Weisheit

Notwendigkeit von Weisheit in der Krise

Vor einigen Tagen haben wir in unserer Kirche den Gedenktag des hl. Thomas von Aquin begangen. Im Stundengebet der Kirche gibt es u.a. eine sogenannte „Lesehore“, in der neben den Psalmen auch aus der Bibel gelesen wird; zugleich werden dort auch Schriften von Kirchenvätern und anderen bedeuteten Theologen zur Betrachtung angeboten. Bei der Lektüre dieses Teiles des Stundenbuches am 28.1. sind mir manche Notwendigkeiten in den Sinn gekommen, die im Heute unserer Tage wichtig wären für das, was „Weisheit“ genannt wird. Thomas von Aquin, der 1274 gestorben ist, ist demnach aktuell wie damals, als er einen Mahnbrief an Frater Johannes über die Weise zu studieren geschrieben hat.

  • „Was du liest oder hörst, bemühe dich zu verstehen.“
    Es ist wirklich eine Mühe, andere zu verstehen. Bei Debatten, die ich mitunter erlebt, geht es ja eigentlich nur darum, seine persönliche Meinung möglichst gut, mitunter auch lautstark zu positionieren. Den anderen zu verstehen suchen: wie nötig wäre das doch in so manchen aktuellen Debatten! [Nebenbemerkung: jemanden zu verstehen versuchen bedeutet ja nicht, seine Meinung akzeptieren zu müssen.]
  • „Wähle den Weg über die Bäche und stürze dich nicht gleich in das Meer! Man muss durch das Leichtere zum Schwierigen gelangen.“
    Alles – und das möglichst jetzt. So wird mitunter gelebt. – Zack. Zack. Wirklich weise zu werden braucht Zeit und Vertiefung – für jene die glauben auch im Gebet.
  • „Sei bedachtsam im Reden und gehe bedachtsam in ein Gespräch.“
    Wenn ich mir so manche Foren anschauen, wenn ich mir so manche Demonstrationen in Erinnerung rufe, wenn ich an Gespräche und Meinungsäußerungen zur jetzigen Situation denke: wo bleibt da mitunter die Achtung vor meinem Gegenüber? Wird „bedacht“ gesprochen oder einfach drauf los emotionalisiert? Bedacht zu reden bedeutet ja nicht, die eigene Meinung nicht klar zu sagen, sondern ruft Bedenken und entsprechende Art zu reden in Erinnerung.
  • Versäume nicht, den Spuren der Heiligen und der Guten zu folgen.“
    Mitunter habe ich so das Gefühl, dass Menschen von heute meinen, sie seien die ersten, die dieses oder jenes bedenken. Wie wohl es doch tut, sich in einer Linie mit vielen in der Geschichte zu wissen, die aus der ernstgenommenen Nachfolge Jesu Christi heraus Entscheidungen abgewogen und getroffen haben.
  • „In Zweifeln verschaffe dir Gewissheit.“
    Das Wort des hl. Thomas gegen die Rede über „alternative Fakten“ und gegen „fake news“. Das zu tun braucht Zeit: in einer, in der jede und jeder sich selbst der/die Nächste zu sein scheint, geht Zeit aber vielen ab. In Ruhe abzuwiegen, in Ruhe auch anderes zu hören, in Ruhe seine Meinung einzubringen – wie wohltuend das doch wäre!