Kirche im Lockdown (?) – IV

Der neue Generalsekretär der Bischofssynode Mario Grech hat Anfang Oktober der italienischen Zeitschrift „La civiltà cattolica“ ein Interview gegeben – Interviewpartner waren Antonio Spadaro und Simone Sereni (https://www.laciviltacattolica.it/articolo/la-chiesa-sulla-frontiera/). Ende Oktober erschien es auf Englisch (https://www.laciviltacattolica.com/bishop-mario-grech-an-interview-with-the-new-secretary-of-the-synod-of-bishops/). Im Interview nimmt der von Papst Franziskus zum Kardinal erhobene frühere Vorsitzende der Bischofskonferenz von Malta und Bischof der dortigen Diözese Gozo zu Fragen rund um die Kirche in der Zeit der Pandemie Stellung. Dies ist bedeutsam, um seine Gedanken zu verstehen, die uns mitten in der „2. Welle“ erneut bewegen. – Hier nun der 4. Teil des Interviews.

Spadaro-Sereni: Sie haben vorhin von einer „neuen Ekklesiologie“ gesprochen, die sich aus der erzwungenen Erfahrung des Lockwons ergibt. Was bedeutet diese Wiederentdeckung des Zuhause?

Grech: Es legt nahe, dass die Zukunft der Kirche hier liegt, nämlich darin, Hauskirche zu rehabilitieren und ihr mehr Raum zu geben – eine ‚Kirchen-.Familie‘, die aus einer Reihe von ‚Familien-Kirchen‘ besteht. Dies ist die begründete Voraussetzung für die Neuevangelisierung, die wir für so dringend erforderlich halten. Wir müssen Kirche in unseren Familien leben. Es gibt kein Gegenüber von ‚institutioneller Kirche‘ und ‚Hauskirche‘. Die große Gemeinschaft von Kirche besteht aus kleinen Kirchen, die sich in Häusern versammeln. Wenn Hauskirche versagt, kann Kirche nicht existieren. Wenn es keine Hauskirche gibt, hat die Kirche keine Zukunft! Die Hauskirche ist der Schlüssel, der Horizonte der Hoffnung öffnet!

In der Apostelgeschichte haben wir eine detaillierte Beschreibung der Hauskirche, der ‚domus ecclesiae‘: „Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Lauterkeit des Herzens“ (Apg 2,46). Im Alten Testament war das Zuhause der Ort, an dem Gott sich offenbarte und an dem die feierlichste Feier des jüdischen Glaubens, das Pessach, begangen wurde. Im Neuen Testament fand die Inkarnation in einem Haus statt, das Magnifikat und das Benediktus wurden in einem Haus gesungen, die erste Eucharistie fand in einem Haus statt, ebenso wie die Aussendung des Heiligen Geistes zu Pfingsten. In den ersten zwei Jahrhunderten versammelte sich die Kirche immer im Haus einer Familie.

In letzter Zeit wurde der Ausdruck „kleine Hauskirche“ oft mit einer reduktionistischen Note verwendet – vielleicht unfreiwillig … – Könnte dies dazu beigetragen haben, die kirchliche Dimension des Zuhause und der Familie zu schwächen, die für alle so leicht verständlich ist und die uns heute so offensichtlich erscheint?

Wir sind vielleicht immer noch in diesem Zustand, weil der Klerikalismus eine der Perversionen des priesterlichen Lebens und der Kirche ist, obwohl das Zweite Vatikanische Konzil die Vorstellung von der Familie als „Hauskirche“[1] wiedererlangt und die Lehre über das gemeinsame Priestertum[2] weiterentwickelt hat. In letzter Zeit habe ich genau diese Aussage in einem Artikel über die Familie gelesen. Die Theologie und der Wert der Seelsorge in der Familie als Hauskirche nahmen im vierten Jahrhundert, als die Sakralisierung von Priestern und Bischöfen stattfand, eine negative Wendung zum Nachteil des gemeinsamen Priestertums der Taufe, das allmählich an Wert verlor. Je weiter die Institutionalisierung der Kirche fortgeschritten ist, desto mehr nahm die Natur und das Charisma der Familie als Hauskirche ab.

Es ist nicht die Familie, die der Kirche untergeordnet ist, sondern die Kirche ist subsidiär der Familie zugeordnet. Da die Familie die grundlegende und dauerhafte Struktur der Kirche ist, sollte eine heilige und gottesdienstliche Dimension wiederhergestellt werden: domus ecclesiae. Der heilige Augustinus und der heilige Johannes Chrysostomus lehren im Gefolge des Judentums, dass die Familie eine Umgebung sein sollte, in der der Glaube gefeiert, über ihn meditiert und er gelebt werden kann. Es ist die Pflicht der Pfarre, der Familie zu helfen, eine Schule der Katechese und ein liturgischer Raum zu sein, da auf dem Küchentisch Brot geteilt werden kann.

[1] Zweites Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium (LG), 11; Apostolicam Actuositatem (AA), 11.

[2] Vgl. LG 10.