„Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“

Katechese auf dem Weltjugendtag in Panama

Im Folgenden „dokumentiere“ ich die Vorbereitung der Katechese auf dem Weltjugendtag in Panama, die ich vor Ort dann frei gehalten habe.

1. Ich habe mich in der Kleinstadt, in der ich groß geworden bin, immer und immer wieder für die und in der Kirche engagiert. Kein Wunder: ich bin ja auch 200 m neben der Stadtpfarrkirche in Gleisdorf groß geworden. – Mich einzubringen mit meinen Fähigkeiten war aber nicht nur in der Kirche gefragt: in der Schule war ich nicht gerade der Schlechteste – außer in Leibesübungen („Bewegung und Sport“) und in Deutsch – für einen Steirer ist das bekanntlich die erste lebende Fremdsprache :-). Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir immer und immer wieder zu Hause bei mir zusammengesessen bin um für irgendeinen Gegenstand gemeinsam lernten, in dem sich einige meiner Mitschüler schwer getan haben. – Mein Vater war neben seinem Dasein als Kleinlandwirt auch Bestatter: kein Wunder, dass ich mich da als Familienmitglied schon von klein auf engagierte und bei vielem, was so in einer Landwirtschaft zu tun ist oder auch bei den Dingen, die mit dem Tod von Menschen zusammenhängen, meine Freude hatte. „Ohne mich“ so dachte ich des öfteren „sind die ja aufgeschmissen ..:“. – Eigentlich, wenn ich mich recht erinnere: es gab da in der Sekundarstufe II (bei uns heißt das Oberstufe) wohl kaum einen Nachmittag, den ich zur Gänze zu Hause verbrachte: mein Engagement im Jungendkirchenchor, bei den Jungschar-Gruppenleitern und für die Ministranten haben mich dann auch noch am Wochenende und am Sonntag in Beschlag genommen … Ich war aktiv, ich wollte was – mit meinen Fähigkeiten – weiterbringen, kein Zweifel. Irgendwie steckt das in meinem Blut und bedeutet darüber hinaus: ich meine, dass es gut ist sich reinzuhauen. Es zeugt auch davon, dass ich Hoffnung habe und damit mir selbst zusage und deutlich mache: Es geht weiter, mit mir und der Welt.

2. Wenn ich da so in die Runde blicke, schaue ich in viele Augen, aus denen ich Ähnliches herausblitzen sehe: „Ich möchte was tun. Ich bin jung – und ich möchte meine Fähigkeiten einbringen können. – Nur: Wo?“
Daher lade ich Euch ein, kurz mit Eurem unmittelbaren Nachbarn Euch mal auszutauschen, was so Eure Fähigkeiten sind und wo Ihr Euch wirklich reinwerft … – (Macht es bitte wirklich nur zu zweit und versucht dabei auch, nicht zu viele andere zu stören …)
Austausch (2 Minuten)

3. Darüber hinaus habe ich die Entdeckung gemacht: ich habe meine Fähigkeiten nicht für mich allein erhalten, sondern dafür, sie einzusetzen für das Gelingen der Gemeinschaft. Mehreres fällt mir dazu ein: meine Fähigkeiten habe ich erhalten. – Weil ich an Gott glaube, sage ich sofort dazu: Weil ich davon überzeugt bin, dass Gott Liebe ist und mich daher unendlich liebt , entdecke ich, dass Gott mir zu Diensten ist, indem er mich mit verschiedenen Begabungen ausstattet. Ja: so ist Gott! Er dient uns. – Im Übrigen ist das ja auch die erste Bedeutung, wenn wir von „Gottesdienst“ sprechen: da haben wir immer wieder im Blick, dass wir Gott dienen, aber eigentlich feiern wir, dass er mir dient – und alles, was ich tue ist nichts anderes als eine Antwort auf Seine Liebe.
Ganz besonders deutlich wird dies im 1. Lied der Christenheit, das uns im Brief an die Gemeinde in Philippi überliefert ist. Dort heißt es (jemand liest es vor):
„Macht meine Freude vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig, einträchtig, dass ihr nichts aus Streitsucht und nichts aus Prahlerei tut. Sondern in Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst. Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen. Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters“ .
Also: Jesus hat uns in Seinem Leben eine neue Art des Daseins gezeigt und selbst vorgelebt. Sein Leben, das des Himmels (!), hat er auf die Erde gebracht – und dieses „gegenseitig Diener sein“, wie es uns geschildert wird, hat tatsächlich die Kraft in sich, die Welt um uns herum zu ändern. Denn: wenn wir einander dienen, wenn einer den anderen jeweils höher einschätzt als sich selbst, machen wir ernst damit, dass der Mensch eine Würde hat, die ihm durch nichts und niemanden genommen werden kann. Und dieses Leben der Welt und den Menschen anzusagen, ist dringend notwendig heute. Ihr (!) habt es in der Hand, Euch dem entsprechend in die Gestaltung der Welt einzubringen.

3. Manche heute verstehen „Dienst“ allerdings etwas demütigendes (auch wenn „Demut“ eigentlich „Mut zum Dienen“ bedeutet): ich muss mich klein machen, bin daher eigentlich nichts wert usw. – Und mitunter wird dann auch noch die Kirche dafür verantwortlich gemacht, dass sie die Menschen unterdrücken und klein machen bzw. klein halten würde. Wenn ich aber das Evangelium ernst nehme – in seiner Gesamtheit, wenn ich das wirklich dann ist eigentlich das gerade Gegenteil der Fall: Denn Gott selbst hat uns ja schon längst „groß“ gemacht – Maria singt ja davon (!), damit wir so leben, wie er gelebt hat. Und „Dienst“ ist ja Ausfluss der bzw. Antwort auf die Liebe, die Gott uns erwiesen hat. Und daher ist Dienen nicht Ausdruck der Demütigung, sondern Ausdruck dafür, dass wir in Freiheit jene Liebe weiterschenken, die wir selbst erfahren haben.
Daher möchte ich Euch einladen, einmal darüber kurz in Stille nachzudenken darüber, wo jede/r von uns Seine Liebe im persönlichen Leben erfahren hat. Denn: nur (!) dann, wenn ich wirklich bis ins Innerste überzeugt bin, dass ich geliebt bin, dass ich unendlich wertvoll bin, weil Gott mit mir ist, werde ich so leben können und Dienst als Befreiung, als Ausdruck von Liebe verstehen.

Stille zum persönlichen Nachdenken

4. Noch einmal: Jesus und damit Gott ist der erste, der mir, der uns zu Diensten ist. Der uns liebt – bis ins Letzte und sich daher auch klein macht: Eine Bibelstelle aus dem Johannes-Evangelium, die uns wohl allen gut bekannt ist, macht dies deutlich:
Jemand anderer aus der Grazer Gruppe liest die Fußwaschung vor:
“ Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung. Es fand ein Mahl statt und der Teufel hatte Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, schon ins Herz gegeben, ihn auszuliefern. Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. Als er zu Simon Petrus kam, sagte dieser zu ihm: Du, Herr, willst mir die Füße waschen? Jesus sagte zu ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen. Petrus entgegnete ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! Jesus erwiderte ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir. Da sagte Simon Petrus zu ihm: Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt. Jesus sagte zu ihm: Wer vom Bad kommt, ist ganz rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen. Auch ihr seid rein, aber nicht alle. Er wusste nämlich, wer ihn ausliefern würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein. Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen.“

Liebe zu erfahren und sie anzunehmen ist anscheinend alles andere als leicht – das sehe ich unter anderem in Petrus, der die Liebe die an ihm erwiesen wird, zunächst mal brüsk ablehnt. Denn: wir wollen ja wer sein und was gelten – und das aus eigener Kraft heraus. Wenn uns jemand dient, wenn uns jemand zu Hilfe kommt, ist dies alles andere als leicht anzunehmen. „Lass dir helfen! Nimm Liebe an!“ versucht Jesus in der Erzählung des Evangeliums Petrus beizubringen, „Denn dann hast du Anteil am Leben!“ So, als würde er sagen: Nicht dann, wenn Du meinst, Du kannst, Du sollst, Du musst, bist du groß, sondern wenn Du in Dein Leben wirklich Gott einlässt. – Im Übrigen: solch einen verstandenen „Dienst“ habe ich vor etwas mehr als 2 Monaten in einem Dorf im Nordosten Indiens erfahren: Als wir Gäste angekommen sind, wurde an uns das bei den Bewohnern übliche Begrüßungsritual vollzogen – unter anderem wurden uns, die wir Projekte kirchlicher Hilfsorganisationen besucht haben, die Füße gewaschen. Dies anzunehmen ist alles andere als leicht. Aber es hat mir deutlich gemacht: nicht ich selbst mache mich groß, sondern es gibt jemand, der mich bis in die tiefsten Fasern meiner Existenz wirklich ernstnimmt. Wir waren denen so wichtig und bedeutsam! Und ich dachte mir dabei auch: wie oft wir uns doch in der Welt als Österreicher, als Europäer anders benehmen und uns verstehen als die, die alles können und daher auch für alle das Beste wissen etc.
Jesus also ist der, der sich zum Diener macht. Aus Liebe. Der sich kleinmacht, damit ich persönlich groß bin. Der mich also auf den Platz stellt, der mir tatsächlich in meinem Menschsein zusteht: ich bin bedeutsam – egal wie ich ausschaue, was ich vermag oder auch was ich nicht kann; und zugleich: ich bin nicht der Nabel der Welt, der meinen müsste, dass letztlich alles von mir und von meinen Aktivitäten das Gelingen der Welt abhängen würde.

6. Das steckt letztlich wohl auch hinter der Erfahrung Mariens: Der Engel hat sich aufgemacht zu ihr und hat ihr die Botschaft gebracht, sie solle Mutter Jesu und damit Mutter Gottes werden. Also: nicht aus mir heraus bin ich groß – das erleben wir ohnedies in der großen Welt andauernd und sehen auch, was dies dann an Schicksalen in der Welt erzeugt, an Krieg, an Ausbeutung, an Ungleichbehandlung, an Fragestellungen rund um alles, was Nachhaltigkeit anlangt usw. usf. Ich bin groß und bedeutsam, weil Gott mich dazu ausersehen und -erwählt hat. Von mir aus kann ich eigentlich „nur“ sagen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe [!], was du gesagt hast. – Siehe, ich bin der Knecht des Herrn. Mir geschehe [!], was du gesagt hast.“
Ich möchte diesen ersten Teil des heutigen Vormittags ganz einfach mit dieser Wahrnehmung Mariens beenden, die ja auch unseren Tagen hier in Panama den Namen gegeben hat: Maria hat das zuinnerst gelebt, was eigentlich für jeden Menschen gilt: indem sie sich IHM gegenüber verstanden hat als jemand, an dem Gott seinen Dienst erweist, ist sie groß geworden: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen. Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.“
Ich kann dann – recht – dienen, wenn ich erkenne: Gott ist mir längst schon zu Diensten. Und das hat Maria Zeit ihres Lebens, so sie uns in der Bibel begegnet, getan – sie hat immer und überall eigentlich IHN im Vordergrund gehabt:
* „Siehe ich bin die Magd des Herrn ..:“
* Sie machte Gott groß auf ihrem Besuch bei Elisabeth
* Sie bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen
* „Was er euch sagt, das tut …“ auf der Hochzeit zu Kana
* „Kind, wieso konntest du uns das antun“ als sie ihn wiedergefunden hat nach 3 Tagen im Tempel
* Und schließlich stand sie unter dem Kreuz Jesu und hat es einfach an sich geschehen lassen

Indem Maria so war wie sie uns geschildert ist, wird sie uns zum eigentlichen und entscheidenden Vor-Bild unseres eigenen christlichen Lebens: So wie sie Jesus durch dieses, ihr Dasein der Welt geschenkt hat und damit Gott in ihr angekommen ist – nebenbei: dadurch drückt Gott erst Recht aus, wie sehr er den Menschen liebt (!) – so sind auch wir berufen, indem wir Gott ganz (!) einlassen in unser Leben ihn gleichsam „zur Welt zu bringen“. Diesen Dienst, diesen Mut zum Dienen inmitten unserer Gesellschaft wünsche ich uns allen, denn dieser ist einer, der alles andere als üblich ist. Aber wir sind ja auch als Christen alternativ!