Schlecht verhandelt?

Hinterher ist man meistens gescheiter. Und erst recht, wenn man aus Distanz beobachtet. Das sind zwei Gedanken, die mich dazu veranlasst haben, so manches zu notieren, das sich in den letzten Wochen ereignet hat. Ich tue dies nicht unbedingt in der Art einer zeitlichen Rückschau, sondern eher „aus dem Bauch heraus“, nach verschiedenen Themen strukturiert – und hier in unregelmäßigen Abständen. Und: ich habe kurz vor Ende der strengen Ausgangsbestimmungen meine Gedanken zu schreiben begonnen …

Vor einigen Tagen kam eine Bitte zu mir, doch noch einiges „nachzuverhandeln“ mit der Regierung: das letzte Wort sei hoffentlich noch nicht gesprochen, was die Feier der Gottesdienste ab 15. Mai anlange … Kann über bzw. mit gesundheitliche/n Fragestellungen „verhandelt“ werden? Bzw.: eignet sich diese Frage überhaupt für „Verhandlungen“, als ob das Virus sich daran halten würde?

Zur Erinnerung: nachgewiesenermaßen verbreitet sich das Virus über Tröpfeninfektion. Das ist unbestritten, soweit ich es sehe, auch wenn gesagt werden muss, dass trotz allem, was derzeit weltweit geforscht wird, wir noch recht wenig wissen – ich auf alle Fälle. Daraus folgt für mich: alles, was mit Atmen etc. zu tun hat, erst recht niesen oder husten – eigentlich ganz normale menschliche Vorgänge, ist – was die eventuelle Verbreitung des Virus anlangt – „gefährlich“, noch dazu wenn es in geschlossenen Räumen passiert, die dann unter Umständen auch noch schwer quer zu durchlüften sind. Die Atemluft mit kleinsten Tröpfchen, in denen sich halt auch Viren befinden können, bleibt eben – wie dieses Forschungsvideo des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus Japan (leider auf Englisch) zeigt bleibt überdies für längere Zeit gleichsam vor der Person „stehen“, die diese ausstößt. Darüber hinaus wurde – mittlerweile wohl auch allgemein anerkannt – besonders eine Personengruppe zur primären Risikogruppe erklärt: Menschen über 65 mit Vorerkrankungen.

Coronavirus: New Facts about Infection Mechanisms – NHK Documentary

Learn more on the full documentary on NHK WORLD-JAPAN. https://www3.nhk.or.jp/nhkworld/en/ondemand/video/5001289/?cid=wohk-yt-2004-corona03-hp Watch more qua…

Daher die beiden Grundprinzipien: wechselnde physische Kontakte – erst recht länger andauernde – sollen weitgehend vermieden  sowie Abstand zu anderen eingehalten werden, ausgenommen freilich zu jenen, mit denen wir im gemeinsamen Haushalt leben. Und das ist doppelt wichtig in geschlossenen Räumen. Darüber hinaus ist Sprechen etc. auf ein Minimum zu reduzieren – und damit auch singen. Nunmehr ist es so, dass gottesdienstliche Feiern in geschlossenen Räumen wie es eben Kirchen sind – oft auch schlecht quer zu durchlüften – leider alle diese „Gefahrenquellen“ mit ihren Feiern bergen. Noch dazu: da atmet man – weil wenig Bewegung und daher zumeist einen längeren Zeitraum hinter bzw. neben den gleichen Personen – aus und singt und spricht … Wenn man zur Minimierung des Risikos eine Maske trägt ist automatisch klar, dass weniger gesungen und gesprochen werden soll, damit sich eben die Maske nicht durchfeuchtet und mit der Zeit dieser Schutz „wegfällt“.

Und selbst im Freien ergeben sich bei gottesdienstlichen Feiern in anderer Ausgestaltung dieselben Risiken – mal abgesehen davon, dass es durch ein „Lüfterl“ des öfteren die Atemluft „vertreibt“.

Wenn wir nun ernst nehmen, dass wir Gott und die Nächsten gleich lieben sollen wie uns selbst – immerhin das erste uns von Jesus nahegelegte Gebot – haben wir für die Feier von Gottesdiensten sehr hohe Maßstäbe anzulegen, weshalb auch die Kirchenmusikkommission in Österreich ein Merkblatt herausgegeben hat, in dem Fragestellungen rund um Musik und Gesang für diese Zeit der Corona-Krise festgehalten werden. Dass Gottesdienste in geschlossenen Räumen mit 15. Mai unter Auflagen – es ist eben ein 1. Schritt und keineswegs noch die Rückkehr zum „alten Normalzustand“ – „freigegeben“ wurden, ist daher nur verständlich, aber eigentlich ein Zugeständnis, da die Grundprinzipien und das allgemein zu Beachtende hier mit Ausnahmen versehen werden, weil „es eben nicht anders geht“. Natürlich kann sofort dagegen eingewendet werden: in Restaurants gibt es andere Abstandsregeln und auch das mit der Maskenpflicht ist anders … Das stimmt, aber auch diese „Freigaben“ sind „Ausnahmen“ und eben diese Ausnahmeregelung ist dem spezifischen Ort angepasst: wenn ich Essen zu mir nehme oder immer wieder was trinke, tue ich mir mit einer Maske eben schwer, ganz abgesehen davon, dass beim dauernden „rauf“ und „runter“ aus virologischer Sicht Fehler gemacht werden könnten. Daher ist eben – auch zum Leidwesen von Gastronomen Schankausgabe nach der für 15.5. zu erwarteten Verordnung verboten. In der Kirche aber ist das mit der Maske anders, da es da einen einmaligen Akt gibt, wo ich sie leicht wegschieben muss: die Kommunion. Da auch dort unter Umständen was „passieren“ kann, soll die Messe nach der Kommunion ohne Dankgesang und Verlautbarungen zu Ende gefeiert werden … Auch das mit den Abstandsregeln im Gasthaus kann als Ausnahme von der Regel „erklärt“ werden: am selben Tisch dürfen max. 4 Personen (+ Kinder, also Menschen aus demselben Haushalt) sitzen – allein zu essen ist dem, wofür Restaurants stehen eben auch nicht entsprechend. Daher wird hier von der Regel eine Ausnahme gemacht, die lebbar ist. Die lebbare Ausnahme von der Regel in den Kirchen als geschlossenen Räumen ist eben für diese Räume angepasst, damit es überhaupt die Möglichkeit gibt, Gottesdienste zu feiern. Trefflich lässt sich dann sofort noch streiten über „1 m“, „1,5 m“ oder „2 m“ … Was dient wirklich? Und da denke ich nicht nur an die physische Gesundheit derer, die mit uns feiern – und das wiederum sind eben oft auch Personen aus der Risikogruppe, wenn ich es recht sehe …

Regeln sollen eigentlich helfen, den zu schützenden Wert in Erinnerung zu rufen: Kasuistische Fragestellungen [wie etwa: „Wenn es eine Taufe bei der Sonntagsmesse gibt, dürfen dann nur 10 Personen feiern?“ Ganz abgesehen von der Fragestellung, wenn ein Gottesdienst im Freien geplant ist, mehr Personen mitfeiern wollen und dann aufgrund der Wetterlage dieser nicht gefeiert werden kann: wen schicke ich weg?] führen zu nichts. Hausverstand und vor allem Verständnis der Prinzipien ist notwendig, dann ist manches an Entscheidungen vielleicht eher nachzuvollziehen, die diese auf konkrete Handlungen „herunterbrechen“. Ach ja: auch an die Eigenveranwortung kann erinnert werden, die den Nächsten und sein Wohlergehen in die Beurteilung mit einbezieht …