„Rette deine Seele!“

Hinterher ist man meistens gescheiter. Und erst recht, wenn man aus Distanz beobachtet. Das sind zwei Gedanken, die mich dazu veranlasst haben, so manches zu notieren, das sich in den letzten Wochen ereignet hat. Ich tue dies nicht unbedingt in der Art einer zeitlichen Rückschau, sondern eher „aus dem Bauch heraus“, nach verschiedenen Themen strukturiert – und hier in unregelmäßigen Abständen. Und: ich habe kurz vor Ende der strengen Ausgangsbestimmungen meine Gedanken zu schreiben begonnen …

Zu früheren Zeiten war nach sogenannten „Volksmissionen“ oft ein Erinnerungskreuz mit diesen Worten in den besuchten Pfarren hinterlassen worden. So richtig der Inhalt, der mit diesem Satz ausgedrückt worden ist, auch ist – nämlich, dass jede/r Getaufte auf dem persönlichen Weg zur Heiligkeit unverzagt voranschreiten soll – so falsch kann er auch egoistisch verengt verstanden werden. Als ob es nur darum ginge, „koste es, was es wolle“ danach zu trachten, sich in den Himmel zu „katapultieren“ – und dabei auf die anderen um mich herum zu vergessen. Je länger das Verbot andauerte, Feiern in den Kirchen öffentlich zu gestalten, wurden Stimmen laut, die ich eher der letzteren Variante des Verständnisses zuordnen möchte. Da war von Forderungen an uns Bischöfe die Rede, die freilich „demütigst“ vorgetragen wurden, da hieß es „Gebt uns unsere Messe zurück!“ [hier geht es mir um den Titel des Videos, nicht um dessen Inhalt, der berührende Zeugnisse geboten hat], da haben manche Amtsträger sich herausgefordert gesehen zu behaupten, dass das Virus sicher keine Chance hätte, jemanden beim Kommunionempfang anzustecken, da gab es in Foren und Medien, die sich „katholisch“ nennen, Steinchen – mitunter auch größeres, die zwischen die Bischöfe zu streuen versucht wurden um aufzuteilen in „gute“ und „schlechte“ Hirten usw., da war die Rede davon, „dass die Hirten die Herde verlassen hätten“, da wurde gefordert und eingemahnt usw. Gott sei Dank (!) hat sich vieles davon „nur“ in einer „kirchlichen Filterblase“ abgespielt, sodass auch die Reaktionen darauf sich meist nur auf diese beschränkt haben. Die Kultur, die hier mitunter zu sehen, zu lesen und zu hören war – und das spielte sich auf verschiedensten Ebenen ab – war eine ganz andere als die, die uns Jesus gelehrt hat. Ganz abgesehen davon, dass damit – erneut – ein „Anti-Zeugnis“ gegeben wurde und wird und ich mehr und mehr auch jene verstehe, die sagen, dass sie „mit diesem Verein“ eigentlich nichts auf dem Hut haben. Angesichts so mancher Fragestellungen weltweit – „Woher kommen Krankenbetten? – Wie schaffen wir es, dass unser Gesundheitssystem nicht überlastet wird? – Woher bekommen wir Beatmungsgeräte? – Was machen wir, wenn in einem Flüchtlingslager auf engstem Raum sich dieses Virus ausbreitet?“ – muten die Forderungen, von denen ich eben einige aufgezählt habe, seltsam, sehr seltsam an … Kein Wunder, dass sich P. Karl Wallner OCist, der Nationaldirektor von missio in Österreich, daher in der Messfeier, die am 30. April aus der Missionszentrale in Wien übertragen wurde, in seiner Einleitung und während der Predigt (ca. ab Minute 14.30) genötigt sah, ein klares Wort zu sprechen.

„DANKE FÜR DEN DIENST UNSERER BISCHÖFE!“

Die Corona-Pandemie stellt auch das kirchliche Leben vor große Herausforderungen. Missio-Nationaldirektor findet klare Worte und dankt den Bischöfen für ihre…

Es ist meines Erachtens tatsächlich eine Gefahr, den Glauben egoistisch verengt zu verstehen und dem entsprechend zu leben: „Ich besuche ‚meine‘ Messe …“ Alles in der Kirche, ja die Kirche selbst und auch ihre Sakramente sind eben nichts anderes als Mittel zum Heil und nicht das Heil selbst! Das Heil ist Jesus Christus und das Leben auf ewig bei ihm. Um IHN geht es und eigentlich um nichts anderes – die „Mittel“ auf dem Weg zu ihm sind eben auch unterschiedliche – den diversen Situationen und Stationen des Lebens angepasst. Aber es geht nie um die Sakramente – es geht immer um die lebendige Beziehung zu IHM – und die kann uns durch nichts und niemanden genommen werden. In einer Predigt während der Corona-Zeit habe ich u.a. auf Kardinal van Thuan hingewiesen, der einige Jahre in Einzel- und Dunkelhaft gelebt hat und aus dieser Wirklichkeit leben musste[1]. Der Weg ist eben nicht das Ziel. Auch wenn uns schmerzlich manches an kirchlichem Leben genommen wurde – beinahe alles an Feiern – so war Kirche „nicht geschlossen“, denn viele haben sich engagiert, dass Kranke – so gut es eben ging – besucht wurden, Nachbarschaftshilfen wurden organisiert, die Caritas als organisierter Teil der Kirche in ihrem Selbstvollzug der Nächstenliebe musste in manchen Bereichen „ihren Betrieb trotz des ’shutdowns‘ hochfahren“, die Vinziwerke streckten sich genauso nach der Decke, die kirchlichen Spitäler haben ihre Dienste nicht eingestellt, auch in den pädagogischen Einrichtungen wurde den Verordnungen entsprechend und ob der Kinder willen beaufsichtigt und zumindest „auf Entfernung“ unterrichtet; da wurde Begleitung angeboten – die Telefone der Telefonseelsorge liefen heiß, online wurde die Beratung unseres Instituts für Familientherapie und Psychologie angeboten und und und … Die vielen Dienste unserer Hauptamtlichen in der Seelsorge – ob Laie oder geweiht -, der Diakone waren wie selbstverständlich so gut es halt möglich war, verfügbar; ein Notdienst für die Sterbesakramente auch von COVID-Patienten unter höchsten Sicherheitsauflagen wurde aufgebaut, die Mitarbeitenden der Pflegeheime wurden ein wenig eingeschult in begleitendes seelsorgliches Tun angesichts des strengen Besuchsverbotes etc. Vieles davon fand ganz einfach statt – denn: es gab weit mehr als das, was öffentlich berichtet wurde.

Natürlich: Sakramente sind ein Geschenk für uns. Aber eben ein Geschenk! Auf ein solches habe ich eigentlich kein Anrecht, oder? Ganz abgesehen von der Feststellung, dass mitunter die Nächstenliebe – eben Achtung vor den Nächsten und deren Gesundheit – angesichts Gottes „nichts“ zu zählen scheint, wiewohl sie unser Herr gemeinsam als 1. Gebot benennt, außer Acht gelassen wird, wenn es um „meine partikulären“ Interessen geht, ist mitunter das Bewusstsein, worum es angesichts des nach wie vor weitgehend unbekannten Virus und seiner Auswirkungen, nicht umfassen ausgeprägt.[2] Daneben wäre freilich auch die Frage zu stellen, was mit der Forderung nach „meiner Messe“ wirklich gemeint ist, ob ich diese nämlich auch jenen zubillige, die praktisch nie die Möglichkeit haben, Messe zu feiern, weil sie etwa im Amazonas-Gebiet leben[3] oder ob so manche rasch rechtschaffen einen jahrelangen Ausschluss von den Sakramenten für gewisse fordern und einmahnen, sie selbst aber es nicht schaffen, einige Wochen darauf zu verzichten?!

Ja: so manches an kirchlichen Lebensäußerungen muss kritisch hinterfragt werden, was ihre Formen anlangt, aber auch was Äußerungen aus dem Leben mancher anbelangt.

[1] https://bit.ly/2YKULuc

[2] vgl. etwa hierzu die Predigt am Samstag der 3. Osterwoche: https://bit.ly/2YMr2B8

[3] vgl. hierzu den „offenen Brief“ von P. Erhard Rauch https://bit.ly/2WgpxcC