Wage zu träumen VIII

Einsatz für das Leben

Mit welcher Intensität doch viele Wissenschaftler rund um den Erdball in den letzten Monaten daran gearbeitet haben, dass es möglichst rasch wirksame Medikamente und Impfungen gegen das Sars-CoV2 – Virus gibt. Deutlich ist sichtbar geworden, was eine „geeinte Menschheit“ zusammenbringt. Freilich bleiben viele Fragen offen, wie denn und ob denn nun die Impfstoffe weltweit gerecht verteilt werden[1], was deren Risken sind, wie die Impfbereitschaft der Bevölkerung ist etc. Einsatz für das Leben, das bedroht ist, wird deutlich.

Dieser Einsatz lohnt sich – und wäre wohl auch auf andere Aspekte des „Lebensschutzes“ auszuweiten, denn: keineswegs immer steht die Menschheit so vereint hinter dem menschlichen Leben. Es gibt – ich blicke hier nur auf Österreich – die nach wie vor klaffende Wunde der Abtreibung. Es gibt seit 11.12. aber auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, die Strafe für Beihilfe zum Suizid aus dem Strafgesetzbuch der „Selbstbestimmung“ des Menschen entsprechend frei zu stellen. „Hüben“ wie „drüben“ wurde kommentiert, differenzierte und auch sachliche Zugehensweisen sind nicht immer deutlich[2]. In meiner ersten öffentlichen Stellungnahme meinte ich: „Das menschliche Leben ist schützenswert – von Anfang bis zum Ende. Diese grundlegende Botschaft unseres Glaubens und damit auch des Verständnisses vom Menschen und dem Miteinander in der Gesellschaft wird durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ausgehebelt. Der Dammbruch ist eingeleitet: menschliches Leben und damit auch Leiden, Behinderung und Sterben werden verhandelbar. Das schmerzt mich und wohl viele, die das Leben als Geschenk aus Gottes Hand betrachten, zutiefst.“[3]

Der Einsatz für das Leben lohnt sich – und das wäre wohl auch – wo wenn nicht bei uns (?) – auf die vielen Notsituationen auszuweiten, unter denen Menschen heute leiden. Die Liste ist lang, auch heute, wo nach wie vor COVID und die weltweite Pandemie beinahe unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Erst jüngst begab sich mein bischöflicher Bruder Hermann Glettler auf „Faktencheck“ auf die Insel Lesbos und meint danach: „Nicht mehr wegschauen!“[4] Afrika, Naher Osten, Arabische Halbinsel, Verfolgung und Not vieler Gläubiger aus allen möglichen Religionen[5] und der damit verbunden Schrecken aufgrund von Krieg und bewaffneten Auseinandersetzungen genauso wie Fragestellungen rund um Hunger sind nach wie vor auf der Tagesordnung der Welt von heute.

Ja: die Pandemie kann – wenn wir nur wollen – das Miteinander in der Gesellschaft vorantreiben, hier bei uns und weltweit. Papst Franziskus teilt schon lange diese großartige Vision einer weltweiten Geschwisterlichkeit, die es umzusetzen gilt.


[1] Vgl. hierzu etwa die Wortmeldung des päpstlichen Botschafters bei den Vereinten Nationen in Genf: Vatikan: Corona-Impfstoffe nicht „horten“ – Vatican News (https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2020-12/vatikan-erzbischof-jurkovic-corona-impfstoff-gemeinwohl-geht-vor.html)

[2] Vgl. etwa die Stellungnahme des Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz Erzbischof Franz Lackner: https://www.katholische-kirche-steiermark.at/portal/home/aktuellesneu/article/23265.html.
Vgl. die differenzierten Fragestellungen, die der evangelische Theologie und Medizin-Ethiker Ulrich Körtner zu bedenken gibt, in: „Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen“, Kleine Zeitung 13.12.2020, 10-11.
Vgl. auch die Stellungnahmen in den Leitartikeln in der Kleinen Zeitung: Hubert Patterer: Der offene Spalt, Kleine Zeitung 13.12.2020, 17; Carina Kerschbaumer: Die neue, letzte (Un)Freiheit, Kleine Zeitung 12.12.2020, 13.

[3] https://www.kathpress.at/goto/meldung/1966583/suizid-bischoefe-marketz-und-krautwaschl-kritisieren-vfgh-urteil

[4] https://www.dibk.at/Meldungen/Glettler-bei-Fluechtlingen-auf-Lesbos-Nicht-mehr-wegschauen!

[5] Vgl. hierzu die kurze Zusammenfassung in der Sonntagsbeilage der Kleinen Zeitung vom 13.12.2020, 22f.