spadaro-Sereni: Welche Aspekte kirchlichen Lebens sind in dieser Zeit ans Licht getreten?

Grech: Wir haben eine neue Ekklesiologie, vielleicht sogar eine neue Theologie und unseren Dienst „neu“ entdeckt. Es ist Zeit, notwendige Entscheidungen zu treffen, um auf diesem neuen Verständnis des Dienstes aufzubauen. Es würde Selbstmord gleichen, wenn wir nach der Pandemie zu denselben pastoralen Methoden zurückkehren, die wir bisher praktiziert haben. Wir geben enorme Energie aus, um die säkulare Gesellschaft zu bekehren, aber es ist wichtiger, uns zu bekehren, um jene pastorale Umkehr zu erreichen, von der Papst Franziskus oft spricht.

Ich finde es merkwürdig, dass sich viele Menschen darüber beschwert haben, dass sie in der Kirche keine Kommunion empfangen und Beerdigungen feiern können, aber weit weniger haben sich Sorgen darüber gemacht, wie sie sich mit Gott und den Nächsten versöhnen, wie sie auf das Wort Gottes hören und es feiern und wie sie ein Leben im Dienst gestalten können.

Es gilt es zu hoffen, dass diese Krise, deren Auswirkungen uns noch lange begleiten werden, für uns als Kirche in Bezug auf das Wort Gottes ein günstiger Moment ist, um das Evangelium wieder in den Mittelpunkt unseres Lebens und Dienstes zu rücken. Viele sind immer noch „Analphabeten des Evangeliums“.

 

In diesem Zusammenhang haben von „geistigen Armut“ gesprochen: Was ist deren Natur und was sind Ihrer Meinung nach die offensichtlichsten Ursachen für diese Armut?

Es ist nicht zu leugnen, dass die Eucharistie die Quelle und der Gipfel des christlichen Lebens ist oder, wie andere lieber sagen, der Gipfel und die Quelle des Lebens der Kirche und der Gläubigen[1]; es ist ebenso wahr, dass „jede liturgische Feier […] in vorzüglichem Sinn heilige Handlung [ist], deren Wirksamkeit kein anderes Tun der Kirche an Rang und Maß erreicht“[2]. Aber die Eucharistie ist nicht die einzige Möglichkeit, dass der Christ das Geheimnis erfahren und dem Herrn Jesus begegnen kann. Paul VI. beobachtete dies gut, als er schrieb, dass in der Eucharistie die Gegenwart Christi nicht im ausschließenden Sinn ‚real‘ ist, als ob die anderen nicht ‚real wären[3]

Daher ist es besorgniserregend, dass sich jemand außerhalb des Kontextes der Eucharistie oder der Anbetung gleichsam ‚verloren‘ fühlt, da dies eine Unkenntnis anderer Arten der Begegnung mit dem Mysterium deutlich macht. Dies weist nicht nur auf einen gewissen geistigen Analphabetismus hin, sondern ist auch ein Beweis für die Unzulänglichkeit der gegenwärtigen pastoralen Praxis. Es ist sehr wahrscheinlich, dass unsere pastorale Tätigkeit in der jüngeren Vergangenheit versucht hat, zu den Sakramenten und nicht durch die Sakramente zum christlichen Leben zu führen.

[1] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium (SC), 10.

[2] SC 7.

[3] Paul VI, Mysterium Fidei, 40: „Diese Gegenwart wird ,,wirklich“ genannt, nicht im ausschließenden Sinn, als ob die anderen nicht ,,wirklich“ wären, sondern in einem hervorhebenden Sinn, weil sie wesentlich ist, wodurch der ganze und unversehrte Christus, Gott und Mensch, gegenwärtig wird.“