Wo ist Gott?
In verschiedenen Variationen ist mir diese Frage in den vergangenen Wochen und Monaten begegnet. Es gab da und dort auch ganz einfach klingende, gerade deswegen aber grundfalsche Antworten, etwa die, dass das mit dem Virus eine „Strafe Gottes“ sei – und man berief sich dabei wohl auch auf so manche Bibelstelle. Andere wiederum meinten im Horizont des Glaubens – ähnlich vereinfachend und damit unhaltbar – in der Pandemie, so es überhaupt eine sei, keinerlei Herausforderung sehen zu können, da dort wo Jesus sei niemand krank werden könne[1].
Ganz abgesehen davon, dass die Bibel in einer Welt-Sicht von vor 2.000 Jahren und mehr im Nahen Osten und damit der Mentalität dort geschrieben wurde und daher „ins Heute“ und damit auch ins sich als aufgeklärt gebende 21. Jahrhundert zu „übersetzen“ ist[2], gilt auch, dass neben anderen auch dieser ein herausragender Zug durch alle Schriften der Bibel ist: Gott ist einer, der da ist – von der Schöpfung bis zur Vollendung. Immer wieder ist er „aktiv“ bei seinem auserwählten Volk; in Jesus Christus, so glauben wir, ist er sogar einer von uns geworden, mit Haut und Haaren. Näher geht’s nicht. Er ist „mitten drin“ – bis ans Ende der Welt[3]. Und auch in der Nacht, in der Finsternis unseres Daseins und der Geschicke der Welt lässt er uns nicht allein: nicht beim Auszug aus Ägypten[4] und auch nicht im Elend und im persönlichen Leid, hat er doch auch dieses Schicksal auf sich genommen, als er den Tod am Kreuz auf sich nahm[5].
Ein solcher Gott ist unser Gott, von dem in der Bibel in aller Kürze sein Wesen als „Liebe“ umschrieben wird[6]. Mit anderen Worten: wir wissen uns als Jüngerinnen und Jünger Christi aufgefordert, IHN in genau diesen uns begegnenden Umständen zu suchen – und wir werden ihn entdecken in und bei den Leidenden, in und bei denen die überarbeitet sind in den Intensiv- und anderen Pflegestationen und -heimen, wir entdecken IHN in und bei den Fragen und Sorgen der Arbeitslosen, genauso wie in und bei denen, die nicht aus und ein wissen weil ihnen Zukunft und damit Hoffnung unter den Fingern zerrinnt. Wir können IHN dort suchen (und finden), weil ER eben als Mensch auch das Los der Dunkelheit geteilt hat, weil ER gearbeitet hat und andere geheilt hat etc. ER ist eben nicht fern, sondern nah – und dadurch wird es mir und uns ermöglicht, auch schwere Situationen und Herausforderungen, die sich mir in den Weg legen, meine Pläne durchkreuzen anzunehmen. Wir müssen alledem nicht aus dem Weg, sondern können uns als Glaubende dem allem stellen, den Tod nicht ausgenommen – im Wissen und Vertrauen, dass ER sogar „hinabgestiegen in das Reich des Todes“[7]. So wird die Pandemie auch eine Glaubens-Frage.
[1] In so manchen Zeilen und Briefen, mitunter auch belegt mit so manchen Untersuchungen, rund um die Frage der Austeilung der Eucharistie begegnete dieses Phänomen besonders.
[2] Aber auch heute wird nach wie vor um die eine Seite eines Geschehens besonders hervorzuheben die andere als „vernichtet“, als „falsch“ in allen möglichen und wohl auch unmöglichen Bildern geschildert.
[3] vgl. Mt 28,20.
[4] Ex 13,21: „Der HERR zog vor ihnen her, bei Tag in einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen, bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten. So konnten sie Tag und Nacht unterwegs sein.“
[5] Dieser Tod ist alles andere als vergleichbar mit dem „freiwilligen Tod“, der im Zuge des durch das Urteil des Verfassungsgerichtshofs am 11. Dezember 2020 in Österreich aufehobenen Straftatbestands der „Beihilfe zum Suizid“ als Argument da und dort vorgebracht wird. Jene, die das gegen die Meinung der Kirche und der Bischöfe gepostet haben, seien daran erinnert, dass Jesu aufgrund eines Todesurteils hingerichtet wurde.
[6] vgl. 1Joh 4,16b.
[7] Glaubensbekenntnis.