Zur Entwicklung von Kirche bei uns (4)

Viel wird zur „Kirchenentwicklung“ gesagt. Auch in unserer Diözese ist befinden wir uns in dieser Spur des Evangeliums. – In loser Folge will ich hier auf verschiedene Wortmeldungen von mir – ausschnittsweise – hinweisen, um mir und uns die Fragestellungen in Erinnerung zu rufen, um die es dabei – umfassend gedacht – geht.
Wir sind als Kirche und Gläubige in dieser Welt mit diesen Herausforderungen unterwegs …

Aus dem Referat auf den verschiedenen Herbstwochen 2015

Der Bischof ist mit auf dem Weg …
Natürlich werde auch ich den Weg offensiv mitgehen. Da wird wohl einiges versucht werden, einiges wird sich – so denke ich – auch nach langem Nachdenken vielleicht als Irrweg herausstellen. Aber: das „heilige Experiment“, das Gott mit der Kirche von Graz-Seckau gewagt hat und wagt, kann auch – vielleicht verstärkt? – von uns genutzt werden. Letzte Sicherheit werden wir in einer zutiefst durch das Vergehen dieser Welt verunsicherten Situation nie erreichen, auch deswegen, weil Gott selbst Lebendigkeit und damit wirkvoller Geist ist.

[…]

 … in der Diözese
Gemeinsam mit […] Generalvikar, Dr. Erich Linhardt […] gilt es, die Erfahrungsräume von Kirche in Pfarren, Gruppen, Gemeinden und Gemeinschaften, in kategorialen Seelsorgebereichen und Orden entsprechend den heutigen Anforderungen anzupassen.

Haben wir keine Angst zu sagen, dass etwas neu wird! Haben wir auch keine Angst davor, dass Versuche scheitern können. So etwa wird mit der Neuordnung der Grazer Stadtkirche ein für mich mutiges Experiment gewagt; ebenso sei nochmals an die vorgestellte Initiative in Richtung „missionarische Pfarren“ erinnert. Immerhin hat mir genau das auch der Vertreter des Papstes in Österreich bei meiner Weihe mitgegeben.

Wenn ich in den kommenden Monaten mit den Verantwortungsträgern der Regionen in Kontakt trete, dann soll aus diesem Hinhören noch stärker der Weg in die Zukunft geschärft werden. Ich werde mich dabei den Priestern und Diakonen sowie den anderen in der Seelsorge Angestellten besonders zuwenden. Zugleich werden die in unserer Diözese Verantwortung tragenden Gremien mit zugewiesenen Fragestellungen beauftragt werden, den benannten Inhalten entsprechend „Raum“ zu geben. Unter anderem stellen sich da folgende Fragen:

  • Zusammen in der Kirche leben: Dienste und Vollmachten der Getauften und der Amtsträger
  • Mitverantwortung auf den unterschiedlichen pastoralen Ebenen und in Bereichen der Kirche – vor Ort, in diözesanen Entscheidungen (vgl. Vorschläge der Dechantenkonferenz bei der Fortbildung in Brixen 2013, die unter anderem neue Aufgabenstellungen für die sog. „mittlere Ebene“ bedeuten, die bislang die 25 Dekanate darstellten)
  • gemeinsames Vorangehen im Suchen nach dem Willen Gottes unter Zusammenarbeit der Gremien
  • Arbeiten, die in den letzten Jahren unter Pastoralamtsleiter Mag. Johannes Freitag vorangetrieben wurden, gilt es zum Abschluss zu bringen, und zwar: „Was sind wesentliche Konkretisierungen, wenn wir von einer ‚Pfarre‘ reden, was gehört unbedingt dazu?“ Und: „Von welchen Werten und Grundhaltungen lassen wir uns in der Kirche von Graz-Seckau auf allen Ebenen leiten?“ […}
  • Die Frage nach der rechten und notwendigen Kommunikation untereinander und mit dem Ordinariat wird auch in den kommenden Jahren eine immer neu zu bedenkende wichtige Fragestellung sein.
  • Wenn der Pfarrer der erste Diener für das Leben derer ist, die in der Nachfolge Jesu Christi stehen: was ist wirklich der Dienst der Priester hierfür? Er ist sicher nicht „Guru“ und auch nicht einer, nach dessen spiritueller Pfeife getanzt werden muss …

… mit dem Ordinariat und den Verantwortungsträgern
Das Ordinariat mit seinen Dienststellen ist nicht die „Firmenzentrale“ der Diözese, es ist – wie es im Leitbild heißt – u. a. „Inspirations-, Service- und Kompetenzzentrum zum Nutzen der ganzen Diözese“, was natürlich mitunter auch heißen kann, an gesetzliche Grundlagen u. ä. m. erinnern zu müssen. Daher gilt es, wie überhaupt im Leben, auch hier inne zu halten, um Nachschau zu halten, wo dieses Ziel, als Amt des Ordinarius für die ganze Diözese zu arbeiten, noch weiter verbessert werden kann. Daher wird es wohl eine der vornehmsten Aufgaben unseres […] Generalvikars sein, die bereits benannten Fragestellungen für die Diözese auch im Ordinariat entsprechend zu stellen und voranzutreiben, etwa:

  • Zusammenspiel zwischen Ordinariat und Erfahrungsräumen von Kirche etwa in puncto
    – Kommunikation,
    – Subsidiarität usw.
  • Anpassung und Weiterentwicklung der Strukturen im Bischöflichen Ordinariat an die Anforderungen der Seelsorge in den nächsten Jahren.

… mit den Pfarrern und Priestern
Als die ersten Mitarbeiter des Bischofs hoffe ich, dass die „Freude am Evangelium“ durch Euch auch nach vielleicht entbehrungsreichen Jahren in der Seelsorge erhalten ist. Ich weiß: in der Gesellschaft tut sich so viel, dass es mehr als nur verständlich ist, wenn Priester glauben, wahrnehmen zu müssen, die Botschaft des Evangeliums „greife“ nicht mehr. Meine Erfahrung lehrte mich zunehmend, auf das zu blicken, was ist, und gemeinsam ernsthaft nach dem zu suchen, was in dieser Situation, mit diesen Menschen in diesem Sendungsauftrag von Gott gewollt wird. Diese Aufmerksamkeit ist notwendig. Ich weiß auch, dass durch viele Veränderungen im Leben unseres Dienstes, durch die sehr geringe Zahl nachwachsender Berufungen und anderes mehr, die Herausforderungen für die Priester andere geworden sind und vielfach als Be-, wenn nicht Überlastung empfunden werden. Ich bin versucht zu sagen, dass manches in der bislang gewohnten Form, Kirche zu leben und zu gestalten nicht mehr geht. Ich sage sogleich aber auch dazu und bitte darum, eine Umkehr in den Argumenten mitzuvollziehen, damit wir nicht vom Priester her Kirche denken, gestalten und bauen, sondern von Christus her und daher von jenen, die seinen Namen tragen. Ich möchte daher für jeden von uns einige persönliche Überlegungen mitgeben:

  • Wie lebe ich die Berufung ins Priestersein, in diese Lebensform? Mit wem tausche ich mich wirklich darüber aus – der Beichtvater scheint mir da zu wenig zu sein. Anders ausgedrückt: wen habe ich, mit dem ich über das, wie es mir persönlich geht, wirklich ins Gespräch komme und nicht bloß darüber, wie es mir in meinem Dienst geht?!
  • Wo sind jene, die an meiner Art, Evangelium zu leben, Feuer fangen? Jesus nachzufolgen, führt wohl alle zum erfüllten Dasein, auch zölibatär lebende Priester sind von dieser Verheißung nicht ausgenommen. Das Evangelium ist trotz allem, was an Kreuz zu benennen ist – Frohe Botschaft. Nehmen wir also auch an und ernst, dass Berufungspastoral die Grundmelodie allen kirchlichen Tuns ist und sind wir aufmerksam für jene, die nach einem entsprechenden Leben suchen? […] [Die] Botschaft Christi vermag gerade heute auch junge Leute zu begeistern. Wer begleitet sie weiter, wo werden ihre Fragen ernst- und angenommen?
  • Was lässt mich „brennen“? – Wir brauchen keine Angst haben, dass Gott geizig ist, Menschen zu rufen. Wir sind Arbeiter, die ernten! Wir müssen auch nicht ängstlich um unsere Kirche sein, denn ER ist ihr Herr und ER baut Kirche. Wir sind Diener dabei.
  • Wir wissen um die unterschiedlichsten „Typen“, die ER in diesen Dienst gerufen hat. Wir Priester geben damit ein sichtbares Zeichen für die Breite unserer katholischen Kirche ab, die ich nicht missen möchte. Wir sind aber als Seismographen für die Vorgänge in der Welt nicht davor gefeit, eng zu werden. Bewahren wir es uns oder lernen wir es, vielleicht neu, den Weg, den ein anderer in seiner Nachfolge als Priester geht und wählt, als den ihm entsprechenden Weg zu sehen. Lassen wir nicht voneinander! Gehen wir aufeinander zu, öffnen wir uns dem Bruder im selben Dienst neben mir und seien wir dankbar dafür, dass es so viele Wege gibt, Priester-Sein zu leben wie es eben Männer gibt, die ihr „Ja“ dazu gesagt haben. „Links“ und „rechts“, „progressiv“ und „konservativ“, „papsttreu“ oder „fortschrittlich“ sind keine Kategorien, in die wir uns einpassen lassen dürften bzw. dürfen. Wir brauchen auch keine Angst um uns zu haben, denn ER ist mit uns! – Es gibt freilich auch Grenzüberschreitungen in diesem sehr weiten Rahmen, die Korrekturen notwendig machen.

An dieser Stelle daher aus vollstem Herzen Danke und „Vergelt’s Gott!“ für Euren authentisch gelebten Weg der Nachfolge und Euren Dienst, mit dem und durch den in unserer Welt ein deutliches Signal gesetzt wird, dass der Auferstandene unter uns gegenwärtig ist und lebt.

… mit den anderen, die in der Seelsorge tätig sind
[…]

Ich weiß: in diesem Abschnitt wurden viele Fragen angerissen. Sie alle stehen unter dem großen Rahmen, im Heute unserer Zeit freudig Zeuge für das Evangelium zu sein. Deswegen sind diese zu stellen. Im Vertrauen darauf, dass ER die Kirche von Graz-Seckau leitet, können wir uns allen Anfragen stellen und aussetzen und müssen keine Angst haben. Denn: ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Botschaft des Evangeliums, die Botschaft der Kirche auch und gerade heute Brot für das Leben ist.[1]

_________________________________________________
[1] Alle Frage- tlw. auch Infragestellungen bedeuten keineswegs zu behaupten, dass das Frühere schlecht war, dass jenes, was uns Jahrhunderte herauf, ausgehend von der Freiheit des Christenstums nach Konstantin, segensreich unterstützt hat, null und nichtig ist. Das kann und darf als solches stehen bleiben. Weil Gott immer einer ist, der „heute“ ist, gilt es dennoch, trotz allem, was uns wertvoll war und ist, nach dem zu fragen, welche Form Kirche heute bei uns braucht, um ihrer Sendung zu den Menschen, in der einen Welt, in ihrer Suche nach Identität und Einheit, in ihrem Suchen nach Lebensmöglichkeiten im Miteinander und in Frieden und Freiheit im gemeinsamen Haus einigermaßen gerecht zu werden. Ich bin mir sicher: Er baut auch heute an Seiner Kirche. Schön ist’s und wäre es, wenn wir unsere Berufung darin sehen, mit Ihm zu bauen.