Kraft in trockenen Zeiten II

Nach dem gestrigen Eintrag zu einer „Kraftquelle“ für trockene Zeiten kirchlich-sakramentalen Lebens erinnere ich heute an den früheren Bischof von Aachen, Klaus Hemmerle, der im Vorwort zu  geisltichen Betrachtungen Chiara Lubichs „Mitten unter ihnen“ Stellung bezieht zu Reformen in der Kirche.
Er meint dort unter anderem:

„In unserer Welt der Theorien und Funktionen erwacht ein neuer Hunger nach Ursprünglichkeit, Echtheit, Erfahrung. In vielfältigen, oft ungeklärten Formen bricht gerade in der jungen Generation eine religiöse Sehnsucht auf. Nicht selten gerät solche Sehnsucht aber in Engführungen. Entweder man konzentriert sich nur auf die Tiefe der eigenen Existenz, sucht gegen alle Entfremdung das bessere, tiefere Selbst, oder aber man schließt sich begeistert Jesus an, einem Jesus freilich, der nur Vorbild, nur Ideal ist und so letztlich bloß zu einer ethischen Anstrengung, zu einem neuen Humanismus herausfordert.
Jesus in der Mitte, das ist die Alternative. Hier stößt der Mensch durch zur Freiheit von sich, hier durchbricht er die Konzentration auf sich selbst. Es geht um ein lebendiges Du, und es geht um dieses Du in menschlicher Gemeinschaft. Dieses Du aber ist nicht ein Jesus, der gewesen ist, sondern der Gekreuzigte und Auferstandene, der hier und jetzt in seiner Kirche lebt.
So oft führen religiöse Impulse und Aufbrüche weg von der Institution Kirche. Hier aber gewinnt eine Erfahrung Gestalt, die schon ungezählte Menschen wieder in die Kirche hineinführte und die ein neues Verhältnis auch zum Amt, zum Dogma, zu den Sakramenten eröffnet. Allerdings ist Jesus in der Mitte derer, die in seinem Namen versammelt sind, nicht nur eine Vorform von Kirche, sondern das Bleibende von Kirche. Wir können und dürfen, solange diese Geschichte währt, nicht auf Amt und Dogma und Sakrament verzichten. In der Vollendung aber werden diese Formen zurücktreten hinter dem, was sie vermitteln. Und dies wird bleiben: der Herr selbst, unmittelbar angeschaut, unmittelbar lebendig inmitten der Gemeinschaft der Heiligen.
Das Endgültige, die absolute Zukunft bricht dort schon jetzt in die Schatten, ins Vergehen, in die Zeit hinein, wo Glaubende so miteinander eins sind, daß der Herr in ihrer Mitte ist. Und nur wo das Ziel anschaubar ist, wird auch plausibel warum es der Wege und Mittel zu diesem Ziel bedarf. Und umgekehrt: Umbrüche der Gesellschaft können die Wirkmöglichkeit der Kirche aufs äußerste gefährden und verkürzen; Gemeinschaft aber der zwei oder drei mit dem Herrn in ihrer Mitte bleibt die unzerstörbare, lebendige Zelle von Kirche.“

Hemmerle, Klaus: Vorwort, in: Lubich, Chiara: Mitten unter ihnen. Der auferstandene Christus in der Gemeinschaft, München-Zürich-Wien: Neue Stadt 4. Aufl. 1989, 6f.

Wenn nicht genau das gerade jetzt gelebt werden soll/muss – und daraus auch eine vertiefte Gestalt von Kirche hervorgeht? Lasst uns mit IHM unter uns leben!