Kirche ist mehr

10 Tage sind mir derzeit in Rom geschenkt: Gemeinsam mit mehr als 120 Kollegen, die im vergangenen Jahr zu Bischöfen ernannt bzw. geweiht wurden. 17 davon kommen aus katholischen Ostkirchen.
Mir wird hier unter anderem deutlich:
Kirche ist mehr …
* 5 Bischöfe sind aus Deutschland und Österreich angereist. Es gibt keine deutsche Übersetzung. – Kirche ist mehr als der Horizont, in dem ich groß geworden bin und den Weg der Nachfolge Christi begonnen habe. Eine „heilsame“ Ent-Grenzung sozusagen, die nicht nur gut, sondern auch nottut. Nur allzuoft glaube ich, dass meine Fragen die sind, die alle Welt zu interessieren haben … Im „Hirnkastl“ ist das zwar präsent, aber es ist was anderes, das „hautnah“ zu erfahren.
* Da bin ich in der kleinen Austauschrunde mit den neuen slowenischen Bischöfen, den Bischöfen aus Krk und aus Budweis, 3 aus den deutschsprechenden Landen sowie einem von der IS verfolgten aus dem Irak beisammen. – Und plötzlich wird deutlich: das Leben in der Nachfolge Jesu ist – weltweit gesehen – alles andere als immer nur Honigschlecken. Ich weiß: die Situationen sind nicht zu vergleichen und dennoch werden unsere Fragen und Sorgen auf den Ort verwiesen, wohin sie wirklich gehören. Es ist eben ein Unterschied, ob Nachfolge zu leben ist in der Furcht um das eigene Leben oder ob man in Freiheit seine Religion bekennen und ausüben kann. Nutze ich, nutzen wir diese und gegebene Chance wirklich – auch angesichts der Wanderungsbewegungen, die sich auf unserem Kontinent derzeit ereignen?
* Da bin ich mit Bischöfen aus Lateinamerika, aus dem Nahen Osten, aus der Ukraine, aus Europa, aus Nordamerika etc. an „einem“ Tisch – die Sprache muss je neu gefunden werden und dann geht es manchmal nur mit „Händen und Füßen“. Vielfach wächst Kirche. Ich „lerne“, dies auch bei uns zu sehen – ein Perspektivenwechsel ist angesagt. Auch in unserer vergleichsweise „alten“ Kirche bricht sich immer wieder neues Leben Bahn. Nehme ich es hinreichend wahr, auch wenn es den normalen Ablauf irritiert und mitunter quer geht zum Geplanten? Gibt es nicht auch die Realität, dass Gott überraschend eingreift und zum Zeugnis herausruft, zu einer vielleicht neu zu akzentuierenden Sendung auffordert?! Etwa: Flüchtlinge – Sein Anruf? Etwa: Menschen, die sich abgewendet haben, enttäuscht sind von Kirche usw. – ein Aufruf von Gott, nicht zu meinen, dass ich „alles“ bin?! Etwa: Menschen die sich engagieren, neu anfangen mit der Nachfolge Christi in dieser oder jener Form, Bewegung, Gruppierung vielleicht auch jenseits von Pfarre – ein Plan Gottes, nicht zu eng zu denken in fixen Territorien, Pfarrgrenzen etc.?!
* Wie wenig ich doch Kirche und kirchliche Situationen weltweit kenne. Klar: im normalen Alltag reichen die üblichen Dinge, aber habe ich hinreichend weltkirchliche Fragen „intus“? Klar: ich muss mir nicht die Probleme zu meinen machen, die andere haben, aber ich darf auch nicht die Fragen, die mich und uns hier betreffen hichstilisieren zu den Fragen aller und weltweit. Ganz abgesehen davon, dass ich eine ganz beschränkte Erfahrungswelt habe – nicht nur weil ich Brillen trage: ich muss ganz einfach mehr kennenlernen, mich für andere interessieren, ihre Welt und ihr Denken, ihre gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen usw., damit ich mich selbst im Gefüge der einen Welt neu und entsprechend entdecke. Da komme ich u.a. auch zur Erkenntnis: nicht Flüchtlinge sind der Skandal, sondern der Krieg oder die Kriege, die in verschiedenen Weltgegenden toben; si jedenfalls hat es die Gemeinschaft Sant’Egidio formuliert und den kann ich mich nur anschließen.
Und ich darf dies auch von den anderen erbitten, Liebe gilt es in der Nachfolge Christi gegenseitig zu leben. – Und ganz nebenbei mache ich dabei die Entdeckung, dass eben hier in Rom Weltkirche vor Augen ist, wenn Äußerungen getätigt und Schriften veröffentlicht werden …

Danke für diese geschenkten Tage!

Von diesen Tagen hier in Rom wurde ein Interview mit Radio Vatikan gesendet, das hier nachgelesen bzw. nachgehört werden kann.