Von Jesus gepackt sein

Am heutigen Sonntag hatte ich Gelegenheit mit Firmlingen der Pfarren Graz – St. Leonhard und Ragnitz den Sonntag in der Messe zu feiern. Eine der vorgesehenen Lesungen aus der Heiligen Schrift haben mich zu den Gedanken während der Predigt animiert.

Hier die Worte der Lesung aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Korinther (Kap. 9, Verse 16-19 und 22-23:
„Wenn ich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde! Wäre es mein freier Entschluss, so erhielte ich Lohn. Wenn es mir aber nicht freisteht, so ist es ein Auftrag, der mir anvertraut wurde. Was ist nun mein Lohn? Dass ich das Evangelium unentgeltlich verkünde und so auf mein Recht verzichte. Da ich also von niemand abhängig war, habe ich mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen. Den Schwachen wurde ich ein Schwacher, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben.“

Und hier das, was ich mir für die Homilie vorbereitet hatte – in der Situation vor Ort waren die Formulierungen freilich andere, der Inhalt aber ähnlich:
„Paulus muss eine imponierende Gestalt gewesen sein. Er kann nicht anders als das Evangelium verkünden. Und was der nicht alles auf sich genommen hat. In der damaligen Zeit! Unvorstellbar – mit den damals möglichen Hilfsmitteln etc. etc. – Ich kann nicht anders als sagen: der muss wirklich total von dieser Botschaft Jesu getroffen worden sein, dass er sich das (!) alles angetan hat. –    
Auch in unserem Leben: wenn uns etwas bis ins Innerste trifft, dann lassen wir alles liegen und stehen und widmen uns ganz und gar dem. Stimmt?! Egal, ob diese Sache für den/die Andere/n ähnlich bedeutsam ist. Ausgehen, facebooken, Schule, chillen, … – was auch immer es sein mag. Stimmt’s? Da werden Entbehrungen auf sich genommen, nur um genau das eine, was einem/einer wichtig ist, machen zu können. Da wird dann auch nicht so genau auf das Geld geschaut – bei mir ist das leider immer wieder bei technischen Geräten so.
Selten bis gar nicht ist unter uns die Erfahrung anzutreffen: so gepackt wie Paulus zu sein, dass ich alles liegen und stehen lasse und die Verkündigung des Evangeliums von Jesus gleichsam als „Zwang“, als „innere Notwendigkeit“ empfinde. – Doch Halt! Bei mir zumindest sollte es so sein, zumindest so ähnlich. Ich bin ja Priester. Und das stimmt. Mein „Job“ ist es, das Evangelium zu verkünden – das war zumindest die erste Frage, die mir der damalige Diözesanbischof Johann Weber vor der Weihe gestellt hat. Daher: Ich muss mir immer wieder die Frage stellen, ob mich das Evangelium von Jesus so in den Bann zieht, dass ich alles liegen und stehen lasse … – 1 Moment ist dabei: ich versuche, Monat für Monat 1 Satz aus der Bibel mit anderen rund um die Welt zu leben. Das ist spannend. Und ich entdecke: mein Leben bekommt damit Tiefgang.
So sehr es also stimmt, dass Priester davon betroffen sein „müssen“, so sehr ist es auch wahr, dass dieser „Zwang“ eigentlich jeden betreffen sollte, der getauft ist. Denn: Jesus will uns ja ein tolles, ein erfülltes Leben schenken. Jedenfalls hat er das seinen Jüngern versprochen (vgl. Joh 10). Also auch uns, die wir jünger oder älter sind, aber eines zumindest gemeinsam haben, nämlich die Taufe. Also das Hineingenommen werden in die Gemeinschaft der Kirche, derer also, die heute, 2015, Jesus nachfolgen. Und dieser Begriff „Nachfolge“ heißt ja: ich versuche mit allem was mir möglich ist, in den Fußspuren Jesu zu gehen, also eigentlich: ich versuche heute und hier so zu leben wie Jesus gelebt hat. Bumm.
Und genau das gilt es umzusetzen – wo du, du, du, wo ich, wo Sie, Sie, … leben. Zu Hause: Was heißt es da, dort wie Jesus zu leben? – In der Schule: Was heißt es da, … – Unter Freunden: Was heißt es da, … – Ich kann mir vorstellen, dass einige (mehrere?) da sagen müssen, wenn sie ehrlich sind: Eigentlich mach ich mir da nichts draus. Ich leb halt vor mich hin, und der Tag vergeht ohnedies irgendwie. Außerdem: ist das nicht fad, wie Jesus zu leben? Da muss man dann ja dauernd fromm sein … – Ich kann dem nur entgegenhalten, dass ich um einige Menschen weiß, an die noch Jahrhunderte später ganz intensiv gedacht wird, weil sie Jesus ernst genommen haben, die Heiligen. Ich kenne aber auch Menschen, die heute deutlich machen, dass es alles andere als fad ist zu glauben. Denn: ihr könnt Euch vorstellen, dass es aufregend sein muss, „immer auf dem Sprung“ zu leben, also immer, eigentlich jeden Augenblick sich die eine Frage zu stellen: „Was würdest du, Jesus, jetzt tun?“ …“