Der Himmel steht offen

Am 26. Dezember habe ich auf dem Karmel in Bärnbach folgende Predigt gehalten:

1. Oft wird das Fest des hl. Erzmärtyrers, auch von mir, am 2. Tag der Weihnachtsoktav dazu genutzt, um die Ernsthaftigkeit des Bekenntnisses zum „heruntergekommenen Gott“ in Menschengestalt zu unterstreichen, also um deutlich zu machen, dass die Idylle einer Krippe – sofern man dies überhaupt sagen kann – und eines Neugeborenen nicht alles ist, wenn wir Christus folgen. Es stimmt ja auch: Christsein ist kein Allerweltsdasein, keine Anleitung zum flauschigweichen Umgang mit allem und jedem. Doch möchte ich heute mit meinen Gedanken kurz bei der eben gehörten Bibelstelle der Schilde-rung des Martyriums des Diakons Stephanus verweilen. Er ruft bekanntlich unter den bösen Blicken der Umstehenden kurz vor seiner Steinigung: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“
2. Im Kind der Krippe ist der Himmel für uns alle offen, Schwestern und Brüder! Ich glaube, dass dieser Gedanke wohl auch heute noch so manchen, die herumstehen, zum „Zähneknirschen“ bringt. Denn: üblicher Weise wird Gott in die Ferne des Himmels verbannt – bei jenen, die nicht glauben ist er sogar unendlich fern. Zu behaupten, dass der Schöpfer der Welt ei-ner von uns ist, ist dem gegenüber einem Skandal ähnlich, weil daraus folgt, dass Glaube an Gott Auswirkungen hat auf das tägliche Leben mitten in dieser Welt, die uns birgt. Und wenn es aufgrund der Offenheit des Himmels seit der Men-schwerdung nur darum geht, in jedes Menschen Antlitz Gottes Ebenbild zu sehen, bedeutet dies unendlich viel. Denn wir können dann nicht mehr bloß nebeneinander leben. Der offene Himmel durch Gottes Leben auf dieser Erde hat zur Folge, dass wir nicht aneinander vorbeigehen dürfen, weil wir sonst IHN im Nächsten übergehen. Der von uns durch Jesu Leben geglaubte offene Himmel ist für unser Menschsein alles andere als ein Ruhekissen für ein bequemes Leben. Es bedeutet nämlich, immer auf dem Sprung zu sein, um IHN zu entdecken in der Schwester, im Bruder neben mir.
3. Kein Wunder also, dass damals schon die Menschen daran Anstoß genommen haben. Kein Wunder also auch, dass Men-schen heute nach wie vor Anstoß nehmen an Christen, die nicht anders können, als die Würde des Menschen, jedes Men-schen, von Anfang an bis zum natürlichen Ende zu verteidigen. Mehr noch: wenn dem nicht so ist, würden wir wohl un-seren Auftrag in dieser Welt nicht ganz ernst nehmen oder durch die von Stephanus und vielen seit Christus offen gese-hene Pforte der Liebe und Barmherzigkeit Gottes ins ewige Leben beim Vater eingetreten sein. Da wir uns aber noch un-terwegs wissen, gilt: Leben wir die Konsequenz des „offenen Himmels“, der seit der Geburt Gottes bei uns Menschen deutlich wurde.

Die Bibelstellen:
Lesung:  Apg 6,8-10; 7,54-60
Evangelium: Mt 10,17-22