Wage zu träumen XXXI

Eine neue Sensibilität

Irgendwann ist es mir während der vergangenen Wochen der Beschränkungen gekommen: wäre es nicht ein Segen, wenn wir aus alledem, was uns da nun aufgegeben ist, anders hervorgehen und manches bewusster machen? Freilich: das Gegeneinander, das da und dort sich in Demonstrationen und Gegendemonstrationen auch lautstark bemerkbar macht, weist eher in eine andere Richtung.

Was wäre aber wirklich dagegen einzuwenden, etwa sensibler zu werden für so manche und manches? Ehrlich: ich freue mich schon auf den ersten intensiven Händedruck nach Monaten der Abstinenz – Sie nicht? Ja, ich freue mich in hoffentlich nicht so ferner Zukunft wieder jene wirklich „zu drücken“ die mir lieb sind. Ja: ich freue mich heute schon sehr darauf, gemeinsam mit so manchen wieder ein Lied zu singen – gerade im Advent und in der Zeit um Weihnachten ist mir das abgegangen, Ihnen nicht? – So manches könnte ich hier noch benennen.

Vielleicht hilft uns gerade die Zeit der Einschränkungen ein wenig dazu, das uns Gewöhnliche neu schätzen zu lernen. Und damit wäre es dann auch eine Hilfe, den Menschen mit neuer Achtsamkeit entgegen zu treten, die meinen Weg kreuzen. Es muss nicht immer das „Seid umschlungen, Millionen“ sein, das mich grüßen lässt: wie sehr doch in den letzten Wochen, so jedenfalls meine ich es wahrgenommen zu haben, auch ein Augenzwinkern bewusst die Nähe zum Ausdruck gebracht hat, die uns verbindet trotz des physischen Abstands, der einzuhalten geboten war und ist.

Ja: es muss nicht geschrien werden, es muss nicht krakeelt werden. Wir können aufeinander hören und nicht nur darauf warten, dass der andere endlich seinen Sermon beendet, damit wir all das ihm bzw. ihr (rein)sagen können, was wir ohnedies schon vor Beginn des Diskussionsbeitrages meinten unbedingt anbringen zu sollen.

Freilich: das braucht Zeit, das braucht Einfühlungsvermögen, das braucht Liebe. – Vielleicht haben uns die letzten Wochen und Monate hierfür und hierbei geholfen?