Weltjugendtag

Es war auf dem Nachhauseweg von der Begrüßungszeremonie des Papstes am 37. Weltjugendtag in Lissabon, am Abend des 3.8.2023. Ich war zu Fuß „nach Hause“ unterwegs. Da kommen drei Jugendliche mit einem Geschenk auf mich zu: die chinesische Flagge und etwas, das eingepackt ist. Sie bitten mich – ich war im Talar – für sie und China zu beten …

Und plötzlich ist mir eine Tiefendimension dieser Weltjugendtage aufs neue aufgegangen, die in unseren, sich oft „akademisch“ gebärdenden Debatten meist nicht bedacht wird: da sind Völker vor Gott vereint. Schon zwei Tage vorher hätte es mir klar sein sollen: beim Österreich-Treffen war auch eine kleine Gruppe aus dem Nord-Irak dabei … Wiewohl da und dort Nationen miteinander im Krieg stehen – ich konnte hier mit einem russischen Bischof sprechen, auch einer aus Weißrussland, mit einem Bischof aus Moldawien usw.: hier ist Völkerverständigung, hier ist Miteinander von Menschen, nach dem sie sich, berechtigt, sehnen. ER, Christus macht es möglich, weil er am Kreuz die ganze Welt „umfasst“ – und es ist eben das Kreuz, das dies ermöglicht!

Junge Menschen aus der ganzen Welt wissen sich verbunden – ja: beten wir füreinander! Weil wir uns in IHM verbunden wissen … Junge Menschen sehnen sich nach einer Welt, in der das „eine Haus“, das wir bewohnen, ernst genommen wird: wieso leben wir da und dort, vor allem auf der Nordhalbkugel dieser Welt, wie Nomaden, die alles brach zurücklassen?

Gerade jetzt (!) mitten in den vielen Krisen, die schon uns als Erwachsene heftig durcheinander beuteln – erst recht dann jene, die als Jugendliche heute leben: ein neues aufeinander zu ist notwendig – schön, dass uns dies in Christus ermöglicht ist, jenseits von Ethnien, jenseits von sozialen Schichtungen, jenseits von Partei(ung)en und damit Einzelinteressen. Wenn dann oft beklagt wird, dass die Pandemie so manches an Nebeneinander und Gegeneinander gefördert hat: toll, dass dies durch Veranstaltungen wie diese – noch dazu wo nicht jemand „gegen“ andere auftreten muss – ermöglicht wird. Gerade für junge Menschen, die bekanntlich sehr unter alledem gelitten haben, was sich in den vergangenen Jahren weltweit abgespielt hat. Da und dort bei uns dann aber gleich die Frage, ob es sich „lohnt“, Kosten dafür aufzuwenden?

Gerade jetzt, wo Menschen hungern und dürsten nach Angenommensein, nach Zukunft: schön, dass diese uns in Christus ermöglicht wird – denn hier wird eine Hoffnung deutlich, die nicht trügt, seit Jahrtausenden. Der Papst hat es in seinen ersten Ansprachen hier mehr als deutlich gesagt. Hier werden wir angenommen. Bei all den – berechtigten – Vor- und Anwürfen an die Kirche, dass sie eben Wasser predige und Wein trinke, hinter all den Ansprüchen des Herrn zurückbleibt: hier wird das „De⁸nnoch“ einfach gelebt und einfach gelebt. Dies auch mal zu sehen würde unserer Gesellschaft meine ich nicht schlecht anstehen: nur „mit dem Finger“ zu zeigen ist nämlich keine Zukunftsperspektive … Übrigens: wie den Medien hier zu entnehmen ist, die auch breit davon berichteten, dass aufgrund des Missbrauchsberichts, der veröffentlich wurde, manches zu hinterfragen ist: die Botschaft des Lebens, das ER uns gibt, ist dennoch stärker, wie Live-Kommentare der portugiesischen Fernsehanstalt von den Großereignissen meines Erachtens deutlich machten.

Gerade jetzt, wo Perspektiven nötig sind angesichts so vieler Herausforderungen und Krisen, wird deutlich: Christus kann jeder und jedem eine eröffnen. Wenn wir alle uns an IHM orientieren, von welchem Standpunkt aus wir auch losgehen, welche Situation uns auch gerade plagt: wir alle nähern uns an. Und gerade das hat der Papst in einfachen Worten den jungen Leuten mitgegeben – schon bei der ersten Begegnung. Freilich: dies in den Alltag zu übertragen ist Aufgabe für eine jede und einen jeden von uns – die Themen werden da und dort ohnedies benannt und heftig debattiert. Leider auch kirchenintern mitunter mit ausgrenzenden Vokabeln, wiewohl es der Papst – Träger des ordentlichen Lehramts – hier deutlich gemacht hat: keiner darf sich von uns ausgeschlossen fühlen – die Liebe, die ER ist, überwindet eben alles. Was das für gegenseitige Ausgrenzungen in der Kirche bedeutet kann sich wohl jede und jeder selbst überlegen – denn: es gibt nicht nur (m)einen Weg zu Gott, sondern so viele wie es Menschen gibt (Joseph Ratzinger) und: nicht nur „meine Art“ katholisch zu sein ist die richtige. Hier ähneln wir – leider – sehr gesellschaftlichen Realitäten mit Vereinfachungen (Popularismen) und damit auch Abgrenzungen. Er aber breitet die Arme am Kreuz aus, um alle zu umfangen … Leben wir diese Wirklichkeit – und machen wir uns selbst nicht das Leben aus dem Glauben madig!

Gerade jetzt, wo da und dort das Nicht-Verstehen anderer, die virtuelle „Blasen-Bildung“ und ähnliches mehr oft und oft deklamiert wird, Algorithmen vieles bestimmen und die bloße Selbstdarstellung en vogue ist, braucht es Katholizität und damit Weite. Auch wenn viele hier am Weltjugendtag aus verschiedenen – neueren – Bewegungen in der katholischen Kirche kommen: allein die Tatsache der unterschiedlichen Mentalitäten und Nationen macht den „Charme“ dieses Großereignisses aus. Und natürlich: gerade in einem solchen Klima sind junge Leute – und wohl auch deren Begleiterinnen und Begleiter – herausgefordert, nicht sich selbst und die eigene Sichtweise als das Nonplusultra zu betrachten, sondern ernst zu machen damit, dass es unterschiedlichste Wege zu Gott gibt. Wir stehen ja in der Nachfolge Christi und nicht eines anderen Menschen oder auch eines bestimmten Charismas. Lassen wir uns die Weite und Tiefe nicht vermiesen, die uns die Katholizität schenkt, der wir uns im Glaubensbekenntnis vergewissern. Pluralitätsfitness ist angesagt und nicht Engführung auf eine bestimmte Form seinen Glauben zu leben.

Natürlich: vieles an Erfahrung, die hier gemacht wird, gilt es in das Leben vor Ort mitzunehmen – dieses aber ist längst nicht mehr das, was mitunter jene sich vorstellen, die altem nachhängen und den Jüngern gleichen, die die Netze des erfolglosen Fischfangs fein säuberlich am Strand trocknen lassen wollen (vgl. die Worte des Papstes bei der Eröffnungszeremonie). Gerade das aber gibt auch Möglichkeit, Jugendlichen Raum zu geben mit ihren Fragen … Beantworten wir sie nicht zu schnell mit unseren (angeblichen) Sicherheiten, die eigentlich keine sind, weil ER die Wahrheit ist, nicht irgendwelche Sätze. Diese Erfahrung nehmen, glaube ich, viele mit aus den Tagen hier in Lissabon. Und damit eine Tiefendimension des eigenen Daseins, die wichtig ist in den Stürmen des Alltags, denn Gott kommt uns im Heute entgegen!